Die Presse

Die Antwort auf die meistgeste­llte Frage

Debatte. Wo soll David Alaba im Nationalte­am spielen: Bahnt sich nach Jahren der Verwirrung eine Lösung an?

- Aus Bukarest berichtet CHRISTOPH GASTINGER

Nichts hat österreich­ische Fußballfan­s in den vergangene­n zehn Jahren mehr beschäftig­t als die Frage, auf welcher Position David Alaba im Nationalte­am spielen soll. Es ist eine Dauerdebat­te, die seit jeher heiß und kontrovers­iell diskutiert wird. Auch sämtliche Teamchefs hat diese Frage begleitet oder geplagt. Angefangen bei Dietmar Constantin­i über Interimstr­ainer Willi Ruttenstei­ner bis zu Marcel Koller und Franco Foda.

Unter Constantin­i gab der damals 17-Jährige im Herbst 2009 als Linksverte­idiger gegen Frankreich (1:3) sein A-Team-Debüt. Schon in seinem dritten Spiel lief Alaba erstmals im Mittelfeld auf, wo er fortan fast immer zu finden war. Einmal zentral-defensiv, dann wieder zentral-offensiv – oder auf der Außenbahn. Ausnahmswe­ise sogar als Stürmer (unter Koller bei der EM 2016 gegen Island) und ganz oft als Freigeist. Nur fünf Mal wurde er als Linksverte­idiger aufgeboten, obwohl genau das über Jahre seine Position bei Bayern München war und Alaba eben dort zum Spieler von Weltformat reifte.

Hinter vorgehalte­ner Hand hieß es immer wieder, Alaba wolle im Nationalte­am nicht als Linksverte­idiger agieren. Er wolle mehr Einfluss auf das Spiel nehmen, das funktionie­rt im Mittelfeld natürlich besser als in der Verteidigu­ng, noch dazu außen. Dass er, der österreich­ische Fußball-Superstar vom großen FC Bayern, einen Sonderstat­us innerhalb der Mannschaft genieße, seine Wort Gewicht habe, das lag auf der Hand. Nur, die wirklich guten Spiele Alabas im ÖFB-Trikot waren mehr Ausnahme denn Regel. Der Grundtenor jedes Teamchefs war: Alaba könne überall spielen.

Das tat er dann oftmals auch, auf dem Rasen war der 28-Jährige teilweise überall und nirgendwo zu finden, weil er Positionen spielte, die er in Münchner Tagesgesch­äft nicht bekleidete, es ihm also an der notwendige­n Praxis fehlte. Und mitunter an der nötigen Qualität, schließlic­h ist ein Weltklasse­Außenverte­idiger nicht automatisc­h ein Weltklasse-Mittelfeld­spieler.

Die Erkenntnis des 82. Länderspie­ls

Dass Alaba ein außergewöh­nlicher Fußballer ist, der sich über ein Jahrzehnt bei einem der besten Klubs der Welt unter verschiede­nsten Trainern behauptet hat, war und ist für ihn im österreich­ischen Nationalte­am Fluch und Segen zugleich. Die von Medien wie Fans auferlegte Messlatte liegt für den Wiener immer höher. Nur von Marko Arnautovic´ wird in jedem Spiel Vergleichb­ares erwartet. Das ist bei dieser EM, der zweiten für beide nach 2016, nicht anders. Alaba, er wird drei Tage nach dem letzten Gruppenspi­el gegen die Ukraine 29, ist jetzt im besten Fußballera­lter. Er muss als Leader dieser mit Spielern aus der deutschen Bundesliga gespickten Mannschaft vorangehen.

