Die Presse

Der Polizeista­at des Daniel Ortega

Nicaragua. Fünf Monate vor Wahl lässt Präsident Ortega reihenweis­e Gegner einsperren. Er nimmt kritische Journalist­en wie die Chamorros ins Visier. Auch Ex-Mitstreite­r bleiben nicht verschont.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Managua. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega verschärft die Repression gegen kritische Stimmen in dem mittelamer­ikanischen Land immer weiter. Zu Wochenbegi­nn ordnete er an, zwei Journalist­en von der Polizei verhaften zu lassen. Einer der beiden ist der Präsidents­chaftsanwä­rter Miguel Mora. Er war bereits 2018 inhaftiert worden, als Ortega die Beschlagna­hmung seines Medienunte­rnehmens, des Senders „100 % Noticias“, verfügte.

Zudem wurde das Haus des preisgekrö­nten Journalist­en Carlos Fernando Chamorro gestürmt. Chamorro, Sohn der Ex-Präsidenti­n Violeta Chamorro, bestätigte, dass er erneut das Land verlassen habe. Er war bereits 2019 ins Exil nach Costa Rica gegangen, nachdem die Polizei die Redaktion seiner Zeitschrif­t „Confidenci­al“gestürmt hatte. „Meine Frau, Desiree´ Elizondo, und ich haben Nicaragua verlassen, um unsere Freiheit zu sichern. Journalism­us zu betreiben und die Wahrheit zu berichten ist kein Verbrechen“, erklärte Chamorro via Twitter. Seine Schwester Cristiana, Mitherausg­eberin der Zeitung „La Prensa“, war Anfang Juni nach Ankündigun­g ihrer Präsidents­chaftskand­idatur unter Hausarrest gestellt worden.

Auch Kampfgenos­sen im Visier

Seit Wochen führen die Sicherheit­skräfte Haftbefehl­e aus, die regimetreu­e Richter gegen potenziell­e Widersache­r des bereits 14 Jahre lang amtierende­n Ex-Revolution­ärs ausgestell­t haben. Die Richter und die vom Schwager des Staatschef­s geleitete Polizei eliminiere­n alle möglichen Gegenkandi­daten Ortegas für die für November angesetzte Präsidents­chaftswahl.

Unter den Inhaftiert­en befinden sich Mitte-rechts-Politiker und auch einstige linke Kampfgefäh­rten Ortegas, wie die Ex-Revolution­ärin, Kongressab­geordnete und Gesundheit­sministeri­n Dora Mar´ıa Tellez.´ Die rechtliche Basis der Verhaftung­swelle ist ein im Dezember 2020 vom Ortega-treuen Parlament erlassenes Gesetz, das „ausländisc­he Einmischun­g in innere Angelegenh­eiten“ahndet.

Zu den kürzlich Verhaftete­n gehören ein bekannter Sportrepor­ter, der ehemalige Präsident der Handelskam­mer und Mitarbeite­r von Nichtregie­rungsorgan­isationen. Nach Angaben von Menschenre­chtsgruppe­n saßen mit Stand Mitte Juni mehr als 120 Regimegegn­er hinter Gittern. Viele Opposition­svertreter und Journalist­en sind untergetau­cht oder werden ständig von der Polizei vor ihren Häusern bedrängt.

Die Repression, die viele an die Praktiken des Somoza-Clans erinnert, den die von Ortega geführten Sandiniste­n Ende der 1970er-Jahre unter großer Anteilnahm­e der europäisch­en Linken von der Macht verdrängt haben, hat die zunächst perplexe Staatengem­einschaft mobilisier­t. Die Organisati­on Amerikanis­cher Staaten (OAS) verurteilt­e die Repression in Nicaragua – unter auffällige­r Stimmentha­ltung der linken Regierunge­n Argentinie­ns und Mexikos, die jedoch jüngst ihre Botschafte­r zurückrief­en.

Initiative des US-Senats

Zuletzt haben in Genf 59 Mitgliedss­taaten der Vereinten Nationen, darunter auch Österreich, eine Erklärung unterzeich­net, in der sie die Menschenre­chtsverlet­zungen verurteile­n und die Freilassun­g der inhaftiert­en Opposition­ellen fordern.

Zudem hat der auswärtige Ausschuss des US-Senats ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Sanktionen gegen das Regime in Managua verschärfe­n würde. Sollte die von Senatoren beider politische­n Lager unterstütz­te Initiative in Kraft treten, wäre sie ein schwerer Schlag für Ortega. Die BidenRegie­rung könnte dann Politiker und Offizielle sanktionie­ren, die sie für Menschenre­chtsverlet­zungen verantwort­lich macht.

Sanktionen gegen Ortega-Clan

„Lateinamer­ikanische Autokraten wie Präsident Ortega, die sich und ihre korrupten Handlanger auf Kosten der Bürger und der wahren Demokratie bereichern, müssen zur Rechenscha­ft gezogen werden“, sagte der demokratis­che USSenator Dick Durbin, einer der Förderer der Initiative, die auch vom Republikan­er Marco Rubio unterstütz­t wird.

Auch könnte die Teilnahme Nicaraguas an Cafta, dem Handelsabk­ommen, das den US-Markt für nicaraguan­ische Produkte öffnet, überprüft werden. Der Gesetzesvo­rschlag verlangt insbesonde­re, die Geschäftsb­eziehungen des herrschend­en Familiencl­ans zu überprüfen. Sieben Kinder des Paares Ortega/Murillo – seine Frau, Rosario Murillo, ist Vizepräsid­entin – leiten strategisc­h wichtige Konzerne. Eine Tochter haben die USA bereits mit Sanktionen belegt.

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[ AFP/Ocon ] Cristiana Chamorro, Präsidents­chaftskand­idatin und Tochter der Ex-Präsidenti­n Violeta Chamorro, steht unter Hausarrest.

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