Die Antwort auf die meistgestellte Frage
Debatte. Wo soll David Alaba im Nationalteam spielen: Bahnt sich nach Jahren der Verwirrung eine Lösung an?
Nichts hat österreichische Fußballfans in den vergangenen zehn Jahren mehr beschäftigt als die Frage, auf welcher Position David Alaba im Nationalteam spielen soll. Es ist eine Dauerdebatte, die seit jeher heiß und kontroversiell diskutiert wird. Auch sämtliche Teamchefs hat diese Frage begleitet oder geplagt. Angefangen bei Dietmar Constantini über Interimstrainer Willi Ruttensteiner bis zu Marcel Koller und Franco Foda.
Unter Constantini gab der damals 17-Jährige im Herbst 2009 als Linksverteidiger gegen Frankreich (1:3) sein A-Team-Debüt. Schon in seinem dritten Spiel lief Alaba erstmals im Mittelfeld auf, wo er fortan fast immer zu finden war. Einmal zentral-defensiv, dann wieder zentral-offensiv – oder auf der Außenbahn. Ausnahmsweise sogar als Stürmer (unter Koller bei der EM 2016 gegen Island) und ganz oft als Freigeist. Nur fünf Mal wurde er als Linksverteidiger aufgeboten, obwohl genau das über Jahre seine Position bei Bayern München war und Alaba eben dort zum Spieler von Weltformat reifte.
Hinter vorgehaltener Hand hieß es immer wieder, Alaba wolle im Nationalteam nicht als Linksverteidiger agieren. Er wolle mehr Einfluss auf das Spiel nehmen, das funktioniert im Mittelfeld natürlich besser als in der Verteidigung, noch dazu außen. Dass er, der österreichische Fußball-Superstar vom großen FC Bayern, einen Sonderstatus innerhalb der Mannschaft genieße, seine Wort Gewicht habe, das lag auf der Hand. Nur, die wirklich guten Spiele Alabas im ÖFB-Trikot waren mehr Ausnahme denn Regel. Der Grundtenor jedes Teamchefs war: Alaba könne überall spielen.
Das tat er dann oftmals auch, auf dem Rasen war der 28-Jährige teilweise überall und nirgendwo zu finden, weil er Positionen spielte, die er in Münchner Tagesgeschäft nicht bekleidete, es ihm also an der notwendigen Praxis fehlte. Und mitunter an der nötigen Qualität, schließlich ist ein WeltklasseAußenverteidiger nicht automatisch ein Weltklasse-Mittelfeldspieler.
Die Erkenntnis des 82. Länderspiels
Dass Alaba ein außergewöhnlicher Fußballer ist, der sich über ein Jahrzehnt bei einem der besten Klubs der Welt unter verschiedensten Trainern behauptet hat, war und ist für ihn im österreichischen Nationalteam Fluch und Segen zugleich. Die von Medien wie Fans auferlegte Messlatte liegt für den Wiener immer höher. Nur von Marko Arnautovic´ wird in jedem Spiel Vergleichbares erwartet. Das ist bei dieser EM, der zweiten für beide nach 2016, nicht anders. Alaba, er wird drei Tage nach dem letzten Gruppenspiel gegen die Ukraine 29, ist jetzt im besten Fußballeralter. Er muss als Leader dieser mit Spielern aus der deutschen Bundesliga gespickten Mannschaft vorangehen.
Sonntagabend, beim 3:1-Sieg über Nordmazedonien, tat er genau das. Der Wiener war Anführer, lautstarker Dirigent, seine Pässe hatten Tempo und Gefühl. Er beschleunigte das Spiel genauso wie er es beruhigte, wenn es notwendig war. Alaba spielte erstmals im ÖFB-Team Innenverteidiger, er war die zentrale Figur in einer Dreier-Abwehrkette, flankiert von Martin Hinteregger und Aleksandar Dragovic´ (später Philipp Lienhart). 4260 Tage nach seinem Debüt respektive in seinem 82. Länderspiel für Rot-Weiß-Rot könnte er womöglich jene Position und Rolle gefunden haben, die am besten zu ihm passt – und in der er der Mannschaft am meisten helfen kann.
Schließlich war er bei Bayern unter Hansi Flick ebenfalls zum Abwehrchef aufgestiegen, bei seinem künftigen Klub Real Madrid dürfte er sich ebenso in der Innenverteidigung wiederfinden. Nach seiner unerwarteten Premiere im ÖFB-Team gab es jedenfalls Lob von allen Seiten, auch die Uefa adelte ihn zum „Man of the match“. Stefan Lainer, der ebenfalls eine starke Partie ablieferte, sagte über die Vorstellung seines Teamkollegen: „Mit David hinten war es nicht schwer. Er hat sich so überragend eingebracht, hat kommuniziert, die Mannschaft mitgenommen und extrem gepusht. Wir haben mit ihm wenig zugelassen.“
Um Vertrauen aufzubauen, die Kommunikation weiter zu stärken und Automatismen zu erarbeiten, wäre eine Dauerlösung im Defensivverbund wünschenswert. Dass Alaba nach seinem vielversprechenden Debüt fortan stets als Abwehrchef aufläuft, ist aber keinesfalls beschlossene Sache. Vieles hänge von der Spielweise des Gegners und vom eigenen Personal ab. Wo Alaba am Donnerstag (21 Uhr, live ORF 1) gegen die Niederlande spielen werde, ließ Foda offen.
Aufregung um Arnautovi´c
In die Lobeshymnen auf Alaba und die Erleichterung über den Auftaktsieg mischte sich am Montag auch weniger Erfreuliches. So soll Marko Arnautovic´ nach seinem Torjubel Gegenspieler rassistisch beleidigt haben, wofür sich der 32-Jährige am Tag danach entschuldigte. „Es war ein Wortgefecht in den Emotionen, von der einen wie von der anderen Seite. An alle Leute, die sich angesprochen gefühlt haben: Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid. Lass uns das alles vergessen, es gehört nicht zum Fußball.“
Rückendeckung bekam Arnautovic´ vom ÖFB (Sportdirektor Schöttel: „Marko hat klargestellt, dass er mit Politik gar nichts am Hut hat. Die Spieler haben sich ausgesprochen“) als auch von Michael Gregoritsch. Dieser erklärte auf „Presse“-Nachfrage: „Ich habe auf dem Feld viel mitgekriegt, aber ich kann versprechen, dass so etwas 100 Mal in einem Spiel gesagt wird. Es wird viel geschimpft und beleidigt, von der ersten Klasse bis zur Europameisterschaft. Aber nachher gibt man sich die Hand und es passt wieder. Marko ist sicher nicht rassistisch.“
ALABA ALS ABWEHRCHEF
David Alaba gefiel in seiner Rolle als Chef der österreichischen Dreierkette. Das belegen auch die Zahlen zum Spiel gegen Nordmazedonien (3:1).
Mit 114 Ballberührungen hatte Alaba die meisten aller Spieler auf dem Feld. Der Wiener brachte 93 der 99 Pässe an seine Mitspieler und gewann alle drei Zweikämpfe. Neben der Organisation der Defensive schaltete sich Alaba speziell in Halbzeit zwei immer wieder in die Offensive ein. Den Treffer zum 2:1 von Michael Gregoritsch bereitete er mit einer Flanke vor.