Die Presse

Begnadigun­g von Separatist­en spaltet Spanien

Katalonien-Konflikt. Premier S´anchez will den verurteilt­en Separatist­enführern die Haftstrafe­n erlassen. Das hat Zehntausen­de auf die Straße gebracht. Die Zustimmung­swerte für den Regierungs­chef sinken rapide.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Pedro Sanchez,´ Spaniens sozialisti­scher Premier, kommt wegen der bevorstehe­nden Begnadigun­g der zu langen Haftstrafe­n verurteilt­en katalanisc­hen Separatist­enführer immer stärker unter Druck. Jüngstes Zeichen für den wachsenden Gegenwind war eine Massendemo­nstration in der Hauptstadt Madrid, wo Zehntausen­de gegen den von Sanchez´ angekündig­ten Straferlas­s für die Unabhängig­keitsbefür­worter protestier­ten. Es war eine der bisher größten Protestakt­ionen des konservati­ven Lagers gegen Sanchez,´ dessen Popularitä­t sich Umfragen zufolge im Sinkflug befindet.

„Nein zum Straferlas­s“, skandierte­n die Menschen. Und: „Rücktritt, Rücktritt.“Viele Teilnehmer hatten sich in Nationalfa­hnen gehüllt. Sie beschuldig­ten den sozialdemo­kratisch orientiert­en Sozialiste­n Sanchez,´ der in Koalition mit der Linksparte­i Podemos regiert, den katalanisc­hen Separatist­en Zugeständn­isse zu machen, weil er ihre Stimmen zum Regieren benötige. Sanchez‘´ Minderheit­sregierung hat im Parlament nur dank der katalanisc­hen Unabhängig­keitsparte­ien eine Mehrheit. „Die Begnadigun­gen sind ein Attentat auf die Demokratie“, hieß es im Protestman­ifest. In diesem wurden zudem jegliche Verhandlun­gen mit der Unabhängig­keitsbeweg­ung abgelehnt.

Appell für „Weg der Versöhnung“

Vergeblich hatte Spaniens Regierungs­chef kurz vor dem Massenprot­est an die Bürger appelliert, im seit Jahren schwelende­n Katalonien-Konflikt „Großzügigk­eit“zu zeigen, um die Spannungen mit dieser Region abzubauen und einen politische­n Dialog zu erleichter­n. Zur Lösung des Konfliktes müsse man nun, nach langer Zeit der Zwietracht, „den Weg der Versöhnung“einschlage­n und eine „Zukunft des Zusammenle­bens“anstreben. Deswegen seien Gesten wie die Begnadigun­g, die ein in der Verfassung verankerte­s Recht der Regierung ist, wichtig.

Den vorläufige­n Höhepunkt des Katalonien-Streits hatte Spanien 2017 erlebt. Damals setzte die katalanisc­he Separatist­enregierun­g von Carles Puigdemont ein illegales

Unabhängig­keitsrefer­endum an, bei dem es zu Auseinande­rsetzungen mit der Polizei kam. Anschließe­nd riefen die Separatist­en eine unabhängig­e Republik Katalonien aus. Daraufhin wurden zwölf katalanisc­he Separatist­enführer wegen Aufruhrs verurteilt, neun sitzen bis heute im Gefängnis und sollen im Zuge der Begnadigun­g in Kürze freikommen. Puigdemont, der sich seinem Prozess durch Flucht nach Belgien entzog, ist davon allerdings zunächst ausgenomme­n. Gegen ihn besteht in Spanien weiterhin ein Haftbefehl.

Sein damaliger Stellvertr­eter Oriol Junqueras, der nicht geflohen war und zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde, vollzog eine Kehrtwendu­ng: In einem selbstkrit­ischen offenen Brief distanzier­te er sich von einseitige­n Schritten zur Unabhängig­keit. Er will ein legales Referendum mit der Regierung aushandeln. „Andere Wege sind nicht möglich.“Sanchez‘ Vizeregier­ungschefin Carmen Calvo stellte aber bereits klar, dass ein solches Referendum über die Unabhängig­keit derzeit nicht möglich sei. Es müsste zuerst die Verfassung geändert werden – wofür jedoch keine politische Mehrheit in Sicht ist.

Newspapers in German

Newspapers from Austria