Nach den Lockdowns die Engpässe
Handel. Angesichts hoher Containerpreise zahlt es sich für viele Händler derzeit kaum aus, Waren aus Asien nach Europa zu schiffen. Die Folge sind Lieferprobleme und temporär höhere Preise.
Wien. Wer in den vergangenen Wochen einen Kühlschrank oder eine Waschmaschine kaufen wollte, brauchte oft viel Geduld. Einerseits wegen Engpässen bei Computerchips, die längst auch fixer Bestandteil moderner Haushaltsund Elektrogeräte sind. Andererseits verschärfen Logistikprobleme in der Containerschifffahrt die Situation im Konsumgüterbereich.
Der globale Wirtschaftsmotor brummt nämlich wieder kräftig, Frachtcontainer sind seit Monaten gefragt wie lang nicht mehr, und das treibt ihren Preis nach oben. Vor allem die Schiffsroute von Asien nach Europa ist von Preissteigerungen betroffen. Zahlte man vor sieben Monaten noch rund 1500 Dollar für einen Container aus Asien, hat sich der Preis inzwischen auf mehr als 10.000 Dollar versechsfacht. Für Handelsunternehmen stellt sich angesichts der deutlich höheren Beschaffungskosten die Frage, ob sich der Transport überhaupt lohnt.
Kunden zahlen den Preis
Jene, die die Mehrkosten nicht scheuen, geben diese meist an die Konsumenten weiter – steigende Inflationsraten sind die Folge. Andere entscheiden sich bewusst, diesem Preisdruck nicht nachzugeben. Etwa der Versandhändler Unito, der derzeit große Mengen an sogenannter Weißware, also Kühlschränke oder Waschmaschinen, an den fernöstlichen Häfen warten lässt, wie Unito-Chef Harald Gutschi erklärt: „Wir werden die Ware erst dann wieder nach Österreich schiffen, wenn die Containerpreise unter 5000 Dollar fallen.“Andernfalls würden die Geräte für die Endkunden rund 15 Prozent teurer werden. Das sei nicht zumutbar, weshalb sich der Versandhändler bewusst für Warenknappheit entscheidet. Gutschi ortet angesichts der aktuellen Lieferproblematik einen „enormen Margendruck für die Händler“.
Die Unito-Gruppe ist mit diesem Dilemma aber längst nicht allein. Laut einer am Mittwoch präsentierten Studie des Handelsverbandes und dem Beratungsunternehmen EY kämpfen aktuell mehr als drei Viertel aller Händler mit Lieferverzögerungen oder gar -ausfällen. Besonders betroffen sind größere Handelsunternehmen mit Jahresumsätzen von mehr als zwei Millionen Euro. 94 Prozent der Großhändler geben an, aktuell mit Lieferverzögerungen konfrontiert zu sein.
Die angespannte Situation auf den maritimen Handelsrouten kommt vielen heimischen Händlern paradoxerweise sogar entgegen. Viele hätten nämlich ohnehin keinen Platz für neue Waren in deren Lagern. Aufgrund der niedrigen Kundenfrequenzen und meist überschaubaren Umsätze im vergangenen Jahr sitzen viele Handelsketten noch auf Bergen von Altwaren – vor allem in der Bekleidungsindustrie, die den saisonalen Verkaufszyklen hinterherläuft.
5000 Händler akut gefährdet
Generell zeichnet die Befragung einen verheerenden Zustand der heimischen Handelslandschaft. Durchschnittlich brach der Umsatz der österreichischen Händler im Vorjahr um ein Viertel ein. Bei jedem zweiten Handelsunternehmen sogar um mehr als 25 Prozent. Trotz des baldigen Endes der FFP2-Masken-Pflicht im Handel dürfte die Coronapandemie auch im laufenden Geschäftsjahr deutliche Spuren hinterlassen. Fast die Hälfte (43 Prozent) der heimischen Händler erwartet für 2021 sinkende Umsätze im Vergleich zum Vorjahr – durchschnittlich um minus vier Prozent. Besonders betroffen dürften kleinere Unternehmen sein. Sie rechnen mit einem Minus von sieben Prozent.
Österreichweit seien derzeit rund 5000 Händler akut existenzgefährdet, sagt HandelsverbandChef Rainer Will: „Je kleiner der Händler und je weniger digital, desto dicker das Minus.“Jeder sechste Händler plane zudem, Personal abzubauen.
Immerhin: Internationale Prognosen gehen derzeit davon aus, dass sich die Lieferproblematik im weiteren Jahresverlauf beruhigen wird. Eine aktuelle Untersuchung des Wifo prognostiziert, dass sich die Containerknappheit im Herbst auflösen werde. Bis dahin wird der Preisdruck auf die heimischen Händler weiter zunehmen, erst danach darf man wieder auf Entspannung hoffen.