Wie riskant sind Treffen im Freien?
Ansteckung. Sich im Freien mit Corona zu infizieren ist laut Experten unwahrscheinlich. Worauf man achten sollte, wie sich Aerosole verbreiten und was ein Pool voller Kaffee damit zu tun hat.
Nach über einem Jahr Pandemie ist es ein Dilemma, von dem viele berichten: Soll man sich draußen treffen und eine Anzeige fürchten, wenn man sich an einer Stelle näher als zwei Meter kommt? Oder entscheidet man sich doch für ein Treffen zu Hause? „Ab nach draußen“, rät Miranda Suchomel, Leiterin des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie an der Medizinischen Universität Wien. Denn dort sei das Risiko, sich anzustecken, um einiges geringer.
1 Welche Rolle spielt das Wetter für eine Übertragung?
Mit den Temperaturen steigt auch wieder die Hoffnung, dass die Infektionszahlen sinken. „Es ist anzunehmen, dass wir auch heuer wieder im Sommer einen massiven Rückgang an Infektionen haben werden“, sagt Suchomel. Das liege aber wohl nicht am Virus selbst. „Meines Erachtens sind es die fehlenden Übertragungswege, die dadurch gegeben sind, dass wir das Leben nach draußen verlagern“, so Suchomel.
2 Wie verhalten sich Tröpfchen und Aerosole drinnen bzw. draußen?
Der Hauptübertragungsweg des Virus sei das Tröpfchen. „Wann immer Tröpfchen übertragen werden, also mir etwa jemand direkt auf die Schleimhaut niest, ist es relativ egal, ob ich drinnen oder draußen bin“, so Suchomel. Der zweite und viel diskutierte Infektionsweg seien aber die Aerosole, Tröpfchenkerne, die viel kleiner als Tröpfchen sind. Diese verteilen sich im Freien wesentlich besser: „Das kann man sich wie Zigarettenrauch vorstellen“, erklärt Suchomel. Wenn man in einem geschlossenen Raum raucht, kann man den Qualm viel länger sehen, als wenn man draußen ist.
Auch Aerosolforscherin Bernadett Weinzierl hat ein anschauliches Beispiel: „Wenn man einen Innenraum mit einer Kaffeetasse vergleicht und in die Tasse einen Tropfen Milch gibt, dann wird der Kaffee seine Farbe mit der Zeit von dunkelbraun auf hellbraun ändern“, so Weinzierl. „Wenn ich ein riesiges Schwimmbad voll mit Kaffee habe und wieder einen Tropfen Milch hineinschütte, dann sehe ich den gar nicht mehr. So ist auch der Vergleich bei Aerosolen drinnen und draußen.“
3 Wie wahrscheinlich ist es, sich draußen anzustecken?
„Wenn ich draußen einen Meter neben einer infektiösen Person stehe, dann muss mich ein Tröpfchen schon direkt erwischen, weil sie mir ins Gesicht niest“, sagt Suchomel. „Oder wenn es ein schwüler, satter Sommertag ist und ich mich mit jemandem sehr nahe unterhalte. Aber da müsste man meiner Meinung nach schon viel Pech haben.“Die Virenlast sei normalerweise nicht ausreichend. Denn man muss eine gewisse Anzahl an Viruspartikeln einatmen, damit man sich ansteckt. „Für die ursprünglichen Varianten waren das mehrere Hunderte bis einige Tausende. Für die neueren Varianten ist das noch nicht klar“, so Weinzierl.
4 Ändert sich der Übertragungsweg durch die Mutationen?
Bei den neuen Mutationen habe sich gezeigt, dass es eine geringere Virenlast brauche, um zu einer Ansteckung zu führen. „Sie sind aber nicht wiffzackiger geworden und fliegen jetzt 25 Meter weit oder können ums Eck springen“, sagt Suchomel schmunzelnd. Nicht der Übertragungsweg habe sich geändert, sondern die Dosis, die für eine Infektion nötig ist. Eine FFP2Maske wirkt jedenfalls wie ein Filter und reduziert die Anzahl der Partikel, die man einatmet.
5 Wie wichtig ist der Zwei-Meter-Abstand draußen?
Suchomel sieht die zwei Meter aus medizinischer Sicht nicht zwingend als Grenze an. „Ich habe den Eindruck, dass man versucht, den Leuten etwas in die Hand zu geben, mit dem sie bereits etwas anfangen können“, so Suchomel.
Drinnen seien zwei Meter als Abstandsmaß etabliert worden, deshalb würde man wohl auch dieselbe Angabe für draußen vorgeben. „Was ich nicht einsehe, ist, dass man, wenn man an hochfrequentierten Plätzen den Zwei-MeterAbstand einhält, eine Maske tragen muss. Meiner Meinung nach ist das übertrieben“, so Suchomel. „Wovor ich Sorge habe, ist, dass die Leute sich jetzt deshalb wieder mehr in geschlossenen Räumen treffen.“
6 Birgt eine nahe Begegnung mit Sportlern ein höheres Risiko?
Je heftiger man atmet, umso mehr Partikel atmet man aus. „Wenn man spricht, schreit, singt oder Sport macht, dann sind es mehr“, so Weinzierl. Eine große Gefahr gehe von Sportlern aber nicht aus, so Suchomel: „Zwar gibt es Superspreader, die asymptomatisch sind, aber normalerweise hat sich herauskristallisiert, dass die Leute, die viele anstecken, auch Symptome haben. Und dann wird die Person wahrscheinlich nicht mehr joggen gehen“, so die Hygienikerin. „Aber selbst wenn ein Infizierter an mir vorbeiflitzt, dann muss ich wahnsinnig viel Pech haben, dass mich genügend Aerosole mit genügend Virenlast treffen, damit ich mich anstecke.“In der Regel sei der Kontakt zu kurz. Wenn man trotzdem Sorge hat: Am besten den Kopf zur Seite drehen.