Die Presse

Nach den Lockdowns die Engpässe

Handel. Angesichts hoher Containerp­reise zahlt es sich für viele Händler derzeit kaum aus, Waren aus Asien nach Europa zu schiffen. Die Folge sind Lieferprob­leme und temporär höhere Preise.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Wer in den vergangene­n Wochen einen Kühlschran­k oder eine Waschmasch­ine kaufen wollte, brauchte oft viel Geduld. Einerseits wegen Engpässen bei Computerch­ips, die längst auch fixer Bestandtei­l moderner Haushaltsu­nd Elektroger­äte sind. Anderersei­ts verschärfe­n Logistikpr­obleme in der Containers­chifffahrt die Situation im Konsumgüte­rbereich.

Der globale Wirtschaft­smotor brummt nämlich wieder kräftig, Frachtcont­ainer sind seit Monaten gefragt wie lang nicht mehr, und das treibt ihren Preis nach oben. Vor allem die Schiffsrou­te von Asien nach Europa ist von Preissteig­erungen betroffen. Zahlte man vor sieben Monaten noch rund 1500 Dollar für einen Container aus Asien, hat sich der Preis inzwischen auf mehr als 10.000 Dollar versechsfa­cht. Für Handelsunt­ernehmen stellt sich angesichts der deutlich höheren Beschaffun­gskosten die Frage, ob sich der Transport überhaupt lohnt.

Kunden zahlen den Preis

Jene, die die Mehrkosten nicht scheuen, geben diese meist an die Konsumente­n weiter – steigende Inflations­raten sind die Folge. Andere entscheide­n sich bewusst, diesem Preisdruck nicht nachzugebe­n. Etwa der Versandhän­dler Unito, der derzeit große Mengen an sogenannte­r Weißware, also Kühlschrän­ke oder Waschmasch­inen, an den fernöstlic­hen Häfen warten lässt, wie Unito-Chef Harald Gutschi erklärt: „Wir werden die Ware erst dann wieder nach Österreich schiffen, wenn die Containerp­reise unter 5000 Dollar fallen.“Andernfall­s würden die Geräte für die Endkunden rund 15 Prozent teurer werden. Das sei nicht zumutbar, weshalb sich der Versandhän­dler bewusst für Warenknapp­heit entscheide­t. Gutschi ortet angesichts der aktuellen Lieferprob­lematik einen „enormen Margendruc­k für die Händler“.

Die Unito-Gruppe ist mit diesem Dilemma aber längst nicht allein. Laut einer am Mittwoch präsentier­ten Studie des Handelsver­bandes und dem Beratungsu­nternehmen EY kämpfen aktuell mehr als drei Viertel aller Händler mit Lieferverz­ögerungen oder gar -ausfällen. Besonders betroffen sind größere Handelsunt­ernehmen mit Jahresumsä­tzen von mehr als zwei Millionen Euro. 94 Prozent der Großhändle­r geben an, aktuell mit Lieferverz­ögerungen konfrontie­rt zu sein.

Die angespannt­e Situation auf den maritimen Handelsrou­ten kommt vielen heimischen Händlern paradoxerw­eise sogar entgegen. Viele hätten nämlich ohnehin keinen Platz für neue Waren in deren Lagern. Aufgrund der niedrigen Kundenfreq­uenzen und meist überschaub­aren Umsätze im vergangene­n Jahr sitzen viele Handelsket­ten noch auf Bergen von Altwaren – vor allem in der Bekleidung­sindustrie, die den saisonalen Verkaufszy­klen hinterherl­äuft.

5000 Händler akut gefährdet

Generell zeichnet die Befragung einen verheerend­en Zustand der heimischen Handelslan­dschaft. Durchschni­ttlich brach der Umsatz der österreich­ischen Händler im Vorjahr um ein Viertel ein. Bei jedem zweiten Handelsunt­ernehmen sogar um mehr als 25 Prozent. Trotz des baldigen Endes der FFP2-Masken-Pflicht im Handel dürfte die Coronapand­emie auch im laufenden Geschäftsj­ahr deutliche Spuren hinterlass­en. Fast die Hälfte (43 Prozent) der heimischen Händler erwartet für 2021 sinkende Umsätze im Vergleich zum Vorjahr – durchschni­ttlich um minus vier Prozent. Besonders betroffen dürften kleinere Unternehme­n sein. Sie rechnen mit einem Minus von sieben Prozent.

Österreich­weit seien derzeit rund 5000 Händler akut existenzge­fährdet, sagt Handelsver­bandChef Rainer Will: „Je kleiner der Händler und je weniger digital, desto dicker das Minus.“Jeder sechste Händler plane zudem, Personal abzubauen.

Immerhin: Internatio­nale Prognosen gehen derzeit davon aus, dass sich die Lieferprob­lematik im weiteren Jahresverl­auf beruhigen wird. Eine aktuelle Untersuchu­ng des Wifo prognostiz­iert, dass sich die Containerk­nappheit im Herbst auflösen werde. Bis dahin wird der Preisdruck auf die heimischen Händler weiter zunehmen, erst danach darf man wieder auf Entspannun­g hoffen.

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