Die Presse

Die höchste Hürde ist gemeistert

Tennis-Analyse. Wie realistisc­h ist der erste „Grand Slam“seit über einem halben Jahrhunder­t? Alles ist möglich, und ich habe mich in eine gute Position für den „Golden Slam“gebracht.

- VON JOSEF EBNER

Wien/pAris. Spätestens mit seinem French-Open-Triumph am Wochenende sollte der Tenniswelt klar sein: Novak Djokovic,´ der nun 19-fache Major-Sieger, wird eher früher als später den alleinigen Grand-Slam-Rekord halten. Weil er der aktuell vielseitig­ste Spieler ist und niemand sonst in der Open-Ära jedes der vier Major-Turniere mindestens zweimal gewonnen hat. Und weil auch die Zeit für den gerade 34 Jahre alt gewordenen Serben spricht – und gegen die Rekordhalt­er Rafael Nadal, 35, und Roger Federer, 39, mit ihren jeweils 20 Grand-Slam-Erfolgen.

Nicht zu vergessen: Wäre Djokovic´ 2016 nach dem erreichten Karriere-Grand-Slam nicht in eine Sinnkrise geschlitte­rt, sondern hätte auf ähnlichem Niveau weitergesp­ielt, er hätte diese Bestmarke wohl längst pulverisie­rt.

Seit seiner Rückkehr nach dieser Schaffensp­ause gewann er sieben von elf Major-Turnieren. In Wimbledon und Melbourne ist die Nummer eins seither unbesiegt, in New York ist Djokovic´ zuletzt nur an sich selbst gescheiter­t, erst an einer verletzten Schulter, dann an einem achtlos weggeschos­senen Ball und der Disqualifi­kation.

Neben diesem Major-Rekord rückt auch der „Grand Slam“, der Sieg bei allen vier großen Turnieren im Kalenderja­hr, ins Visier. Bei den Herren gelang das zuletzt Rod Laver im Jahr 1969. Seit damals befand sich kein Spieler auf einem besseren Weg als Djokovic´ im Jahr 2021. Die Saison bietet gar die Chance auf den „Golden Slam“mit dem zusätzlich­en Olympiasie­g, was überhaupt nur Steffi Graf 1988 schaffte.

Nach dem beinahe schon obligatori­schen Titel bei den Australian Open hat Djokovic´ nun seine größte Hürde auf diesem Weg genommen. Zur Erinnerung: 2011 und 2015 fehlte ihm am Ende nur der Paris-Titel für den „Grand Slam“. Der Halbfinale­rfolg gegen French-Open-Rekordmann Nadal machte den diesjährig­en Triumph erst zum Meisterstü­ck. Djokovic’´ Sandplatz-Tennis war auf bis dahin unerreicht­em taktischen Niveau, die Umsetzung perfekt.

Dennoch gilt: Seine besten Chancen auf weitere Major-Erfolge kommen erst. In Wimbledon (ab 28. Juni) wurden ihm zuletzt nur Federer und Nadal gefährlich, doch das Duo hat die damalige Form heuer noch nicht annähernd erreicht. Olympia in Tokio (ab 24. Juli) wird wie die US Open (ab 30. August) auf Hartplatz ge

Novak Djokovic´ Paris-Champion

spielt, hier ist Djokovic´ ohnehin der Top-Favorit.

Wer also soll den „Golden Slam“verhindern? Nadal? Der wurde von Djokovic´ gerade auf seinem besten Belag entzaubert. Ein wiedererst­arkter Dominic Thiem? Bei Djokovic´ dauerte es einst zwei Jahre, bis das Motivation­sloch überwunden war, Pete Sampras benötigte drei, um an den ersten Major-Titel anzuknüpfe­n. Am ehesten noch Daniil Medwedew, der sich aber erinnern wird, wie ihn Djokovic´ im Melbourne-Finale in unter zwei Stunden abgefertig­t hat.

Vorerst bleibt nur zu staunen, wie es ein Spieler schafft, in einem Weltsport mit dieser Leistungsd­ichte derart zu dominieren.

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[ AFP ] Paris soll dieses Mal nur der Startschus­s sein: Novak Djokovic´ strebt nach bisher Unerreicht­em.

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