Blockchain erfasst immer weitere Lebensbereiche
Gastbeitrag. Wie moderne Technologie auch im konventionellen rechtlichen Rahmen nutzbar gemacht werden kann.
Wien. Erst kürzlich versetzte das renommierte Auktionshaus Christie’s mit der Versteigerung eines Blockchain-basierten virtuellen NFT-Werks von Beeple um knapp 70 Millionen Dollar die ganze Welt ins Staunen. NFT steht für „NonFungible Tokens“und bedeutet Einmaligkeit statt Handelbarkeit. Der Versteigerungserfolg war ein klares Zeichen: Die BlockchainRevolution ist nun auch in der Kunstwelt angekommen. Auch renommierte österreichische Künstler wie Peter Jellitsch über https:// foundation.app/ oder Alex Kiessling über https://rarible.com/ handeln bereits digitale, Blockchainbasierte Werke gegen (handelbare) Kryptowährungen.
Das Potenzial der Blockchain wurde auch abseits der Kunstszene erkannt. Die Technologie wird z. B. in der Versicherungs- und Gesundheitsbranche zur Prozessautomatisierung, in der Industrie zur Authentifizierung von Gütern oder in der Immobilienbranche zur Finanzierung und Tokenisierung von Rechten an Wohnungen oder Eigentümergemeinschaften eingesetzt. Was macht die Blockchain so einzigartig und vielseitig einsetzbar, und welche rechtlichen Herausforderungen stellen sich?
Die Blockchain-Technologie zeichnet Fälschungssicherheit und Dezentralität aus: Inhalte werden bildlich gesprochen zu Datenblöcken zusammengefasst und durch digitale Fingerabdrücke (Hashes) miteinander verknüpft. In jedem neuen Block ist auch der Hash des Vorgängers gespeichert. Dadurch authentifiziert sich die Blockchain selbst und macht eine unbemerkte Manipulation unmöglich.
Jede Veränderung eines Blocks führt automatisch zu einem neuen Hashwert und lässt die Kette „reißen“. Die Blockchain kann daher unendlich erweitert, aber nicht nachträglich verändert werden. Auch verfügt jeder Teilnehmer über eine vollständige und laufend aktualisierte Kopie der gesamten Datenbank. Das trägt zusätzlich zur Manipulationssicherheit bei.
Diese Wesensmerkmale eröffnen der Blockchain zahlreiche Anwendungsfälle, die unterschiedliche rechtliche Fragen aufwerfen. Dabei hat Österreich anders als Liechtenstein oder die Schweiz noch kein Blockchain-Gesetz. Die heimische Rechtsordnung ist aber überwiegend technologieneutral ausgestaltet. Daher kann vielfach mit den bestehenden Regelungen ein Auslangen gefunden werden. Das veranschaulichen auch folgende Anwendungsfälle:
Die Blockchain eignet sich besonders zur Rechteverwaltung tokenisierter Vermögenswerte. Eigentum an digitalen Vermögenswerten (z. B. JPG-Dateien) oder Eigentumsansprüche an realen Gütern (wie einer Sammleruhr) werden dabei im ersten Schritt auf den erwähnten NFT verbrieft. Diese einzigartigen und konstanten NFT sind mit Echtheitszertifikaten oder Urkunden vergleichbar. Dann werden diese NFT in der Blockchain gespeichert. Dadurch ist die digitale Urkunde in ein fälschungssicheres System eingebettet. Das schafft auch vollkommene Transparenz von Herkunft und Eigentum. Diese Anwendung wird aktuell schon im Diamanten-, Kunst-, Uhren- und Fahrzeughandel sowie in Online-Game-Stores eingesetzt.
Die Gretchenfrage bei der Tokenisierung ist die der wirksamen Eigentumsübertragung der verbrieften Gegenstände. Kritisch ist dabei der Modus, also das Verfügungsgeschäft. Da Krypto-Assets keine körperlichen, beweglichen Sachen sind, scheidet die physische Übergabe aus. Als Alternative kann aber auf die Übertragung durch Besitzanweisung zurückgegriffen werden. Alle Teilnehmer eines Blockchain-Netzwerks werden zeitgleich angewiesen, die neu vermerkte Adresse mit dem zugeordneten Asset in ihrer Kopie der Blockchain zu verwahren. Damit wird das Krypto-Asset vom Veräußerer auf den Käufer umgeschrieben und ihm zugeordnet. So lassen sich Krypto-Assets auch handeln.
Ein weiterer Anwendungsfall sind Smart Contracts, also softwarebasierte Verträge. Sie sind – anders als ihr Name suggeriert – sehr einfach gestrickt: Sie erlauben auf einem binären System den Abschluss standardisierter Verträge. Dieser Vorgang wird sodann in einer Blockchain gespeichert. Smart Contracts eignen sich insbesondere für die Automatisierung von Schadensregulierungen; Versicherungen setzen sie bereits ein.
Smart Contracts sind rechtlich als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) einzuordnen und unterliegen damit der Geltungs- und Inhaltskontrolle, wie etwa dem Sittenwidrigkeitsverbot. Im Businessto-Consumer-Bereich müssen sie zusätzlich den strengen konsumentenschutzrechtlichen Bestimmungen genügen. Das ist in der Praxis oft eine große Hürde – das Konsumentenschutzgesetz ist nicht gerade fortschrittsfreundlich.
Zudem wirft jede andere über Blockchain abgewickelte Transaktion, ob Veräußerungen von NFT oder Smart Contracts, die Frage auf, ob und wie sie sich rückabwickeln lässt. Ein nachträgliches Entfernen oder Ändern eines Eintrags lässt die Blockchain schließlich nicht zu. In der Praxis kommt daher nur die Rückabwicklung über einen neuen Eintrag in Frage: Das Rechtsgeschäft wird in die andere
Richtung erneut in die Blockchain eingetragen. Dadurch bleibt zwar der Eintrag des ursprünglichen Vertragsabschlusses weiterhin in der Blockchain-Historie gespeichert, wird aber durch den gegenläufigen Eintrag aufgehoben.
Vernetztes Denken gefragt
Die echte Herausforderung bei der Umsetzung von Blockchain-Projekten besteht darin, die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen auf innovative Geschäftsmodelle anzuwenden. Das erfordert neben solidem juristischen Knowhow auch vernetztes Denken und Weitblick. In vielen Bereichen gibt es schon gangbare Wege, wie der neuen Technologie auch im Rahmen des aus Maria Theresias Zeiten stammenden ABGB zum Durchbruch verholfen werden kann. Schwieriger bleiben sehr regulierte Bereiche wie insbesondere das Finanzwesen. Aber auch da sind rechtliche Lösungen möglich.
Axel Anderl ist Managing Partner, Alexandra Ciarnau ist Rechtsanwältin bei Dorda Rechtsanwälte.