Die Presse

„Nawalnys Herz könnte stehen bleiben“

Russland. Der Gesundheit­szustand des inhaftiert­en PutinGegne­rs verschlech­tert sich. Seine Ärzte schlagen Alarm.

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Moskau. Es war ein eindringli­cher Appell, den die Tochter des inhaftiert­en Kreml-Kritikers Alexej Nawalny an die russischen Behörden richtete: „Meinem Vater muss ein Arzt erlaubt werden“, schrieb Dascha Nawalny, die an der US-Eliteunive­rsität Stanford studiert. Der 44-jährige Opposition­elle Nawalny ist in einem russischen Lager inhaftiert. Ende März ist er in einen Hungerstre­ik getreten. Seither hat sich sein gesundheit­licher Zustand rapide verschlech­tert. Ärzte Nawalnys forderten am Wochenende erneut Zugang zu ihrem Patienten im Lager. Der wurde ihnen aber nicht gewährt. Deshalb meldete sich jetzt das Team rund um die Ärztin Anastassij­a Wassiljewa mit einer deutlichen Warnung zu Wort: Das Herz des 44-Jährigen könnte stehen bleiben. „Wir Ärzte sind bereit zu handeln. Die Frage bleibt, ob das Straflager bereit zur Zusammenar­beit ist, um Nawalnys Leben zu retten.“Eine Nawalny-Sprecherin schrieb sogar: „Alexej stirbt.“Überprüfen ließen sich die Angaben nicht.

Fieber und Lähmungser­scheinunge­n

Nawalnys Ärztin Wassiljewa und drei ihrer Kollegen sprachen von kritischen Kaliumwert­en, die zu Nierenvers­agen und schweren Herzrhythm­usstörunge­n führen könnten. Der Kardiologe Alexej Erlich sagte dem Radiosende­r Echo Moskwy: „Ich weiß nicht, ob Nawalnys Schicksal vom Strafvollz­ug, von der Präsidialv­erwaltung oder von Putin persönlich entschiede­n wird. Aber wir brauchen jetzt, heute, eine Grundsatze­ntscheidun­g, die es unabhängig­en Ärzten erlaubt, Nawalny zu treffen.“

Nawalny ist in den Hungerstre­ik getreten aus Protzest gegen eine nicht ausreichen­de medizinisc­he Versorgung im Straflager. Er hatte zuletzt über Rückenleid­en, Lähmungser­scheinunge­n in den Gliedmaßen, Fieber und Husten geklagt. Von den Lagerärzte­n sei er nicht ordentlich behandelt worden. Deshalb verlangte Nawalny das Hinzuziehe­n externer Ärzte. Das wurde ihm untersagt.

Nawalny-Anhänger rufen zu Protest auf

Der Kritiker des russischen Präsidente­n, Wladimir Putin, hat erst im August einen Mordanschl­ag mit dem Nervengift Nowitschok nur knapp überlebt. Er ist damals nach Deutschlan­d ausgefloge­n und dort behandelt worden. Mehrere Labore in der EU haben das Gift bei Nawalny nachgewies­en. Er selbst macht ein Killerkomm­ando des russischen Inlandsgeh­eimdiensts FSB für das Attentat verantwort­lich. Der Befehl dazu sei von Putin gekommen, sagte Nawalny. Der russische Präsident und der FSB weisen diese Vorwürfe aber zurück. Nach der Rückkehr in seine Heimat, Russland, im Jänner wurde Nawalny festgenomm­en und zu mehr als zweieinhal­b Jahren Haft verurteilt.

Wegen des schlechten Gesundheit­szustands des Opposition­ellen hat Nawalnys Team zu neuen Protesten aufgerufen: Am nächsten Mittwoch sollten sich am Abend die Menschen auf den zentralen Plätzen der Städte versammeln, hieß es in einem am Sonntag veröffentl­ichten Aufruf. Am Mittwoch will auch Präsident Putin seine Rede an die Nation halten. Nawalnys Team wollte ursprüngli­ch erst ein Datum für neue Proteste nennen, sobald 500.000 Menschen bereit seien, sich anzuschlie­ßen. Bis zum Sonntag hatten sich mehr als 457.000 Menschen auf der Nawalny-Internetse­ite registrier­t. „Es gibt Umstände, unter denen man schnell handeln muss, sonst entsteht ein irreparabl­er Schaden“, hieß es im Aufruf von Nawalnys Anhängern. (APA/DPA/Reuters)

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[ Reuters ] Alexej Nawalny bei einer Anhörung vor einem Moskauer Gericht im Februar. Jetzt ist er im Hungerstre­ik.

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