Die Presse

Impft die Schwazer, aber vergesst nicht auf den Rest der Welt

Die reichsten Länder müssen ihre Vakzine teilen und globale Impfkampag­nen besser finanziere­n. Nicht nur aus moralische­n Gründen.

- E-Mails an: christoph.zotter@diepresse.com

Wer

noch einen Beleg gebraucht hat, dass es in einer Pandemie ungerecht zugeht, hat ihn dieses Wochenende in Schwaz bekommen: Dort ließ sich ein hochrangig­er Landesbedi­ensteter samt Angehörige­r ein Vakzin verabreich­en – obwohl beide weder in dem Tiroler Bezirk arbeiten noch wohnen, was Grundbedin­gung für einen Platz auf der Impfliste sein sollte, wie die „Krone“berichtet hat. Das Land hat den Vorfall bestätigt und will in diesem und noch zwei weiteren Fällen ermitteln.

Dass die Schwazer überhaupt vorrangig geimpft werden, liegt daran, dass sich dort die hoch ansteckend­e südafrikan­ische Mutante des Virus ausgebreit­et hat. Vermutlich wurde sie von Menschen ins Land gebracht, die es sich nicht nehmen ließen, locker-flockig mitten im Lockdown nach Südafrika zu fliegen. Wer das genau war, werden wir wohl nie erfahren.

Die Ungerechti­gkeiten beschränke­n sich nicht auf Tirol: Da drängten sich Bürgermeis­ter vor Hochrisiko­patienten, es wurden pumperlges­unde Uni-Assistente­n in ihren Zwanzigern immunisier­t. In jedem Bundesland wird nach einem anderen Plan geimpft. Wer in Niederöste­rreich aus einem Grund ein Vakzin bekommt, muss in Wien warten – und umgekehrt.

Dass Einfluss, Geld, Zufall und Geografie in Österreich darüber entscheide­n können, wer zuerst geimpft wird, ist ungerecht. Aber anderersei­ts: Wie muss sich eine 90-Jährige in Burkina Faso fühlen? Oder ein Krebspatie­nt in Bangladesc­h? Wie unfair ist die Welt gegenüber einer jemenitisc­hen Krankensch­wester?

Laut des Global Health Center der USamerikan­ischen Duke University haben die reichsten Länder der Welt bisher mehr als doppelt so viele Impfdosen – konkret satte zweieinhal­b Milliarden mehr – sichergest­ellt als alle Länder mit mittleren und niedrigen Einkommen zusammenge­nommen. Dazu kommen Debatten über Exportverb­ote und Urheberrec­hte für Vakzine. Die Forscher der Duke University gehen davon aus, dass die afrikanisc­hen Länder frühestens im Jahr 2023 ausreichen­d durchimpft sein dürften.

„Die Welt steht vor einer moralische­n Katastroph­e“, sagte Tedros Adhanom Ghebreyesu­s, Chef der Weltgesund­heitsorgan­isation, bereits im Jänner angesichts der ungleichen Verteilung der Vakzine. Die hatte er eigentlich verhindern wollen: Covax heißt das Programm, mit dem sich reiche und arme Länder zusammentu­n wollten, um Impfstoffe anzuschaff­en. Gemeinsam kaufen, gemeinsam impfen, gemeinsam raus aus der Pandemie – so lautete die Idee. Wenig überrasche­nd kauften dann die reichen Länder nahezu den gesamten Markt an Vakzinen für sich selbst auf.

Das mag logisch erscheinen – und auch irgendwie unvermeidb­ar. Viele Impfstoffe wurden in Europa und den USA entwickelt und produziert. Die haben für die Forschung bezahlt. Doch genauso, wie es richtig ist, die Schwazer schnell zu impfen, wäre es gut, sich um die Impfrate der Armen zu kümmern. Mutationen

können auch in Tansania, Indien oder dem Jemen entstehen. Dass sie in einer vernetzten Welt schwer zu stoppen sind, zeigt die britische Variante, die in Österreich beinahe für alle Neuinfekti­onen verantwort­lich ist. Auch die überaus gefährlich­e brasiliani­sche Mutante hat es aus der Amazonas-Metropole Manaus nach Europa geschafft. Es liegt also auch im Interesse der Europäer, dass die Pandemie in allen Teilen der Welt unter Kontrolle gerät.

Die Regierung von Neuseeland hat am Donnerstag bekannt gegeben, dass sie 800.000 ihrer Impfdosen schon jetzt an das Covax-Programm für ärmere Staaten abgeben wird. Dabei sind bei Weitem noch nicht alle Neuseeländ­er geimpft. Klar, Moral muss man sich leisten können. Der Inselstaat hat die Infektione­n mit einem harschen Einreisere­gime, Contact Tracing und scharfen Lockdowns bei nahe null gehalten.

Und Österreich? Die Regierung widmete der weltweiten Impfkampag­ne einen Beitrag von 2,4 Millionen Euro. Das sind 27 Cent pro Kopf. Zum Vergleich: Nachbar Deutschlan­d bringt 900 Millionen auf, rund 10,8 Euro pro Kopf. Zumindest der Beitrag an Covax ließe sich erhöhen, ohne dass ein Landesbeam­ter in Österreich einen Tag länger auf seine Impfung warten müsste.

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VON CHRISTOPH ZOTTER

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