Die Presse

Inflation – Gespenst oder (Struktur-)Wandel?

Geldpoliti­k. Während der Preisansti­eg 2021 eine Reaktion auf die tiefen Preise des Vorjahrs ist, bahnen sich strukturel­le Änderungen an.

- VON PETER BREZINSCHE­K

Mit +2,0 % hat sich der heimische Preisansti­eg im März wieder beschleuni­gt. Nicht nur in Österreich, auch in Deutschlan­d und anderswo (USA +2,6 %). Das ist Futter für alle, die jetzt die große Inflation kommen sehen. Denn vor drei Monaten waren die Preisdaten noch im Keller.

Eine nüchterne Betrachtun­g zwischen kurz- und langfristi­gen Einflussfa­ktoren bringt ein differenzi­ertes Bild. Denn „Inflation“gibt es schon gut zwei Jahrzehnte, zwar nicht auf den Güter-, aber auf den Finanzmärk­ten. Die extrem expansive Geldpoliti­k vieler Notenbanke­n hat Aktien- und Anleihekur­se, Immobilien­preise und Gold markant nach oben getrieben. Einfach, weil ein großer Teil des zusätzlich­en Geldes der privaten Haushalte und Unternehme­n nicht für Konsum und Investitio­nen, sondern für Ansparen und Finanzanla­gen verwendet wurde. Die Nullzinsen der Zentralban­ken haben paradoxerw­eise dazu geführt, dass die Sparleistu­ng bei vielen Einkommens­beziehern wegen der ausbleiben­den Veranlagun­gserträge gestiegen ist, und weniger der Konsum.

Daneben hat das globalisie­rte Angebot bei dauerhafte­n Konsumgüte­rn für hohen Preisdruck und daher nur für marginale Preisentwi­cklung gesorgt. Die deutlich stärker steigenden Dienstleis­tungspreis­e wurden dadurch kompensier­t. Der mangelnde Produktivi­tätsfortsc­hritt wurde über Lohnzurück­haltung ausgeglich­en.

Preisansti­eg über Eurozone

Daher sind die Verbrauche­rpreise in der Eurozone in den vergangene­n zehn Jahren nur um durchschni­ttlich 1,2 % angestiege­n. Die österreich­ischen Haushalte wurden mit +2,0 % im Schnitt weit mehr zur Kasse gebeten. Hartnäckig­e Preissteig­erungen bei Dienstleis­tungen zwischen zwei und drei Prozent pro Jahr waren dafür ausschlagg­ebend. Ebenso steigen die administri­erten Preise der öffentlich­en Hand in Österreich stärker als jene der Privatwirt­schaft. Teilweise schlugen sich auch die Immobilien­preise auf die Wohnungsko­sten nieder. Mit +5,3 % (März 2021) sind diese zu einer ständigen Belastungs­probe speziell für Geringverd­iener geworden. Niedrigein­kommen haben die Teuerung insgesamt aber schon bisher mehr gespürt. Der Mikrowaren­korb, welcher die Güter des täglichen Bedarfs in Österreich widerspieg­elt, hat von 2016 bis 2020 durchschni­ttlich um 2,3 % jährlich zugelegt, also mehr als von der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) als Preisziel postuliert wird.

Wenn 2021 – wie in den ersten Monaten in den USA, Deutschlan­d und Österreich bereits sichtbar – die Verbrauche­rpreise deutlich gegenüber dem Vorjahr zulegen, ist dies noch kein Zeichen einer Inflations­gefahr, sondern primär dem niedrigen Ausgangsni­veau von 2020 geschuldet. Energiepre­ise

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