Die Presse

Im Stillen freut sich Merkel schon auf Annalena Baerbock

Die grüne Kanzlerkan­didatin ist der Kanzlerin der CDU zu großem Dank verpflicht­et. Ohne ihre Hilfe hätte sie es nie im Leben so weit bringen können.

-

Die deutschen Grünen sind CDU und CSU wieder einmal um ein gutes Stück voraus. Während der Streit zwischen Armin Laschet und Markus Söder um die Nominierun­g als Kanzlerkan­didat zügig seinem suizidalen Höhepunkt zustrebte, präsentier­ten die Grünen am Montag eine lächelnde Annalena Baerbock als ihre unumstritt­ene Kandidatin. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte erheben die Grünen den Anspruch auf die Kanzlersch­aft.

Baerbock hat allen Grund, Angela Merkel in ihr Morgengebe­t einzuschli­eßen und jeden Abend für sie eine Kerze ins Fenster zu stellen. Vice versa gilt das für die Führungsri­ege der

AfD, denn beide Parteien – die grünrote und die schwarzbra­une – verdanken ihren Aufstieg der ehemaligen Funktionär­in der SEDJugendo­rganisatio­n FDJ. Ohne Merkels fatale Öffnung der Grenzen für die Migranten, ohne das Debakel ihrer Energiewen­de, schließlic­h ohne die gegen die eigenen Bürger gerichtete Entscheidu­ng, griechisch­e und andere Staatsbank­rotteure um des heiligen Euro willen über Wasser zu halten, wäre die AfD gar nicht erst aus dem finsteren Wald gekrochen. Und ohne den strammen Linksschwe­nk der Kanzlerin, mit dem sie die Unterschie­de zwischen der CDU und den Grünen bis zur Unkenntlic­hkeit verwischte, könnten Baerbock und Genossen vor den Wählern nicht als bürgerlich­e Lichtgesta­lten erscheinen.

Eine, die Merkel besonders gut kennt, ist die ehemalige DDR-Bürgerrech­tlerin und langjährig­e CDU-Bundestags­abgeordnet­e Vera Lengsfeld. Die CDU, schreibt Lengsfeld auf ihrem Blog, „hat Merkel nur als Machtvehik­el gedient. Eine andere Verbundenh­eit hat es nach meiner festen Überzeugun­g nie gegeben. Das war immer Merkels Stärke. Sie konnte frei agieren, ohne durch emotionale Bedenken gehindert zu werden. In ihrer Zeit als Parteivors­itzende, verstärkt als Kanzlerin, hat sie die CDU immer weiter nach links verschoben.“Die Grünen seien Merkels treueste Verbündete, „das beweist erneut ihre bedingungs­lose Gefolgscha­ft zur Aushebelun­g des Grundgeset­zes mittels einer Novelle des Seuchensch­utzgesetze­s. Merkel hat offensicht­lich das Ziel, am Ende ihrer Amtszeit noch die Axt an den Föderalism­us zu legen, der doch verhindern soll, dass es in Deutschlan­d wieder zu einer Zentralmac­ht kommt.“

Die parlamenta­rische Demokratie verwandelt sich in allen Ländern immer mehr in eine Elitenherr­schaft, die sich der demokratis­chen Kontrolle entzieht. Die Pandemie beschleuni­gt diese Transforma­tion. Quer durch die Parteien hat sich in den liberalen Eliten ein experiment­eller Radikalism­us durchgeset­zt, der die Welt unaufhörli­ch umkrempeln will und in wechselnde­n Erscheinun­gsformen zutage tritt: Im Ökologismu­s und in der Klima-Religion, im Genderismu­s, in einem Humanitari­smus, der Millionen Migranten aus Afrika und Asien nach Europa schleust und für alles Unglück der Welt die „weiße Rasse“verantwort­lich macht. Da passt die pandemisch­e Besessenhe­it der deutschen Kanzlerin gut ins Bild, die sich unter dem Einfluss verbissene­r „Zero-Covid“-Strategen auf einen Lockdown-Automatism­us nach der zweifelhaf­ten Maßgabe der SiebenTage-Inzidenz festgelegt hat.

Viele Konservati­ve, schrieb Alexander Grau in der „Neuen Zürcher Zeitung“, hätten ihr Selbstvert­rauen verloren und „links-mainstream­ige“Positionen adoptiert. Der spätmodern­e Konservati­ve „hat keine eigenständ­ige inhaltlich­e Haltung mehr, sondern gefällt sich darin, genau das zu wollen, was der Mainstream immer schon will, nur eben ein paar Jahre später. Nichts aber ist beschämend­er und überflüssi­ger als der Verfahrens­konservati­ve, der vor dem Zeitgeist kapitulier­t hat und sich kleinlaut eine kurze Gnadenfris­t erfleht.“Das, so Grau, „ist kein Konservati­vismus, das ist Spießertum. Dann lieber eine radikal linke Gesellscha­ft jetzt gleich und sofort. Das hat zumindest Format. Hasenfüße braucht niemand.“Schon gar nicht in einem Wahljahr.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor: Karl-Peter Schwarz war langjährig­er Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor.

Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anna Goldenberg

 ??  ?? VON KARL-PETER SCHWARZ
VON KARL-PETER SCHWARZ

Newspapers in German

Newspapers from Austria