Die Presse

Die Enkel erben nichts

Nachlass. Eine reiche Kärntnerin enterbte ihre Enkeltöcht­er nach britischem Recht. Der OGH lässt das durchgehen. Nun bekommt ein Tierheim viel Geld.

- VON PHILIPP AICHINGER

Eine reiche Kärntnerin enterbte ihre Enkelinnen nach britischem Recht. Das Geld ging an das Tierheim.

Wien. Die Geschichte hatte auch rund um die Enthüllung­en durch die „Paradise Papers“für Aufsehen gesorgt. Der Kärntner Landestier­schutzvere­in sollte laut diesen Recherchen knapp fünf Millionen Euro erben, die in zwei Trusts auf der britischen Isle of Man lagen. Eine mit 93 Jahren aus dem Leben geschieden­e Kärntnerin hatte dies so vorgesehen. Und sie hatte sich gewünscht, dass ihre zwei Enkelinnen nichts bekommen. Dabei berief sich die Frau auf das britische Recht, nach dem Nachfahren nicht wie hierzuland­e unabhängig von ihrem finanziell­en Bedarf über ein Pflichttei­lsrecht verfügen. Aber ist das mit dem österreich­ischen Rechtsvers­tändnis in Einklang zu bringen? Eine Frage für den Obersten Gerichtsho­f (OGH).

Neben dem für das Tierheim zur Seite gelegten Vermögen sollte nach dem letzten Willen ein Neffe als Erbe zum Zug kommen. Dass britisches Recht infrage kam, hatte mit dem internatio­nalen Leben der Kärntnerin zu tun. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Frau einen Briten geheiratet, bis zuletzt hatte sie daher die britische Staatsbürg­erschaft inne. Die Frau lebte 18 Jahre im Vereinigte­n Königreich, sieben Jahre in Südafrika und 23 Jahre in Paris und Brüssel. Später kehrten die Frau und ihr Ehemann nach Kärnten zurück. Der Mann starb 2007, neun Jahre später sollte auch die Witwe aus dem Leben scheiden. Die beiden Enkelinnen leben in Großbritan­nien bzw. in den Niederland­en.

Rechtswahl nach EU-Regeln

In ihrem Testament betonte die Frau, dass sie Britin sei und daher nach der EU-Erbrechtsv­erordnung britisches Recht zur Anwendung kommen solle. Selbst wenn sie zuletzt in Österreich gelebt habe. Darauf berief sich im Verfahren auch der Tierschutz­verein.

Die Enkelinnen, die den Tierschutz­verein geklagt hatten, bezweifelt­en, dass ihre Oma Britin gewesen sei. Der Reisepass der Großmutter beweise das nämlich noch gar nicht. Und die Oma sei doch so mit Österreich verbunden gewesen, dass jedenfalls österreich­isches Recht zur Anwendung kommen müsse. Jede der beiden Enkelinnen verlangten 25 Prozent dessen, was der Tierschutz­verein aus den Trusts erhalten hat.

Der Reisepass wurde sehr wohl als Beweis gewertet. „Wenn Staaten aufgrund ihrer völkerrech­tlich anerkannte­n ,Passhoheit‘ Reisepässe ausstellen, erklären sie verbindlic­h, dass der Passinhabe­r dem jeweiligen Staat angehört“, betonte der OGH. Und nach der EU-Erbrechtsv­erordnung sei es in diesem Fall auf Wunsch des Erblassers möglich, britisches Recht anzuwenden.

Doch für diesen Fall hatten die Enkelinnen vorgesorgt. Sie beriefen sich nämlich auch auf einen Verstoß gegen den Ordre public. Demnach darf man in Österreich ausländisc­hes Recht nur dann anwenden, wenn dieses nicht gegen die Grundwertu­ngen der heimischen Rechtsordn­ung verstößt. Und wenn man als Enkelin gar nichts vom Vermögen der Oma bekommen dürfe, sei dies so ein Fall, meinten die beiden Klägerinne­n.

Nein, entgegnete der OGH. Selbst der österreich­ische Gesetzgebe­r habe zuletzt das Pflichttei­lsrecht aufgeweich­t, betonte er. So seien mit der Novelle aus dem Jahr 2015 etwa die Pflichttei­lsansprüch­e von Eltern entfallen. Und generell habe man damals die Privatauto­nomie des Erblassers gestärkt.

Starker Bezug zu England

Dazu komme in diesem Fall, dass es einen starken Bezug zu England gebe und die Enkelinnen selbst geringen Bezug zu Österreich aufweisen. „Umso weniger kann das Nichtbeste­hen von Pflichttei­lsansprüch­en, das die Klägerinne­n gegenüber in England ansässigen Vorfahren jedenfalls hinnehmen müssten, einen Verstoß gegen den österreich­ischen Ordre public begründen“, erklärte der OGH (2 Ob 214/20i).

Den Tieren wird der Ordre public erst recht egal sein. Ihr Schutzvere­in hatte die genaue Summe des Erbes in der Vergangenh­eit zwar nicht beziffern wollen. Man werde das Geld aber etwa für einen Gnadenhof einsetzen, hieß es.

 ?? [ Feature: APA/DPA/Axel Heimken ] ?? Kein armer schwarzer Kater: Tiere mehrerer Farben und Arten dürfen sich über das Erbe freuen.
[ Feature: APA/DPA/Axel Heimken ] Kein armer schwarzer Kater: Tiere mehrerer Farben und Arten dürfen sich über das Erbe freuen.

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