Machtkampf spaltet Union
Deutschland. Armin Laschet (CDU) oder Markus Söder (CSU)? Die Kanzlerkandidatenfrage spaltet die Union. Ein erster Laschet-Unterstützer wirft Söder die „Zerstörung der CDU“vor. Die Nerven liegen blank.
Wer wird Kanzlerkandidat: Armin Laschet (CDU) oder Markus Söder (CSU)? Die Nerven liegen blank.
Berlin. Wochenlang wurde orakelt, wer in diesem Duell die Oberhand behält. Wer hat mehr Truppen? Wer kann die Wähler besser begeistern? Wer ist inhaltlich verlässlicher? Solche Fragen schwirrten gewiss durch die Köpfe. An diesem Wochenende wurde der Machtkampf final entschieden. Friedrich Merz wird CDU-Direktkandidat im Hochsauerlandkreis.
Der Wirtschaftsanwalt deklassierte den Abgeordneten Patrick Sensburg in einem Votum der Kreis-Delegierten. Merz hat nun beste Chancen auf ein Comeback im Bundestag nach zwölf Jahren Abstinenz. Der Hochsauerlandkreis ist tiefschwarzes Terrain. „Es tut ganz gut, mal wieder eine Abstimmung zu gewinnen“, witzelte der Ex-Fraktionschef, der im Kampf um den CDU-Vorsitz zweimal knapp unterlegen war, hernach totgesagt wurde, nun aber wieder eine größere Rolle spielen könnte.
„Einigt euch!“
Der andere Machtkampf, jener, der die Republik elektrisiert und zwischen CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur ausgetragen wird, zog sich indes in die Länge. Vielen Funktionsträgern dauerte dieses Duell schon um Tage zu lang. Sie flehten die Parteichefs öffentlich an: „Einigt euch!“JU-Chef Tilman Kuban riet gar zu einer Söder-Laschet-Konklave: Einsperren, bis weißer Rauch aufsteigt. Doch bis Redaktionsschluss gab es keine Entscheidung. Unter Unterstützern Laschets lagen die Nerven teilweise blank. „Wenn Söder die Kanzlerkandidatur erzwingen und die CDU zerstören will, dann darf die Gründung der CDU in Bayern kein Tabu mehr sein“, polterte Dennis Radtke im ZDF. Radtke ist Europaparlamentarier und Vizechef des Arbeitnehmerflügels im LaschetLand Nordrhein-Westfalen. Sein Wort hat bundesweit kein Gewicht. Aber die Episode verrät, dass die Ersten bereit sind, mit härtesten Bandagen zu kämpfen.
Der angedeutete Einmarsch in Bayern, das war immer die Ultima Ratio, um die CSU zum Einlenken zu bewegen. Im Flüchtlingsstreit der Schwesterparteien hatte ein gewisser Laschet einst mit dem Szenario einer bayrischen CDU gespielt. Seine Partei könne notfalls „schnell“einen Ableger in Bayern gründen, meinte er damals. Kurz vor dem Abgrund drehte die CSU dann bei.
Das Dilemma des Laschet-Lagers: Der Riss in der Kanzlerkandidatenfrage geht quer durch die eigene Partei. Er durchschneidet die CDU horizontal. Die Parteigranden tendieren mehrheitlich zu Laschet, aber jene, die diese Granden repräsentieren, die Mitglieder, wollen wie die meisten Wähler lieber Söder, was wiederum Eindruck auf CDU-Mandatare macht. Ihr Überleben als Abgeordnete hängt auch davon ab, ob der Spitzenkandidat im Wahlkampf zündet. CDU-Spitzenpolitiker unterstellten Söder schlechten Stil und Foulspiel, weil er sich nicht dem „Votum“zugunsten Laschets im CDU-Präsidium beugte und das Führungsgremium als „Hinterzimmer“herabwürdigte. Dem Bayern mangle es an „Respekt“, klagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK).
Allerdings scherten zwei CDUPräsidiumsmitglieder und Ministerpräsidenten aus: zuerst Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt), dann Tobias Hans (Saarland). Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann könnte folgen. Er wollte sich am Sonntagabend mit seinem Landesvorstand besprechen. Sowohl das Söder- als auch das Laschet
Lager sammelten zuletzt Unterschriften. Die wichtigere Liste kursiert unter Abgeordneten. Dutzende Mandatare, vor allem Söder-Unterstützer, wollen am Dienstag eine Abstimmung in der Fraktion über die K-Frage erzwingen, so wie 1979. Einem „Bild“-Bericht zufolge haben sie das nötige Quorum erreicht. Andere raten dringend vor einem Votum in der Fraktion ab.
Der Direktkandidat im Hochsauerlandkreis, Merz, nannte es die „schlechteste aller Lösungen“. Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung in der Fraktion, erklärte, eine Kampfabstimmung würde Gräben aufreißen, die sich nur schwer wieder zuschütten ließen. Linnemann, im Kampf um den CDU-Vorsitz noch ein MerzUnterstützer, zählt wie Merz mittlerweile zum Laschet-Lager.
Der Kontrast zu den Grünen
Laschet und Söder hatten sich eine Frist gesetzt. Bis zum Sonntag wollten sie die K-Frage „freundschaftlich“klären. Das Datum war absichtlich gewählt: Laschet graute laut „Spiegel“vor dem Szenario, dass die grüne „Chaospartei“ihren Kanzlerkandidaten vor der Union benennt. Am Montag werden die Grünen verkünden, ob sie Annalena Baerbock oder Robert Habeck in die Wahl führt. Die beiden CoChefs haben die Entscheidung bereits unter vier Augen getroffen. Kein böses Wort drang nach außen. Man kann sich kaum einen schärferen Kontrast zum Hauen und Stechen in der Union denken.