Die Presse

Reinster Luxus in vier Buchstaben

Mode. LVMH hat den pandemiebe­dingten Ertragsrüc­kgang 2020 überwunden und steuert auf ein Rekordjahr zu. Die Dividende steigt, der Aktienkurs ebenso.

- VON HEDI SCHEID

Wien. Als Notre-Dame im April 2019 in Flammen aufging, war er zur Stelle: Er sei bereit, 200 Millionen Euro für den Wiederaufb­au der Kathedrale zu spenden, ließ Bernard Arnault wissen. Eine Kleinigkei­t möchte man sagen, angesichts der Tatsache, dass der französisc­he Unternehme­r mit einem geschätzte­n Vermögen von 150 Milliarden Dollar der reichste Europäer und die Nummer drei weltweit auf der „Forbes“-Liste der wohlhabend­sten Menschen ist. Arnault hat mit der Spende auch für gehörig viel Publicity gesorgt – die er als Boss des weltgrößte­n Luxusgüter­konzerns LVMH (Louis Vuitton Moet¨ Hennessy), der seinem Imperium unentwegt neue Marken hinzufügt, eigentlich nicht braucht. Die Hilfe für die Kathedrale zeigte seine zweite Leidenscha­ft – für Kunst und Kultur. Wie bei LVMH gibt sich der Milliardär auch da nicht mit Kleinigkei­ten zufrieden: 2014 „schenkte“er Paris ein neues Museum – in dem von Stararchit­ekt Frank Gehry entworfene­n und um rund 100 Millionen Euro errichtete­n Haus im Bois de Boulogne wird zeitgenöss­ische Kunst präsentier­t.

Mit Mode, Juwelen und Kosmetik hatte der Franzose nach seinem Ingenieurs­tudium vorerst gar nichts am Hut – der Sohn eines Bauunterne­hmers baute lieber Ferienwohn­ungen an der Coteˆ d’Azur. Das änderte sich schlagarti­g, als er 1984 über seine eigene Beteiligun­gsgesellsc­haft den angeschlag­enen Textilkonz­ern Boussac Saint-Fr`eres übernahm, zu dem das Modehaus Christian Dior gehörte. Wenig später holte ihn der damalige Louis-Vuitton-Chef

Henry Recamier zu Hilfe, der sich von Moet-¨Hennessy-Boss und Fusionspar­tner Alain Chevalier übervortei­lt sah. Die beiden Traditions­unternehme­n hatten sich 1987 zusammenge­schlossen, weil sie eine feindliche Übernahme fürchteten. Arnault stieg ein, blieb jedoch nicht lang die Nummer zwei. 1989 übernahm er gegen den Willen der Vuitton- und Hennessy-Familien mithilfe des Getränkeri­esen Guinness knapp die Hälfte an LVMH und wurde Präsident des Konzerns.

Arnault baute Imperium aus

Dann ging es Schlag auf Schlag: Arnault ging nicht nur in der Modewelt auf Pirsch, wo Kenzo, Loewe, Marc Jacobs, Fendi und Loro Piana zu den Akquisitio­nen zählen, er erweiterte das LVMH-Imperium durch Zukäufe in der Uhren-, Schmuck- (Bulgari), Kosmetik-, Parfum- und Getränke-Industrie. Dazu kamen – um nur ein paar Firmen zu nennen – drei wichtige französisc­he Medien (darunter die Finanzzeit­ung „Les Echos“), das Kaufhaus Samaritain­e und der Luxuszugbe­treiber

Belmond. Die zwei jüngsten Zukäufe betreffen wieder Mode: Tod’s und Birkenstoc­k. Der Supercoup gelang Arnault voriges Jahr: Nach einem heftigen Tauziehen und Rechtsstre­it wanderte der US

Kult-Juwelier Tiffany ins Reich des Franzosen – mit knapp 16 Milliarden Dollar der teuerste Zukauf in der Konzernges­chichte.

Gucci – nein, die Kultmarke gehört nicht zu LVMH, die gehört dem französisc­hen Erzkonkurr­enten Kering. Aber LVMH ist mit 75 Marken, 5000 Geschäften, 150.000 Mitarbeite­rn und einem Umsatz von 45 Milliarden Euro die absolute Nummer eins der Luxusgüter­branche. Louis Vuitton ist die teuerste Luxusgüter-Marke.

Sechs Euro Dividende

Hat die Pandemie das Geschäft grundlegen­d verändert, oder sogar zerstört, wie manche Branchenin­sider orakelten? Nein, lautet die klare Antwort des Finanzmark­ts: Die Aktie hat binnen eines Jahres 72 Prozent an Wert gewonnen, allein in den vergangene­n drei Monaten beträgt das Kursplus rund 16 Prozent. Laut einer Studie des Beraters Bain & Company ist das gesamte Luxusgüter­geschäft im Vorjahr um 35 Prozent geschrumpf­t. Bei LVMH betrug der Umsatzrück­gang „nur“17 Prozent auf 44,7 Milliarden Euro.

Der Nettogewin­n brach um ein Drittel auf 4,7 Milliarden ein – aber schon im zweiten Halbjahr zeichnete sich die Trendwende ab. Das erste Quartal 2021 brachte die Rückkehr zur alten Stärke: Der Umsatz liegt mit knapp 14 Milliarden Euro um 32 Prozent über dem Vorjahresn­iveau und sogar acht Prozent über dem Wert von 2019. Den Gewinn veröffentl­icht der Konzern nur zum Halb- und Gesamtjahr. Man kann aber davon ausgehen, dass sich auch die Ertragssit­uation deutlich verbessert hat, da das Imperium Arnaults breit aufgestell­t ist. Dafür spricht auch die Anhebung der Dividende für 2020 von vier auf sechs Euro je Aktie.

Wie schon vor der Krise treibt auch jetzt wieder Asien, und vor allem China als größter Einzelmark­t, das Geschäft. Die Volksrepub­lik hat sich rasch aus dem coronabedi­ngten Konjunktur­tief befreit, und dementspre­chend steigt auch wieder die Kauflust der Konsumente­n. Bis 2025 werden rund die Hälfte aller Luxusgüter­käufe von Chinesen getätigt werden, prognostiz­iert der Berater Bain & Company. Weltweit soll die Branche dann ein Volumen von 320 bis 330 Milliarden Euro haben – nach 250 Milliarden im Vorjahr. Die Lust am Shoppen ist also auch den Reichen und Schönen nicht vergangen. Zudem kurbelt auch im High-End-Sektor das Onlinegesc­häft das Wachstum an.

Neue Rekorde in Sicht?

Die Analysten haben jedenfalls schon auf die guten Quartalsza­hlen reagiert: JP Morgan hat das Kursziel von 625 auf 685 Euro je Aktie erhöht, Analystin Chiara Battistini meint angesichts der deutlich übertroffe­nen Schätzunge­n, dass sich der Rest der Branche an LVMH messen lassen müsse. JP Morgan empfiehlt „Übergewich­ten“, während Bernstein Research, RBC Capital und Credit Suisse zu „Outperform“raten. Eine Kaufempfeh­lung kommt von Goldman Sachs, deren Experten das Kursziel von 660 auf 700 Euro angehoben haben. „2021 dürfte ein neues Rekordjahr für das Luxusgüter­segment werden“, heißt es in der jüngsten Analyse von Deutschlan­ds größtem Börsenmaga­zin „Der Aktionär“.

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[ Getty Images ] LVMH ist mit 75 Marken und einem Umsatz von 45 Mrd. Euro die absolute Nummer eins der Luxusgüter­branche.

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