Skandale überschatten Zypern-Wahl
Parlamentswahl. Am Sonntag stimmten knapp 560.000 Zyprioten über ihr Parlament ab. Angesichts von Korruptionsskandalen dürften die beiden Großparteien wohl deutlich verlieren.
Athen. Unter besonderen Schutzvorkehrungen aufgrund der Covid-19-Pandemie wurden am Sonntag in der Republik Zypern Parlamentswahlen abgehalten – die Wahlen wurden von der Regierungspartei, den Konservativen von der Demokratischen Sammlung (DISY), mit mehr als gemischten Gefühlen erwartet. Es gab viele Skandale in letzter Zeit, die das Image der Partei, aber auch ihres Chefs, Zyperns Präsident Nikos Anastasiades, stark angekratzt hatten, man rechnete im Vorfeld mit einer „Denkzettelwahl“.
Das politische Schicksal von Nikos Anastasiades wird bei diesen Wahlen nicht entschieden, Präsidentenwahlen stehen erst 2023 an. Doch am Sonntag ist entschieden worden, wie viele Kompromisse er in den nächsten Jahren eingehen wird müssen. 2016, bei den letzten Parlamentswahlen, kamen die Konservativen auf 31 Prozent der Stimmen, bei den letzten Umfragen vor diesem Wahlsonntag lag DISY lediglich bei um die 22 Prozent.
24 Parlamentssitze bleiben leer
Dennoch könnten die Konservativen stärkste Partei bleiben. Denn auch die größte Oppositionspartei, die Linkssozialisten von AKEL, dürften nicht zulegen. 2016 bei knapp 26 Prozent, wurden ihnen diesmal um die 20 Prozent prognostiziert. Die Partei hat immer noch das Problem, dass ihr der große zypriotische Bankencrash des Jahres 2013 angelastet wird. Anastasiades hatte damals das Land aus der Krise geführt und wurde 2018 mit seiner Wiederwahl als Präsident belohnt.
558.000 Wahlberechtigte wählen 56 Abgeordnete – die restlichen Sitze des 80-sitzigen Parlaments bleiben wegen der Teilung Zyperns leer. Die Wahlbeteiligung dürfte niedrig sein. Ansonsten werden von der schlechten Stimmung unter der Wählerschaft Kleinparteien profitieren. Allen voran die zypriotischen Grünen, die 2016 auf fünf Prozent der Stimmen kamen, aber auch die rechtsextreme Nationale Volksfront (ELAM), die bei den letzten Wahlen knapp unter vier Prozent der Stimmen erhielt.
Was aber hat die Stimmbürger so wütend gemacht? Die Konservativen haben mit klassischen Korruptionsskandalen zu kämpfen. So gab es 2020 im Zusammenhang von illegal vergebenen „goldenen Visen“, das heißt Aufenthaltsbewilligungen und auch zypriotischen Staatsbürgerschaften für Kriminelle, Enthüllungen, die für DISY, aber auch für die oppositionelle AKEL alles andere als schmeichelhaft waren.
Aber auch der Stillstand bei der Lösung der Zypernfrage, also bei der Überwindung der Inselteilung, wird zum Teil Anastasiades angelastet, der mit dem damaligen Führer der türkischen Zyprioten, Mustafa Akıncı, im Jahr 2017 einer Einigung sehr nahe kam, die Chance letztlich aber verpasste. Akıncı ist letztes Jahr abgewählt und von einem Hardliner ersetzt worden – seither rührt sich nichts in der Zypernfrage. Zusätzliche Brisanz in das Zypernproblem brachten die Erdgasfunde vor Zyperns Küste in den letzten Jahrzehnten. Die Türkei fordert eine Beteiligung an den künftigen Einkünften der Energieexporte. Seither gibt es immer wieder besorgniserregende Flottenaufmärsche im östlichen Mittelmeer, wenn wieder einmal ein türkisches Forschungsschiff die zypriotische Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) verletzt.
Cavu¸¸soglu˘ in Athen
All das wird wohl auch beim überraschenden Besuch des türkischen Außenministers, Mevlüt C¸avus¸oglu,˘ heute, Montag, in Athen auf der Tagesordnung stehen. Das Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei war in den letzten Jahren schlecht, nicht zuletzt wegen der Frage der Erdgasvorkommen vor Zypern. Im Sommer 2020 wären die Spannungen zwischen den Nachbarn wegen türkischer Forschungsschiffe, begleitet von Kriegsmarine, in einem Gebiet, das von Athen als zum griechischen Festlandsockel gehörend angesehen wurde, beinah eskaliert.
Die Situation konnte im letzten Moment entschärft werden, doch Athen reagierte mit einem milliardenschweren Rüstungsprogramm. Doch mit der Übernahme der USPräsidentschaft von Joe Biden sind die Dinge wieder in Fluss geraten, die Türkei scheint wieder gesprächsbereiter zu sein. C¸avus¸oglu˘ wird vor seinen Gesprächen in Athen die muslimische Minderheit im griechischen Thrakien besuchen. Auch das ist politisch brisant – die Türkei spricht von einer „türkischen“Minderheit, für Griechenland gibt es aber, entsprechend den Lausanner Verträgen von 1923, nur eine „muslimische“Minderheit.