Geheimdienstkrieg mit Russland
Spannungen mit Nato. Tschechien weist 18 russische Diplomaten wegen Terrorismus aus, Moskau droht mit „Konsequenzen“. Die USA sagen Prag Unterstützung zu. Auch in der Ukraine spitzt sich die Lage zu.
Die Spannungen zwischen Russland und mehreren Nato-Staaten nehmen zu. Bis heute, Montag, müssen 18 russische Diplomaten die Tschechische Republik ver
lassen. Darüber informierte der tschechische Premier, Andrej Babisˇ, am Wochenende bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Laut Babisˇ hat der tschechische Geheimdienst die 18 Mitarbeiter der russischen Botschaft als Agenten identifiziert. Ihnen wird Terrorismus im Zusammenhang mit zwei Explosionen in einem Munitionslager im Osten des Landes vorgeworfen. Auch der als prorussisch geltende Staatspräsident, Milosˇ Zeman, unterstützt laut Regierungsangaben dieses Vorgehen.
Die USA, Großbritannien und Frankreich sagten Tschechien Unterstützung zu. Damit eskaliert das seit dem russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine angespannte Verhältnis zwischen Nato und Russland weiter. Tschechien ist seit 1997 Nato-Mitglied und hat Brüssel bereits über die Aktion informiert.
„Die Anschuldigungen sind absurd“
Das russisch-tschechische Verhältnis ist seit 2009 angespannt. Damals erklärte sich Prag bereit, Teile eines US-Raketenabwehrschirms gegen den Iran in Tschechien aufzustellen. Der Kreml vermutet, der Raketenschirm sei eigentlich gegen Russland gerichtet. Seitdem kam es zu keinen engen Regierungskontakten zwischen Tschechien und Russland mehr. Einzig Zeman hat Putin 2018 empfangen.
Russland hat scharf gegen das tschechische Vorgehen protestiert. „Prag weiß ganz genau, welche Konsequenzen solche Tricks nach sich ziehen“, sagte Marija Zacharowa, die Sprecherin des russischen Außenamts. Die Anschuldigungen Prags seien völlig „absurd“, hieß es in Moskau.
Anderer Meinung ist freilich der tschechische Geheimdienst. Demnach stehen die nun ausgewiesenen 18 russischen Botschaftsmitarbeiter hinter mehreren Explosionen im Munitionslager Vrbeˇtice im Kreis Zl´ın an der Grenze zur Slowakei. Am 16. Oktober 2014 war es dort zu einer schweren Explosion mit zwei Toten gekommen. Nachdem ein Teil der Dorfbewohner evakuiert worden war, kam es Anfang Dezember erneut zu einer großen Explosion. Das Waffenlager war von der tschechischen Armee an einen privaten Waffenhändler aus Ostrava (Ostrau) vermietet worden. Diesen machte die Polizei damals indirekt für die Explosion verantwortlich. Die Sicherheitsvorschriften seien missachtet worden.
Am Sonntag berichtete nun das tschechische Nachrichtenmagazin „Respekt“, die damals vernichteten Waffen hätten einem bulgarischen Geschäftsmann gehört und in die Ukraine für den Kampf gegen prorussische Separatisten geliefert werden sollen. Der Onlinenachrichtendienst seznam.cz wiederum berichtete ebenfalls am Sonntag, ein Teil der Waffen hätte in Syrien an Rebellen gegen den von Russland unterstützten Diktator Bashar al-Assad geliefert werden sollen. Die tschechische Polizeieinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens hat zwei Russen zur Fahndung ausgeschrieben, die sich in der Zeit der Explosionen in
Vrbeˇtice, in Prag und auch im Kreis Zl´ın aufgehalten haben. Den Namen nach handelt es sich um die gleichen Männer, die im Fall Sergej Skripal verdächtig sind. Skripal wurde 2018 in Salisbury Opfer einer NowitschokVergiftung. Russland will damit nichts zu tun haben. Die beiden Gesuchten seien Anatoli Tschepiga und Aleksandr Mischkin.
Laut unbestätigten russischen Medienberichten soll Prag sogar vorhaben, die tschechische Botschaft in Moskau zu schließen. Am Wochenende kam es auch zu Ausweisungen westlicher Diplomaten aus Russland. So sollen zehn US-Diplomaten und fünf Polen Russland sofort verlassen. Die Ukraine wiederum hat am Sonntag einen russischen Diplomaten ausgewiesen, nachdem am Freitag ein ukrainischer Konsul in St. Petersburg wegen angeblicher Spionagetätigkeit festgenommen worden ist.
Kiew bereitet Bunker vor
Die Stadtverwaltung von Kiew hat derweil eine virtuelle Onlinekarte aller Bunkerräume der ukrainischen Hauptstadt veröffentlicht. Im Fall eines Luftangriffs stünden 3000 Objekte zur Verfügung, hieß es. Die virtuelle Karte zeigt, wo die Schlüssel zu finden sind und wer für die Bunker verantwortlich ist. Bei den meisten Objekten handelt es sich um Überbleibsel aus Sowjetzeiten, die für den Fall eines US-Atomschlags errichtet worden sind. Aber auch Parkhäuser unter der Erde sind inzwischen dazugekommen, nicht zuletzt das unter dem Maidan-Platz, wo 2013/14 die Westanbindung des Landes erkämpft wurde. Russland zieht seit Tagen – trotz Warnungen aus dem Westen – Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen.