„Kim Jong-un ist kein einfaches Gegenüber“
Staatsbesuch. Südkoreas Präsident Moon bespricht in Wien erfolgreiche Strategien gegen Covid, das NordkoreaDilemma und plant engere Kontakte mit Österreich.
Wien. Es war eine schon längst fällige Österreich-Premiere: Als erster südkoreanischer Präsident überhaupt wurde am Montag in Wien Moon Jae-in offiziell empfangen. Und zwar mit allen militärischen Ehren, hochrangigen Treffen, etwas Sightseeing und – fast wie bestellt – Kaiserwetter. Denn immerhin feiern Österreich und Korea demnächst ihr 130. Beziehungsjubiläum: 1892 schlossen die damaligen Monarchien den ersten Freundschaftsvertrag.
Außerdem prägt eine abenteuerliche Liebesgeschichte die Geschichte beider Länder: Südkoreas allererste First Lady, die in Korea beliebte Franziska („Francesca“) Donner, war Österreicherin. Die gebürtige Inzersdorferin hatte 1934 den späteren Präsidenten Rhee Syng-man geheiratet. Sie hatten sich in Genf ineinander verliebt.
Doch nicht nur die Vergangenheit verbindet. Mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz diskutierte Moon in erster Linie brisant Gegenwärtiges. Immerhin ist Südkorea „World Champion“in der Pandemiebekämpfung, wie Van der Bellen betonte. Die Coronakrise habe das Land „ohne größere wirtschaftliche Kollateralschäden“überstanden, meinte er bewundernd. Dabei aber ergänzte er nahezu defensiv: Südkorea sei ja „fast eine Insel“, nicht wie Österreich, das von so vielen Ländern umgeben sei.
Vakzine für Nordkorea
Wie auch immer: Statt auf Lockdowns setzte Seoul auf Tests und Contact-Tracing, wobei die Datenschutzbestimmungen nicht so streng wie in Europa sind. Darauf wies auch Bundeskanzler Sebastian Kurz hin. Dieses Thema werde aber „unter Einbeziehung von Experten und Technologien auch in Europa noch diskutiert“werden. Moon erwähnte das Personen-Tracking, betonte aber, dass Seoul „auf Datenschutz achte“. Südkorea, Heimat von Tech-Riesen wie Samsung, will mittels fortgeschrittener IT-Technologie auch die Impfkampagne beschleunigen, die im OECD-Vergleich etwas hinterherhinkt.
Beim Thema Impfung fiel gleich das nächste heikle Stichwort: Nordkorea. Mit dem stalinistischen Bruder im Norden befindet sich Südkorea offiziell noch im Krieg. Moon trat 2017 mit dem Versprechen an, endlich Frieden zu schließen – bisher ohne Erfolg. Auf die Frage einer südkoreanischen Journalistin, ob auch das kommunistische Nordkorea ins CovaxProgramm zur Vakzinversorgung ärmerer Länder einbezogen werde, antworte Südkoreas Präsident: „Wenn Nordkorea damit einverstanden ist, sollte es mit in Betracht gezogen werden. Wir würden dies unterstützen.“Dieser Meinung war auch Van der Bellen: „Selbstverständlich würden wir uns einem solchen Signal nicht verschließen.“Er betonte: „Ich bin nicht sicher, ob Nordkorea sich diesbezüglich schon geäußert hat und ob es überhaupt verlässliche Coronadaten gibt“.
Etwas zögerlicher äußerte sich Moon zu Verhandlungen über Nordkoreas Atomprogramm, die seit dem letzten, spektakulär gescheiterten Gipfel zwischen Ex-USPräsident Donald Trump und Diktator Kim Jong-un in Hanoi 2019 de facto auf Eis liegen. Trump-Nachfolger Joe Biden setze Zeichen, um den Dialog wiederzubeleben, so Moon: „Es ist zu hoffen, dass dies auch in Pjöngjang gesehen wird.“
Kims provokante Raketentests
Moon hatte bei der Vermittlung der Gespräche zwischen Pjöngjang und Washington einer wesentliche Rolle gespielt. Die bisher wenig erfolgreiche Annäherungspolitik setzt den südkoreanischen Präsidenten, dessen Amtszeit 2022 abläuft, intern unter Druck. Denn Gespräche mit der Biden-Regierung lehnt Pjöngjang bisher nicht nur strikt ab, sondern es provoziert Seoul und Washington auch mit Raketentests.
Schützenhilfe bekam Moon von Van der Bellen: Moon habe sich persönlich für den Abbau der Spannungen mit Nordkorea eingesetzt, sagte er anerkennend. So sei es ihm gelungen, Familien zusammenzuführen, die getrennt voneinander im Norden und Süden der Halbinsel leben. Moon habe mit Machthaber Kim Jong-un ein Gegenüber, „mit dem nicht leicht umzugehen ist“.
Schnell wechselte man zu Erfolgreicherem: An einem Strang wollen beide Länder im Kampf gegen den Klimawandel ziehen. Südkorea hat erst jüngst eine virtuelle Konferenz der Klimaschutzinitiative P4G ausgetragen und will einen der nächsten Klimagipfel (COP28) veranstalten.
Vor allem konzentrierte man sich aber auf eine Intensivierung der bilateralen Kontakte – gleich in mehreren Bereichen. Um den wirtschaftlichen Austausch zu erleichtern, unterzeichneten beide Seiten ein Doppelbesteuerungsabkommen. Derzeitige Bestimmungen gelten als veraltet. Immerhin ist Südkorea inzwischen drittgrößter Handelspartner Österreichs in Asien. Auch im Kulturbereich wollen beide Länder enger zusammenarbeiten. Van der Bellen erinnerte an die „auffallende Präsenz koreanischer Musikerinnen und Musiker in Österreich“. Mehr Austausch soll es unter Sportlern oder Jugendlichen geben.
Und in Österreich hofft man nach der Pandemie wieder auf koreanische Touristen: 2019 kamen die zweitmeisten asiatischen Gäste – nach China – immerhin aus Südkorea. Trotz der knappen Zeit und des vollen Programms können Moon und seine Frau auch Österreich-Tourismus genießen: Sie besuchen neben Schönbrunn das Stift Heiligenkreuz in Niederösterreich.
Südkorea ist eines jener ausgewählten Länder, mit denen wir eine strategische Partnerschaft eingehen.
Sebastian Kurz Südkorea war ein World Champion bei der Pandemiebekämpfung.
Alexander Van der Bellen