Begnadigung von Separatisten spaltet Spanien
Katalonien-Konflikt. Premier S´anchez will den verurteilten Separatistenführern die Haftstrafen erlassen. Das hat Zehntausende auf die Straße gebracht. Die Zustimmungswerte für den Regierungschef sinken rapide.
Madrid. Pedro Sanchez,´ Spaniens sozialistischer Premier, kommt wegen der bevorstehenden Begnadigung der zu langen Haftstrafen verurteilten katalanischen Separatistenführer immer stärker unter Druck. Jüngstes Zeichen für den wachsenden Gegenwind war eine Massendemonstration in der Hauptstadt Madrid, wo Zehntausende gegen den von Sanchez´ angekündigten Straferlass für die Unabhängigkeitsbefürworter protestierten. Es war eine der bisher größten Protestaktionen des konservativen Lagers gegen Sanchez,´ dessen Popularität sich Umfragen zufolge im Sinkflug befindet.
„Nein zum Straferlass“, skandierten die Menschen. Und: „Rücktritt, Rücktritt.“Viele Teilnehmer hatten sich in Nationalfahnen gehüllt. Sie beschuldigten den sozialdemokratisch orientierten Sozialisten Sanchez,´ der in Koalition mit der Linkspartei Podemos regiert, den katalanischen Separatisten Zugeständnisse zu machen, weil er ihre Stimmen zum Regieren benötige. Sanchez‘´ Minderheitsregierung hat im Parlament nur dank der katalanischen Unabhängigkeitsparteien eine Mehrheit. „Die Begnadigungen sind ein Attentat auf die Demokratie“, hieß es im Protestmanifest. In diesem wurden zudem jegliche Verhandlungen mit der Unabhängigkeitsbewegung abgelehnt.
Appell für „Weg der Versöhnung“
Vergeblich hatte Spaniens Regierungschef kurz vor dem Massenprotest an die Bürger appelliert, im seit Jahren schwelenden Katalonien-Konflikt „Großzügigkeit“zu zeigen, um die Spannungen mit dieser Region abzubauen und einen politischen Dialog zu erleichtern. Zur Lösung des Konfliktes müsse man nun, nach langer Zeit der Zwietracht, „den Weg der Versöhnung“einschlagen und eine „Zukunft des Zusammenlebens“anstreben. Deswegen seien Gesten wie die Begnadigung, die ein in der Verfassung verankertes Recht der Regierung ist, wichtig.
Den vorläufigen Höhepunkt des Katalonien-Streits hatte Spanien 2017 erlebt. Damals setzte die katalanische Separatistenregierung von Carles Puigdemont ein illegales
Unabhängigkeitsreferendum an, bei dem es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Anschließend riefen die Separatisten eine unabhängige Republik Katalonien aus. Daraufhin wurden zwölf katalanische Separatistenführer wegen Aufruhrs verurteilt, neun sitzen bis heute im Gefängnis und sollen im Zuge der Begnadigung in Kürze freikommen. Puigdemont, der sich seinem Prozess durch Flucht nach Belgien entzog, ist davon allerdings zunächst ausgenommen. Gegen ihn besteht in Spanien weiterhin ein Haftbefehl.
Sein damaliger Stellvertreter Oriol Junqueras, der nicht geflohen war und zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde, vollzog eine Kehrtwendung: In einem selbstkritischen offenen Brief distanzierte er sich von einseitigen Schritten zur Unabhängigkeit. Er will ein legales Referendum mit der Regierung aushandeln. „Andere Wege sind nicht möglich.“Sanchez‘ Vizeregierungschefin Carmen Calvo stellte aber bereits klar, dass ein solches Referendum über die Unabhängigkeit derzeit nicht möglich sei. Es müsste zuerst die Verfassung geändert werden – wofür jedoch keine politische Mehrheit in Sicht ist.