Mindestquoten für „saubere“Fahrzeuge
Straßenfahrzeuge. Wenn öffentliche Auftraggeber Fahrzeuge beschaffen, müssen sie künftig mehr als bisher auf den Schadstoffausstoß achten. Die Latte liegt hoch: Um die Quoten zu erfüllen, muss wohl manches erst erfunden werden.
wien. Der Straßenverkehr soll emissionsärmer werden – und öffentliche Auftraggeber sollen mit gutem Beispiel vorangehen. Das ist die Intention der Clean Vehicles Directive der EU (CVD, 2009/33/EG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2019/1161). Diese muss bis zum 2. August 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Und das sollte Österreich auch gelingen: Der Entwurf für ein Straßenfahrzeugbeschaffungsgesetz passierte, wie berichtet, kürzlich den Ministerrat.
Worum geht es dabei? Öffentliche Auftraggeber und sogenannte Sektorenauftraggeber sollen dazu verpflichtet werden, bei Fahrzeugbeschaffungen vermehrt auf „saubere“bzw. emissionsfreie Fahrzeuge zurückzugreifen. Die Richtlinie und das darauf basierende Gesetz sehen verbindliche Quoten vor, die innerhalb bestimmter Bezugszeiträume erreicht werden müssen. Der erste beginnt am 3. August und läuft bis Ende 2025, die weiteren dauern jeweils fünf Jahre.
Bei Beschaffungen im Oberschwellenbereich, die innerhalb dieser Zeiträume erfolgen, müssen folgende Quoten an sauberen – also emissionsarmen – bzw. überhaupt emissionsfreien Fahrzeugen erreicht werden: bei Pkw mindestens 38,5 Prozent, bei Lkw in der ersten Phase zehn und dann jeweils 15 Prozent und bei Bussen im ersten Zeitraum 45 und dann jeweils 65 Prozent. Bei Letzteren muss dabei von Anfang an mindestens die Hälfte der Quote mit Nullemissionsfahrzeugen erfüllt werden. Und: Bei Pkw entsprechen ab der zweiten Phase überhaupt nur noch emissionsfreie Fahrzeuge den Kriterien, wie aus einem Rundschreiben des Justizministeriums hervorgeht.
Unter Beschaffungen fallen dabei nicht nur Ankäufe oder Nachrüstungen von Fahrzeugen, sondern beispielsweise auch größere Ausschreibungen von Buslinien. Oder bestimmte Dienstleistungen wie Paketbeförderung oder Müllabfuhr, wobei hier laut Justizministerium „die Pflicht an den Dienstleister zu überbinden ist“.
Hohe Bußgelder drohen
Wer die Quoten am Ende nicht einhält, muss mit empfindlichen Bußgeldern rechnen: Für jeden „schmutzigen“Bus zu viel können demnach bis zu 225.000 Euro fällig werden, für jeden Lkw bis zu 125.000 Euro und bei Pkw immerhin bis zu 25.000 Euro. Und wenn es auch die eine oder andere Ausnahme gibt – etwa für gepanzerte Fahrzeuge oder Krankenwagen – liegt die Latte insgesamt sehr hoch. Mehr noch: Die vorgeschriebenen Quoten wären wohl längst nicht für alle Auftraggeber von Anfang an erfüllbar, weil zum Teil noch gar kein entsprechendes Angebot an sauberen oder gar emissionsfreien Fahrzeugen zur Verfügung steht.
Das sei dem Richtliniengeber auch durchaus bewusst gewesen, sagt Manfred Essletzbichler, Partner bei Wolf Theiss, im Gespräch mit der „Presse“. Öffentlichen Auftraggebern solle hier eine „Anstoßfunktion“zukommen, um technologische Entwicklungen voranzutreiben. „Die EU versucht, auf diese Weise Nachfragemacht zu schaffen“, sagt Essletzbichler. Das solle den Druck auf die Anbieter erhöhen, rasch ein entsprechendes Angebot bereitzustellen.
Freilich muss dafür – etwas überspitzt gesagt – manches erst noch erfunden werden. Ob die durch die Fünfjahreszeiträume geschaffenen Quasiübergangsfristen dafür reichen werden, bleibt abzuwarten. Bei der Regelung für die Bußgelder wird das immerhin berücksichtigt: Hat ein Auftraggeber die Quote nur deshalb nicht eingehalten, weil zur Erfüllung seiner Aufgaben noch keine „sauberen“Fahrzeuge am Markt verfügbar sind, soll er insoweit vom Bußgeld befreit sein. Wobei die Erläuterungen zur Regierungsvorlage aber klarstellen, dass das wirklich nur Fälle betrifft, in denen es für den Auftraggeber schlicht unmöglich wäre, emissionsarme Fahrzeuge einzusetzen. Wenn dazu bloß eine Umstellung der Betriebsabläufe nötig wäre oder wirtschaftliche Erwägungen gegen die Beschaffung sauberer Fahrzeuge sprechen, wird das Bußgeld trotzdem fällig.
Aber geht das nicht in Richtung Strafe ohne Schuld? Wenn ja, wäre es rechtsstaatlich bedenklich. Das Bußgeld sei jedoch keine
„Strafe“, es setze daher auch kein Verschulden voraus, heißt es in den Erläuterungen zu dem Gesetz. Vielmehr handle es sich um ein „neues Sanktionssystem, das zu bestehenden Strafrechtssystemen hinzutritt“. Dadurch solle – ähnlich wie bei Geldbußen nach dem Kartellgesetz – ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil abgeschöpft werden.
Gemeinschaften bilden
Ursprünglich sei sogar eine Verdoppelung der Bußgelder bei „nachweislichem Nichtbemühen“vorgesehen gewesen. Diese Bestimmung sei jedoch gestrichen worden, sagt Rechtsanwalt Berthold Hofbauer (Kanzlei Heid & Partner). Eine Erleichterung werde auch durch die Möglichkeit geschaffen, mit anderen Auftraggebern Erfassungsgemeinschaften zu bilden. Diese müssen dann die jeweiligen Quoten nur insgesamt erfüllen. „Das funktioniert ähnlich wie beim Zertifikatehandel.“Wobei aber jeder Auftraggeber nur einer solchen Gemeinschaft angehören darf. „Und es geht auch nicht im Nachhinein“, ergänzt Philipp Marboe, Vergaberechtsexperte bei Wolf Theiss. Bis zum Ende des jeweiligen Bezugszeitraums sei die Bildung solcher Gemeinschaften jedoch möglich.
Ebenfalls wichtig: „Wer schon jetzt ein sauberes Fahrzeug kauft, kann das nicht für den ersten Bezugszeitraum anrechnen lassen“, sagt Marboe. Hofbauer verweist indes auf Grundsätze der Vergabecompliance, die bereits heute zu beachten seien: „Wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Möglichkeit hat, eine klimafreundliche Lösung zu wählen, darf er sich nicht für die klimaschädliche entscheiden.“Das sei auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Vergleichbare Regelungen werde es daher früher oder später auch für öffentliche Aufträge im Bau- und Energiebereich geben, erwartet Hofbauer.
Mehr zum Thema: siehe Seite 15