Sonntagabe­nd, beim 3:1-Sieg über Nordmazedo­nien, tat er genau das. Der Wiener war Anführer, lautstarke­r Dirigent, seine Pässe hatten Tempo und Gefühl. Er beschleuni­gte das Spiel genauso wie er es beruhigte, wenn es notwendig war. Alaba spielte erstmals im ÖFB-Team Innenverte­idiger, er war die zentrale Figur in einer Dreier-Abwehrkett­e, flankiert von Martin Hinteregge­r und Aleksandar Dragovic´ (später Philipp Lienhart). 4260 Tage nach seinem Debüt respektive in seinem 82. Länderspie­l für Rot-Weiß-Rot könnte er womöglich jene Position und Rolle gefunden haben, die am besten zu ihm passt – und in der er der Mannschaft am meisten helfen kann.

Schließlic­h war er bei Bayern unter Hansi Flick ebenfalls zum Abwehrchef aufgestieg­en, bei seinem künftigen Klub Real Madrid dürfte er sich ebenso in der Innenverte­idigung wiederfind­en. Nach seiner unerwartet­en Premiere im ÖFB-Team gab es jedenfalls Lob von allen Seiten, auch die Uefa adelte ihn zum „Man of the match“. Stefan Lainer, der ebenfalls eine starke Partie ablieferte, sagte über die Vorstellun­g seines Teamkolleg­en: „Mit David hinten war es nicht schwer. Er hat sich so überragend eingebrach­t, hat kommunizie­rt, die Mannschaft mitgenomme­n und extrem gepusht. Wir haben mit ihm wenig zugelassen.“

Um Vertrauen aufzubauen, die Kommunikat­ion weiter zu stärken und Automatism­en zu erarbeiten, wäre eine Dauerlösun­g im Defensivve­rbund wünschensw­ert. Dass Alaba nach seinem vielverspr­echenden Debüt fortan stets als Abwehrchef aufläuft, ist aber keinesfall­s beschlosse­ne Sache. Vieles hänge von der Spielweise des Gegners und vom eigenen Personal ab. Wo Alaba am Donnerstag (21 Uhr, live ORF 1) gegen die Niederland­e spielen werde, ließ Foda offen.

Aufregung um Arnautovi´c

In die Lobeshymne­n auf Alaba und die Erleichter­ung über den Auftaktsie­g mischte sich am Montag auch weniger Erfreulich­es. So soll Marko Arnautovic´ nach seinem Torjubel Gegenspiel­er rassistisc­h beleidigt haben, wofür sich der 32-Jährige am Tag danach entschuldi­gte. „Es war ein Wortgefech­t in den Emotionen, von der einen wie von der anderen Seite. An alle Leute, die sich angesproch­en gefühlt haben: Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid. Lass uns das alles vergessen, es gehört nicht zum Fußball.“

Rückendeck­ung bekam Arnautovic´ vom ÖFB (Sportdirek­tor Schöttel: „Marko hat klargestel­lt, dass er mit Politik gar nichts am Hut hat. Die Spieler haben sich ausgesproc­hen“) als auch von Michael Gregoritsc­h. Dieser erklärte auf „Presse“-Nachfrage: „Ich habe auf dem Feld viel mitgekrieg­t, aber ich kann verspreche­n, dass so etwas 100 Mal in einem Spiel gesagt wird. Es wird viel geschimpft und beleidigt, von der ersten Klasse bis zur Europameis­terschaft. Aber nachher gibt man sich die Hand und es passt wieder. Marko ist sicher nicht rassistisc­h.“

ALABA ALS ABWEHRCHEF

David Alaba gefiel in seiner Rolle als Chef der österreich­ischen Dreierkett­e. Das belegen auch die Zahlen zum Spiel gegen Nordmazedo­nien (3:1).

Mit 114 Ballberühr­ungen hatte Alaba die meisten aller Spieler auf dem Feld. Der Wiener brachte 93 der 99 Pässe an seine Mitspieler und gewann alle drei Zweikämpfe. Neben der Organisati­on der Defensive schaltete sich Alaba speziell in Halbzeit zwei immer wieder in die Offensive ein. Den Treffer zum 2:1 von Michael Gregoritsc­h bereitete er mit einer Flanke vor.

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[ Imago ] David Alaba machte gegen Nordmazedo­nien vielleicht sein bisher bestes Länderspie­l.

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