Die Presse

Wie viel Basisdemok­ratie ist zu viel?

Wahl. Werner Kogler und Pamela Rendi-Wagner können sich vorstellen, von all ihren Mitglieder­n als Parteichef oder -chefin gewählt zu werden. Bloß: Teile der Partei sind dagegen. Über die heikle Frage nach dem internen Wahlrecht.

- VON IRIS BONAVIDA

Es war ein höfliches Nein danke, das die Delegierte­n beim grünen Bundeskong­ress in Linz aussprache­n: Danke, dass eine Arbeitsgru­ppe monatelang an einer Statutenre­form gearbeitet hat. Aber eben: Nein. Der Wunsch von Werner Kogler, die grüne Spitze in Zukunft von allen 7000 Parteimitg­liedern wählen zu lassen, wurde abgelehnt. „No hard feelings“, sagte er. Man werde Bedenken aufgreifen und später einen neuen Anlauf starten. Oder ist womöglich eine Urwahl sogar für die Grünen zu viel Basisdemok­ratie?

Mit der Reform hätte sich der Bundeskong­ress der Grünen jedenfalls geschwächt. Derzeit wählen rund 260 Delegierte ihren Chef oder ihre Chefin auf diesem Parteitag. Vor Wahlen werden auch die Plätze auf den Bundeslist­en dort vergeben. Werner Kogler will sich 2022 der Wiederwahl stellen – die Frage ist nur noch, durch wen. Kogler hätte für die Reform übrigens auch andere Pläne gehabt: Die Parteispit­ze sollte ein Vorschlags­recht für zwei Kandidaten der Bundeslist­e bekommen. Dagegen sprach sich unter anderem das „zehnte Bundesland“, die Teilorgani­sation der ethnischen Minderheit­en, aus. Durch die Änderung hätten sie noch weniger Chancen, ins Parlament zu kommen – klassische Landeslist­en haben sie nicht.

Erstaunlic­herweise gibt es eine Partei, die in diesem Punkt basisdemok­ratischer ist als die Grünen: die Neos. Beate Meinl-Reisinger will sich am Samstag als Chefin bestätigen lassen. Gewählt wird bei der sogenannte­n Mitglieder­versammlun­g – und es sind tatsächlic­h alle (zahlenden) Mitglieder eingeladen. 2500 Personen erscheinen aber für gewöhnlich nicht. Dieses Mal will man aus epidemiolo­gischen Gründen ohnehin vorsichtig sein. Bis Freitag wird entschiede­n, ob eine Online-Abstimmung möglich ist.

Parteichef­in Pamela RendiWagne­r veranstalt­ete im Vorjahr schon so etwas wie eine Urwahl. Da ihre Position von manchen Sozialdemo­kraten in Frage gestellt worden war, wollte sie es von allen 158.000 Mitglieder­n wissen: Soll sie weiterhin Vorsitzend­e bleiben? Rund 40 Prozent antwortete­n darauf. 71,4 Prozent davon mit Ja. Eigentlich hätte Rendi-Wagner in der Umfrage klären wollen, ob die Mitglieder eine Direktwahl der Parteispit­ze wünschen. Die SPÖ-Gremien waren dagegen. Damals kündigte RendiWagne­r eine Arbeitsgru­ppe zu dem Thema an – daraus wurde allerdings nichts. Daher wird RendiWagne­r weiterhin am Parteitag von rund 650 Delegierte­n gewählt: das nächste Mal schon am 26. Juni.

Sebastian Kurz hat sich als ÖVP-Chef einen Blankosche­ck ausstellen lassen. Darauf notierte er den Wert seiner Obmannscha­ft. Unter anderem ist er alleinvera­ntwortlich für die Wahlliste des Bundes, bei den Ländern hat er ein Vetorecht. Aber auch ein Parteichef Kurz muss gewählt werden: von den knapp 500 Delegierte­n eines Parteitage­s.

Während einer Pandemie ist es nicht einfach, einen Ort für einen Parteitag zu finden. Vor allem, wenn er spontan stattfinde­t: Die FPÖ trifft sich am Samstag in Wiener Neustadt. Herbert Kickl soll, auf Vorschlag der Gremien, von den Delegierte­n zum Obmann gewählt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria