Auf den Wiener Bühnen wird wieder gespielt
Vorhang auf. Seit Mitte Mai herrscht in den Wiener Kultureinrichtungen wieder Leben. Das Publikum freut sich darüber ebenso wie die Künstler und alle anderen Mitarbeiter der Kulturbetriebe.
Die Zeiten der Entbehrungen sind vorbei: Seit Mitte Mai darf in Theatern, Konzertsälen, Varietes´ und Kabaretts unter bestimmten Auflagen vor und für Publikum gesungen, gespielt und getanzt werden. Vergangenen Donnerstag wurden die Einschränkungen sogar weiter gelockert: Die Veranstaltungsräume können nun bis zu 75 Prozent ausgelastet werden. Zudem wurde die Sperrstunde auf Mitternacht verlegt. Damit ist nach dem Kunst- und Kulturgenuss sogar ein Cafe-´ oder Restaurant-Besuch möglich. „Das Zusammenspiel von Kunst und Kultur mit Wirtschaft trägt zur Unverwechselbarkeit Wiens im globalen Wettbewerb bei. Beide Faktoren sind unverzichtbar“, unterstreicht Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien, die Bedeutung des Kulturbetriebs für die Stadt.
Ansturm nach Öffnung
Dass die in Wien lebenden Menschen Kunst und Kultur schmerzlich vermisst haben, bewies der große Ansturm nach den ersten Öffnungsschritten am 19. Mai. Auch die jungen Kulturenthusiasten stürmten die wieder offenen Häuser wie Dschungel Wien, das Theaterhaus für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene: „Wir waren restlos ausgebucht. Durch die coronabedingte Beschränkung auf eine 50-Prozent-Belegung war unsere Kapazität auch bald ausgeschöpft“, sagt die kaufmännische Leiterin und Geschäftsführerin Alexandra Hutter. Mit der Ausweitung auf eine Belegung von 75 Prozent werde es nun etwas einfacher.
Eröffnet hat das Theater am Wiener Museumsplatz mit dem Theaterwild:Festival und den Produktionen „Wir sehen rot!“, „Zeugs“und „Über Piratinnen“: „Das Festival findet bei uns eigentlich jedes Jahr im Mai als Abschluss unserer Theater:Wildwerkstätten statt, jetzt hat es gut gepasst, um die Spielzeit zu eröffnen“, erzählt Hutter. Der Weg bis zu dieser Eröffnung war allerdings kein leichter. Dank Corona-Umsatzersatz und Kurzarbeit konnte sich Dschungel Wien auch während des monatelangen Lockdowns über Wasser halten. „Wir kamen sozusagen mit einem blauen Auge davon, viele andere – vor allem die Künstler – sind aber ins Hintertreffen geraten, für viele war die Situation auch schon vor der Krise problematisch“, weist Hutter auf die prekäre Lage vieler Kulturschaffenden hin.
Erleichterung in der Branche
Auch Maria Knotzer ist erleichtert, dass der Kulturbetrieb jetzt wieder Fahrt aufnehmen kann. Seit dem Vorjahr managt sie das Wiener Residenzorchester (WRO). Das 1998 vom Dirigenten und Musiker Paul Moser und seiner Frau Sylvia, Knotzers Mutter, gegründete Kammerorchester hat sich vor allem den Werken der Wiener Klassik verschrieben. Das Ensemble umfasst 400 großteils freie Künstler. 2014 übernahm die WRO Veranstaltungs GmbH auch das Wiener Hofburg Orchester. Vor Corona standen tägliche Konzerte im barocken Palais Auersperg sowie exklusive Konzertreihen an anderen Spielstätten am Programm. Seit März 2020 ist Knotzers Unternehmen bis auf wenige Wochen im Sommer des Vorjahres praktisch stillgestanden. Während des Lockdowns Online-Konzerte anzubieten, habe man überlegt. Die Realisierung sei aber letztlich am Finanziellen gescheitert. „Da wir keine staatlichen Subventionen erhalten, müsste ein Online-Angebot zumindest den Aufwand decken – und der ist nicht zu unterschätzen, wenn es unseren Ansprüchen und denen unserer Kunden entsprechen soll.“
Erst im Juli wird das Wiener Residenzorchester wieder den regulären Betrieb aufnehmen. Derzeit fehlen noch Touristen, die mehr als 90 Prozent der Konzertbesucher ausmachen. Der Neustart soll allerdings fulminant werden: Man habe ein laut Knotzer „grandioses und abwechslungsreiches Programm“erstellt. Es reicht von Mozart, dessen Todestag sich heuer zum 230. Mal jährt, über Vivaldi bis zum argentinischen Komponisten Astor Piazzolla.
Vorbei ist der Lockdown für Renate Futterknecht, Kaufmännische Direktorin des Wiener Musikvereins. Sie empfand es als eine „wunderbare Atmosphäre der Freude“, wieder Konzerte vor Publikum bieten zu dürfen. „Da wir im professionellen Bereich arbeiten, war es uns immer möglich, Proben durchzuführen. Dies hat unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden“, erklärt Futterknecht.
Publikum als Motivation
Aber nicht allein aus diesem Grund waren selbst die Proben anders als sonst. Normalerweise werde für Aufführungen auch vor Publikum geprobt. Das war während des Lockdowns nicht möglich. „Natürlich ist es für die Künstler eine viel größere Motivation und Inspiration, nun wieder vor Publikum auftreten zu können“, sagt Futterknecht. Die Zeit des Lockdowns sei alles andere als leicht gewesen. „Aufgrund des Veranstaltungsverbots mussten wir all unsere Konzerte absagen.“Man habe Kurzarbeit für die Mitarbeiter in Anspruch genommen, dadurch konnte der Verlust durch den Lockdown etwas abgefedert werden. „Unterstützung kam auch vonseiten unseres Publikums bzw. der Abonnenten, die durch ihr Verständnis und durch Verzicht auf Rückerstattungen für abgesagte Konzerte dazu beigetragen haben, den Lockdown besser zu überstehen“, sagt Futterknecht. Sie und ihr Team gehen davon aus, dass durch die Lockerungen ab 10. Juni vor allem Gäste aus anderen Bundesländern und aus den benachbarten EU-Staaten nach Wien und in den Musikverein kommen werden. „Wir freuen uns natürlich auf alle anderen Besucher, auch aus Übersee.“Die Musikfreunde aus aller Welt erwartet sie aber frühestens im Herbst.