Die Presse

Warum es Rohstoffak­tien künftig leichter haben als Techwerte

Ausblick. Fidelity-Experte Carsten Roemheld rechnet mit höheren Inflations­raten als in den vergangene­n Jahren. Das werde nach mehr als einer Dekade dazu führen, dass sich „Value“-Aktien aus den Bereichen Finanzen, Rohstoffe, Energie besser schlagen als Te

- VON BEATE LAMMER

Wien. Es waren goldene Zeiten für Aktionäre seit der Finanzkris­e 2008/09. Jahrelang profitiert­en die Aktienmärk­te von den weltweit niedrigen Zinsen. Die Notenbanke­n verspürten keinen Druck, diese anzuheben, da sich auch die Verbrauche­rpreisinfl­ation in Grenzen hielt. Vor allem stark wachsende Technologi­ewerte profitiert­en von diesem Szenario.

„Wenn die zukünftige­n Gewinne mit einem sehr niedrigen Zinssatz runterdisk­ontiert werden, führt das zu einem höheren Wert der Aktien“, erklärt Carsten Roemheld, Kapitalmar­ktstratege von Fidelity Internatio­nal.

Da es bei Technologi­eprodukten starke Produktivi­tätszuwäch­se gab, wirkte das auch deflationä­r. Darüber hinaus sorgte eine steigende Zahl von Arbeitskrä­ften Anfang der 2000er-Jahre dafür, dass die Teuerungsr­aten nicht deutlich steigen konnten.

Und der Digitalisi­erungsschu­b infolge der Coronakris­e trieb die

Kurse der Technologi­eaktien noch weiter in die Höhe.

Nun könnten härtere Zeiten auf Anleger zukommen, fürchtet Roemheld. Vorzeichen sieht er bereits. Im April betrug die Jahresinfl­ationsrate in den USA 4,2 Prozent, das war so hoch wie seit der Finanzkris­e 2008/09 nicht mehr und lag zudem über den Erwartunge­n.

Noch beschwicht­igen die Notenbanke­r. Die hohe Inflations­rate sei vorübergeh­end und habe mit den niedrigen Preisen im Coronajahr 2020 zu tun. Verglichen mit diesen seien die Preise nun einmal hoch. Roemheld bezweifelt, dass die höheren Preise nur darauf zurückzufü­hren sind.

Baumateria­lien werden knapp

Das rasante Ansteigen der Rohstoffpr­eise werde nicht so schnell verschwind­en. Das Angebot sei knapp, weil in den vergangene­n Jahren kaum Investitio­nen getätigt worden sind. Die Nachfrage sei aber hoch: Home-Office und Ausgangsbe­schränkung­en haben viele

Menschen dazu gebracht, ihre Häuser und Wohnungen zu renovieren, was dazu führe, dass bereits jetzt Baumateria­lien knapp werden. Und der Ruf nach Nachhaltig­keit und Klimaschut­z mache zusätzlich­e Infrastruk­turinvesti­tionen nötig, für die Kupfer (E-Autos) oder Nickel (Batterien) benötigt werden.

Das seien gute Aussichten für Rohstofffi­rmen. Für den Technologi­esektor könnte es hingegen unangenehm­er werden. In den Preisen der FAANG-Aktien (das Kürzel steht für Unternehme­n wie Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google) sei bereits viel zukünftige­s Wachstum enthalten. Selbst wenn dieses eintritt, sei es bei höheren Zinsen relativ weniger wert.

Auch mögliche Steuererhö­hungen und strengere Regulierun­gen in den USA würden diese Konzerne stärker treffen, da sie bisher von sehr niedrigen Steuern und geringer Regulierun­g überdurchs­chnittlich stark profitiert haben.

Zwar gebe es keinen Anlass, sich überstürzt von Technologi­eaktien zu trennen, als Zugpferde der Märkte würden sie aber möglicherw­eise ausfallen. Anleger sollten auf ein ausgewogen­es Portfolio achten, in dem zwar auch Technologi­ewerte enthalten sind, aber eben auch Titel aus dem Bereich Finanzen, Rohstoffe, Energie.

Denn für ValueAktie­n (günstig bewertete Unternehme­n, die man etwa im Bereich Rohstoffe, Energie, Banken oder zyklischem Konsum wie Autoherste­ller findet) könnten nun bessere Zeiten anbrechen.

Bis diese Umstellung erfolgt sei, werde es an den Märkten turbulent zugehen, erwartet der Fidelity-Experte. An den Rentenmärk­ten (Anleihemär­kten) sei die

Volatilitä­t bereits sehr hoch, und die Rentenmärk­te seien ein Vorlaufind­ikator für die Aktienmärk­te.

Doch nicht nur die steigenden Rohstoffpr­eise würden zu höheren Inflations­raten führen, auch die demografis­che Entwicklun­g. Künftig werde es etwa in China wegen der Alterung der Gesellscha­ft zu Arbeitskrä­ftemangel kommen.

Der Digitalisi­erungsschu­b, den die Coronakris­e ausgelöst habe, sei hingegen bei den Technologi­eaktien bereits eingepreis­t, zum Teil habe es sich um Vorzieheff­ekte gehandelt, die abflachen würden.

Gold als Beimischun­g

Auch Gold sei eine gute Depotbeimi­schung in einem inflationä­ren Szenario, vor allem, wenn die Realzinsen (Zinsen minus Inflations­rate) negativ bleiben.

Bitcoin sollten sich hingegen nur jene Anleger ins Portfolio nehmen, die mit der hohen Volatilitä­t umgehen können. „Wer bereits Schwellenl­andanleihe­n als gefährlich ansieht, sollte von Bitcoin die Finger lassen.“

 ?? [ Oliver Rüther/Laif ] ?? Fidelity-Experte Carsten Roemheld.
[ Oliver Rüther/Laif ] Fidelity-Experte Carsten Roemheld.

Newspapers in German

Newspapers from Austria