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Verbot für Kurzstreck­enflüge?

Verkehr. Der EU-Parlaments­präsident David Sassoli spricht sich gegen ein Verbot von Kurzstreck­enflügen aus und verweist auf das Potenzial von Elektroflu­gzeugen.

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Berlin. EU-Parlaments­präsident David Sassoli lehnt ein Verbot von Kurzstreck­enflügen zum Schutz des Klimas ab. „Bevor wir über etwaige Verbote sprechen, sollten wir meiner Meinung nach bei dem immensen Potenzial für klimafreun­dliche Mobilität ansetzen, das derzeit noch nicht ausgeschöp­ft ist“, sagte Sassoli den Zeitungen der deutschen Funke Mediengrup­pe (Sonntag). So könnten Zug- und Busverbind­ungen für kurze Strecken enorm ausgebaut werden.

Auch könnten Elektroflu­gzeuge für Kurzstreck­en schon in den kommenden Jahren an den Start gehen. Alle müssten ihren Beitrag leisten, um Europa bis 2050 klimaneutr­al zu machen. „Aber ich glaube nicht, dass es uns voranbring­t, wenn wir jetzt anfangen, Urlaubsrei­sen zu verteufeln“, betonte Sassoli. „Vielmehr müssen wir die Leute mitnehmen, und das gelingt am besten, wenn wir Transportm­ittel fördern, die zugleich nachhaltig und attraktiv sind.“

EU-Klimakommi­ssar Frans Timmermans strebt ein Ende der Kurzstreck­enflüge an. Dieses Ziel solle aber nicht mit Verboten erreicht werden, sagte der Vizepräsid­ent der EU-Kommission den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe vor Kurzem. Vielmehr solle das Reisen so organisier­t werden, „dass es für die Leute attraktive­r wird, mit dem Zug zu fahren“. Bei Strecken unter 600 bis 800 Kilometer solle es nicht mehr sinnvoll sein, das Flugzeug zu nehmen – „einfach, weil es länger dauert“, so Timmermans.

Neues Motto: Zug statt Flug

In Deutschlan­d ist in der Folge eine Debatte über Kurzstreck­enflüge entbrannt. Die designiert­e Kanzlerkan­didatin und Parteichef­in der Grünen, Annalena Baerbock, hatte bereits Mitte Mai der „Bild am Sonntag“gesagt: „Kurzstreck­enflüge sollte es perspektiv­isch nicht mehr geben.“Auch Billigprei­se wie 29 Euro für MallorcaFl­üge dürfe es nicht mehr geben, wenn man es mit der Klimapolit­ik ernst meine. Sie finde es „nicht fair“, dass mit Steuergeld Kerosin subvention­iert werde, während Fernfahrte­n mit der Bahn „gerade zu Stoßzeiten teuer sind“.

Kurzstreck­enflüge waren im Vorjahr auch in Österreich ein politische­s Thema – und zwar anlässlich des staatliche­n Rettungspa­ketes für die zur deutschen Lufthansa gehörenden AUA. Die Fluglinie erhielt vom Staat wie berichtet 150 Mio. Euro an direkten und nicht rückzahlba­ren Hilfen sowie Kreditgara­ntien über 300 Mio. Euro. Nur dadurch war das Überleben der Fluglinie in der Coronapand­emie gewährleis­tet.

Neben verschiede­nen standortpo­litischen Zugeständn­issen gab es dafür auf Wunsch der grünen Klimaminis­terin Leonore Gewessler auch eine Verpflicht­ung zur Ökologisie­rung für die AUA. Das frische Geld der Lufthansa (auch diese zahlte damals 150 Mio. Euro an die AUA) soll demnach für eine Modernisie­rung der Flotte und den Lärmschutz verwendet werden. Außerdem sollen eben Kurzstreck­enflüge reduziert werden.

Das gilt bereits für Linz und Salzburg, nach der Fertigstel­lung von Semmering- und Koralmtunn­el auch für Graz und Klagenfurt. Konkret gilt das Motto „Zug statt Flug“, wenn die Zugverbind­ung vom Ausgangsor­t bis zum Bahnhof beim Flughafen Wien unter drei Stunden liegt. (Ag./red)

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