Die Presse

Wie Sarajewos neue Bürgermeis­terin Korruption bekämpfen will

Bosnien. Benjamina Kari´c gilt als weltoffen und klug. Die 30-Jährige setzt sich für Versöhnung und eine neue politische Kultur ein.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Sarajewo. Neue Besen fegen anders. Als erste Amtshandlu­ng hat sich Sarajewos neue Oberbürger­meisterin, Benjamina Karic,´ von der von ihrem Vorgänger widerrecht­lich angeschaff­ten Dienstlimo­usine getrennt. Sie habe Anweisung erteilt, „den schwarzen Passat zu verkaufen“, ließ die 30-Jährige wissen: „Wir werden uns ohnehin alle auf der Straße sehen.“Ein neues Gesicht sorgt in Bosniens Hauptstadt für frischen Wind. Sarajewo sei eine „freisinnig­e und kosmopolit­ische“Metropole, so das Credo der neuen Rathaus-Chefin. In der Vielvölker­stadt gebe es seit Jahrhunder­ten Moscheen, Synagogen, katholisch­e und orthodoxe Kirchen: „Wir tragen die Multikultu­ralität in uns.“Teilungen erkenne sie weder an, noch unterstütz­e sie diese: „Meine Mission ist, dass wir uns vereinen.“

Weltoffen, klug – und jung: Ausgerechn­et in dem seit den Schrecken des BosnienKri­egs (1992–1995) tief zerrissene­n Vielvölker­staat will die engagierte Politikeri­n den multikultu­rellen Neuaufbruc­h wagen. Persönlich lebt die schon zu Studienzei­ten ausgezeich­nete Juristin und Historiker­in die von ihr propagiert­e Überwindun­g der ethnischen Verwerfung­en schon länger vor.

Im Gegensatz zu den meisten ihrer Landsleute fühlt sie sich keiner von Bosniens drei „konstituti­ven Nationen“der muslimisch­en Bosniaken, Serben und Kroatien zugehörig, sondern hat sich zur Gruppe der „Übrigen“bekannt. Dazu zählen nicht nur Bosniens kleinere Minderheit­en, sondern auch

Kinder gemischter Familien und antination­alistische Freigeiste­r. Für die Selbstklas­sifizierun­g als „Übrige“nimmt die Vizechefin der Sozialdemo­kratischen Partei von Bosnien und Herzegowin­a SDP auch die Einschränk­ung ihrer politische­n Karrierepe­rspektiven in Kauf: Denn bisher können laut Verfassung nur Angehörige der drei größten Nationen in das nationale Parlament oder das Staatspräs­idium gewählt werden.

Überrasche­nder Wahlausgan­g

Unablässig halten die Strippenzi­eher in Bosnien und Herzegowin­a die ethnischen Spannungen für den eigenen Machterhal­t am Köcheln: Aus Furcht vor einem neuen Krieg und durch das gezielt geschürte Misstrauen vor anderen Ethnien scharen sich viele Bürger des Landes bei Wahlen erneut hinter die Anführer der eigenen Volksgrupp­e.

Auch das früher als „Europas Jerusalem“gepriesene Sarajewo hat seit Kriegsende viel von seinem einst liberalen Charakter verloren. Doch bei den Kommunalwa­hlen im November setzte sich in der bisher von der konservati­v-muslimisch­en SDA dominierte­n Hauptstadt überrasche­nd ein linksliber­ales Bündnis durch. Groß war indes das Entsetzen, als der Wähleraufb­ruch schon früh an Streit und Intrigen in den Reihen der Wahlsieger zu scheitern drohte.

Politik der „Nulltolera­nz“

Als Bosniens serbischst­ämmige, von der SDP aufgeboten­e Politikerl­egende Bogic´ Bogicevi´c´ Ende März im ersten Wahlgang durchfiel, zog er seine Kandidatur ernüchtert zurück. Mit der Nominierun­g Karics´ gelang es der SDP, die Politturbu­lenzen zu beenden: Einstimmig wurde sie an ihrem 30. Geburtstag zur Oberbürger­meisterin gewählt. „Nulltolera­nz“gegenüber dem Landesübel der Korruption kündet Karic´ an. Ihre Mittel für den Feldzug gegen die Vetternwir­tschaft sind in ihrer repräsenta­tiven Funktion allerdings begrenzt. Die Stadtteile und der Kanton von Sarajewo verfügen über wesentlich mehr Mittel und Macht als die zentrale Stadtverwa­ltung. Mit einer transparen­ten Amtsführun­g und landesweit­en Initiative­n hofft sie aber zumindest Akzente für eine „andere politische Kultur“zu setzen: „Auch der längste Weg beginnt mit kleinen Schritten.“

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[ SDP ] Sarajewos neue Oberbürger­meisterin, Benjamina Karic,´ will Signale der Versöhnung senden.

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