Wie Sarajewos neue Bürgermeisterin Korruption bekämpfen will
Bosnien. Benjamina Kari´c gilt als weltoffen und klug. Die 30-Jährige setzt sich für Versöhnung und eine neue politische Kultur ein.
Belgrad/Sarajewo. Neue Besen fegen anders. Als erste Amtshandlung hat sich Sarajewos neue Oberbürgermeisterin, Benjamina Karic,´ von der von ihrem Vorgänger widerrechtlich angeschafften Dienstlimousine getrennt. Sie habe Anweisung erteilt, „den schwarzen Passat zu verkaufen“, ließ die 30-Jährige wissen: „Wir werden uns ohnehin alle auf der Straße sehen.“Ein neues Gesicht sorgt in Bosniens Hauptstadt für frischen Wind. Sarajewo sei eine „freisinnige und kosmopolitische“Metropole, so das Credo der neuen Rathaus-Chefin. In der Vielvölkerstadt gebe es seit Jahrhunderten Moscheen, Synagogen, katholische und orthodoxe Kirchen: „Wir tragen die Multikulturalität in uns.“Teilungen erkenne sie weder an, noch unterstütze sie diese: „Meine Mission ist, dass wir uns vereinen.“
Weltoffen, klug – und jung: Ausgerechnet in dem seit den Schrecken des BosnienKriegs (1992–1995) tief zerrissenen Vielvölkerstaat will die engagierte Politikerin den multikulturellen Neuaufbruch wagen. Persönlich lebt die schon zu Studienzeiten ausgezeichnete Juristin und Historikerin die von ihr propagierte Überwindung der ethnischen Verwerfungen schon länger vor.
Im Gegensatz zu den meisten ihrer Landsleute fühlt sie sich keiner von Bosniens drei „konstitutiven Nationen“der muslimischen Bosniaken, Serben und Kroatien zugehörig, sondern hat sich zur Gruppe der „Übrigen“bekannt. Dazu zählen nicht nur Bosniens kleinere Minderheiten, sondern auch
Kinder gemischter Familien und antinationalistische Freigeister. Für die Selbstklassifizierung als „Übrige“nimmt die Vizechefin der Sozialdemokratischen Partei von Bosnien und Herzegowina SDP auch die Einschränkung ihrer politischen Karriereperspektiven in Kauf: Denn bisher können laut Verfassung nur Angehörige der drei größten Nationen in das nationale Parlament oder das Staatspräsidium gewählt werden.
Überraschender Wahlausgang
Unablässig halten die Strippenzieher in Bosnien und Herzegowina die ethnischen Spannungen für den eigenen Machterhalt am Köcheln: Aus Furcht vor einem neuen Krieg und durch das gezielt geschürte Misstrauen vor anderen Ethnien scharen sich viele Bürger des Landes bei Wahlen erneut hinter die Anführer der eigenen Volksgruppe.
Auch das früher als „Europas Jerusalem“gepriesene Sarajewo hat seit Kriegsende viel von seinem einst liberalen Charakter verloren. Doch bei den Kommunalwahlen im November setzte sich in der bisher von der konservativ-muslimischen SDA dominierten Hauptstadt überraschend ein linksliberales Bündnis durch. Groß war indes das Entsetzen, als der Wähleraufbruch schon früh an Streit und Intrigen in den Reihen der Wahlsieger zu scheitern drohte.
Politik der „Nulltoleranz“
Als Bosniens serbischstämmige, von der SDP aufgebotene Politikerlegende Bogic´ Bogicevi´c´ Ende März im ersten Wahlgang durchfiel, zog er seine Kandidatur ernüchtert zurück. Mit der Nominierung Karics´ gelang es der SDP, die Politturbulenzen zu beenden: Einstimmig wurde sie an ihrem 30. Geburtstag zur Oberbürgermeisterin gewählt. „Nulltoleranz“gegenüber dem Landesübel der Korruption kündet Karic´ an. Ihre Mittel für den Feldzug gegen die Vetternwirtschaft sind in ihrer repräsentativen Funktion allerdings begrenzt. Die Stadtteile und der Kanton von Sarajewo verfügen über wesentlich mehr Mittel und Macht als die zentrale Stadtverwaltung. Mit einer transparenten Amtsführung und landesweiten Initiativen hofft sie aber zumindest Akzente für eine „andere politische Kultur“zu setzen: „Auch der längste Weg beginnt mit kleinen Schritten.“