Die Enkel erben nichts
Nachlass. Eine reiche Kärntnerin enterbte ihre Enkeltöchter nach britischem Recht. Der OGH lässt das durchgehen. Nun bekommt ein Tierheim viel Geld.
Eine reiche Kärntnerin enterbte ihre Enkelinnen nach britischem Recht. Das Geld ging an das Tierheim.
Wien. Die Geschichte hatte auch rund um die Enthüllungen durch die „Paradise Papers“für Aufsehen gesorgt. Der Kärntner Landestierschutzverein sollte laut diesen Recherchen knapp fünf Millionen Euro erben, die in zwei Trusts auf der britischen Isle of Man lagen. Eine mit 93 Jahren aus dem Leben geschiedene Kärntnerin hatte dies so vorgesehen. Und sie hatte sich gewünscht, dass ihre zwei Enkelinnen nichts bekommen. Dabei berief sich die Frau auf das britische Recht, nach dem Nachfahren nicht wie hierzulande unabhängig von ihrem finanziellen Bedarf über ein Pflichtteilsrecht verfügen. Aber ist das mit dem österreichischen Rechtsverständnis in Einklang zu bringen? Eine Frage für den Obersten Gerichtshof (OGH).
Neben dem für das Tierheim zur Seite gelegten Vermögen sollte nach dem letzten Willen ein Neffe als Erbe zum Zug kommen. Dass britisches Recht infrage kam, hatte mit dem internationalen Leben der Kärntnerin zu tun. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Frau einen Briten geheiratet, bis zuletzt hatte sie daher die britische Staatsbürgerschaft inne. Die Frau lebte 18 Jahre im Vereinigten Königreich, sieben Jahre in Südafrika und 23 Jahre in Paris und Brüssel. Später kehrten die Frau und ihr Ehemann nach Kärnten zurück. Der Mann starb 2007, neun Jahre später sollte auch die Witwe aus dem Leben scheiden. Die beiden Enkelinnen leben in Großbritannien bzw. in den Niederlanden.
Rechtswahl nach EU-Regeln
In ihrem Testament betonte die Frau, dass sie Britin sei und daher nach der EU-Erbrechtsverordnung britisches Recht zur Anwendung kommen solle. Selbst wenn sie zuletzt in Österreich gelebt habe. Darauf berief sich im Verfahren auch der Tierschutzverein.
Die Enkelinnen, die den Tierschutzverein geklagt hatten, bezweifelten, dass ihre Oma Britin gewesen sei. Der Reisepass der Großmutter beweise das nämlich noch gar nicht. Und die Oma sei doch so mit Österreich verbunden gewesen, dass jedenfalls österreichisches Recht zur Anwendung kommen müsse. Jede der beiden Enkelinnen verlangten 25 Prozent dessen, was der Tierschutzverein aus den Trusts erhalten hat.
Der Reisepass wurde sehr wohl als Beweis gewertet. „Wenn Staaten aufgrund ihrer völkerrechtlich anerkannten ,Passhoheit‘ Reisepässe ausstellen, erklären sie verbindlich, dass der Passinhaber dem jeweiligen Staat angehört“, betonte der OGH. Und nach der EU-Erbrechtsverordnung sei es in diesem Fall auf Wunsch des Erblassers möglich, britisches Recht anzuwenden.
Doch für diesen Fall hatten die Enkelinnen vorgesorgt. Sie beriefen sich nämlich auch auf einen Verstoß gegen den Ordre public. Demnach darf man in Österreich ausländisches Recht nur dann anwenden, wenn dieses nicht gegen die Grundwertungen der heimischen Rechtsordnung verstößt. Und wenn man als Enkelin gar nichts vom Vermögen der Oma bekommen dürfe, sei dies so ein Fall, meinten die beiden Klägerinnen.
Nein, entgegnete der OGH. Selbst der österreichische Gesetzgeber habe zuletzt das Pflichtteilsrecht aufgeweicht, betonte er. So seien mit der Novelle aus dem Jahr 2015 etwa die Pflichtteilsansprüche von Eltern entfallen. Und generell habe man damals die Privatautonomie des Erblassers gestärkt.
Starker Bezug zu England
Dazu komme in diesem Fall, dass es einen starken Bezug zu England gebe und die Enkelinnen selbst geringen Bezug zu Österreich aufweisen. „Umso weniger kann das Nichtbestehen von Pflichtteilsansprüchen, das die Klägerinnen gegenüber in England ansässigen Vorfahren jedenfalls hinnehmen müssten, einen Verstoß gegen den österreichischen Ordre public begründen“, erklärte der OGH (2 Ob 214/20i).
Den Tieren wird der Ordre public erst recht egal sein. Ihr Schutzverein hatte die genaue Summe des Erbes in der Vergangenheit zwar nicht beziffern wollen. Man werde das Geld aber etwa für einen Gnadenhof einsetzen, hieß es.