Die Presse

Khol: „Selbstbesc­hädigung des Parlaments“

Jahrbuch für Politik 2020. In der Publikatio­n der ÖVP-Akademie geht der frühere Nationalra­tspräsiden­t Andreas Khol hart mit dem Ibiza-U-Ausschuss ins Gericht. Die Vorsitzfüh­rung von Wolfgang Sobotka verteidigt er.

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Wien. Was Andreas Khol über den Ibiza-Untersuchu­ngsausschu­ss zu sagen hat? Nicht viel Gutes: Er gehe einen „abschüssig­en Weg zur Selbstbesc­hädigung des Parlaments“, schreibt der frühere Nationalra­tspräsiden­t im fast 600 Seiten dicken „Jahrbuch für Politik 2020“, einer Publikatio­n der Politische­n Akademie der ÖVP, die am 16. April erschienen ist. Herausgebe­r sind Stefan Karner, Wolfgang Sobotka, Bettina Rausch, Günther Ofner und Andreas Khol selbst.

Es gelinge dem Untersuchu­ngsausschu­ss nicht, Sachverhal­te zu klären und Behauptung­en zu Fakten zu machen, schreibt Khol in seinem Essay aus einem – wenig überrasche­nd – türkisen Blickwinke­l: Die Vorkommnis­se von Ibiza seien in den Hintergrun­d geraten, im Vordergrun­d stehe nun der Versuch, die Kanzlerpar­tei der Korruption zu überführen. Dabei gehe es nicht um Aufklärung, sondern um opposition­elle Profilieru­ng. „Die mangelnde Vorbereitu­ng und das Verhalten mancher Abgeordnet­er beschädige­n das Ansehen des U-Ausschusse­s.“

Seitenhieb auf die Grünen

Auch einen Seitenhieb auf die Grünen kann sich der ehemalige ÖVP-Klubobmann nicht verkneifen: Erst hätte die vereinigte Opposition „mit kaum gebremster Unterstütz­ung auch der kleineren Koalitions­partei“den U-Ausschuss beantragt. Und dann hätten die Grünen doch recht häufig zusammen mit der Opposition agiert – subtil, aber doch. Die Vorsitzfüh­rung seines Co-Herausgebe­rs Wolfgang Sobotka verteidigt Khol. Außerdem erklärt er, warum er plötzlich für einen weisungsfr­eien, dem Parlament verantwort­lichen Bundesstaa­tsanwalt eintritt.

Insgesamt aber steht das „Jahrbuch für Politik 2020“eindeutig im Zeichen der Pandemie, die in 18 von 40 Beiträgen thematisie­rt wird. Etwa vom heuer abtretende­n Wifo-Chef Christoph Badelt („Wirtschaft­liche Instrument­e zur Bewältigun­g der Coronakris­e“) oder von Universitä­tsprofesso­r Wolfgang Mazal („Kurzarbeit als Kriseninst­rument“). Mit der Frage, ob es eine zentrale oder regionale Coronabekä­mpfung brauche, setzen sich Peter Bußjäger und Mathias Eller vom Institut für Föderalism­us auseinande­r. Die kommunikat­ive Bewältigun­g der Krise analysiert Politikber­ater Thomas Hofer.

Und abseits von Corona? Die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures (SPÖ) zieht Bilanz über „Ein Jahr Türkis-Grün“. Europamini­sterin Karoline Edtstadler (ÖVP) und EU-Rechtsexpe­rte Walter Obwexer befassen sich mit dem Wiederaufb­aufonds der EU. Und Verfassung­sgerichtsh­of-Präsident Christoph Grabenwart­er blickt noch einmal auf das 100-jährige Jubiläum der Bundesverf­assung zurück.

Das „Jahrbuch für Politik“dokumentie­rt seit 1977 das politische und volkswirts­chaftliche Geschehen in Österreich. Vorgestell­t wurde es am Freitag in einer Onlinevera­nstaltung. (pri/APA)

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