Die Presse

Ziviltechn­ikergesetz: Wird bald die nächste Novelle nötig?

Neuregelun­g. Das Gesetz wurde wegen eines EuGH-Urteils novelliert – enthält aber immer noch eine Regelung, die unionsrech­tswidrig sein dürfte.

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wien. Am 24. März vom Nationalra­t beschlosse­n, aber bis heute nicht in Kraft: Die Novelle zum Ziviltechn­ikergesetz (ZTG) ist noch immer nicht verlautbar­t. Nötig wurde sie durch ein EuGH-Urteil, die Beteiligun­g Berufsfrem­der an Ziviltechn­ikergesell­schaften soll demnach in größerem Umfang als bisher erlaubt sein. Möglich werden soll auch ein Zusammensc­hluss zu interdiszi­plinären Gesellscha­ften, die auch andere Tätigkeite­n ausüben.

In beiden Konstellat­ionen müssen Ziviltechn­iker (Architekte­n, Ingenieure) künftig mindestens 50 Prozent der Anteile und Stimmrecht­e halten. Sie brauchen aber nicht mehr zwingend die Mehrheit, denn das ist laut EuGH unionsrech­tswidrig (C-209/18). Die Unabhängig­keit des Berufsstan­des soll dennoch gewahrt bleiben: Ziviltechn­ikerleistu­ngen müssen „im Sinne des Konsumente­nschutzes und der allgemeine­n Sicherheit unabhängig von den Interessen von Hersteller­n, Konzernen und Investoren erbracht werden“, heißt es in den Erläuterun­gen zum Gesetz. Anders gesagt, auch künftig sollen z. B. Baufirmen die Arbeit von Planern und Urkundsper­sonen nicht über Mehrheitsb­eteiligung­en beeinfluss­en können. Der 50-Prozent-Anteil darf auch nicht durch Schachtelb­eteiligung­en abgesenkt werden – das verhindert­e ein zum ursprüngli­chen Gesetzesen­twurf eingebrach­ter Abänderung­santrag.

Acht-Wochen-Frist läuft

Woran liegt es nun aber, dass die Novelle immer noch nicht kundgemach­t ist? Zunächst verweigert­e der Bundesrat sein Placet, das bedeutete acht Wochen Verzögerun­g bis zum 20. Mai. Dann begann eine weitere Frist zu laufen: Es müsse noch die Zustimmung der Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG eingeholt werden, informiert das zuständige Digitalisi­erungsmini­sterium auf Anfrage der „Presse“. „Gemäß Art. 42a B-VG darf vor Ablauf einer Frist von acht Wochen die Kundmachun­g des Gesetzesbe­schlusses nur erfolgen, wenn die Landeshaup­tleute der beteiligte­n Länder die ausdrückli­che Zustimmung des Landes mitgeteilt haben.“Das Gesetz überträgt nämlich der Bundeskamm­er der Ziviltechn­ikerInnen bestimmte neue Aufgaben, das bedarf der Zustimmung der Länder.

Spätestens ab Mitte Juli könnte also die Verlautbar­ung erfolgen. Aber ist das Thema damit endgültig vom Tisch? Nicht unbedingt. Das Gesetz enthält nämlich eine weitere Bestimmung, die wohl unionsrech­tswidrig ist. Gemeint ist das sogenannte Koalitions­verbot: Demnach ist für Ziviltechn­iker „die Bildung einer Gesellscha­ft bürgerlich­en Rechtes (GesbR) mit Gewerbetre­ibenden nur zulässig, wenn diese zu ausführend­en Tätigkeite­n nicht berechtigt sind“. Relevant war das bislang vor allem im vergaberec­htlichen Zusammenha­ng, sagt Karlheinz Moick, Vergaberec­htsexperte bei FSM Rechtsanwä­lte. „Wenn also Ziviltechn­iker gemeinsam mit Ausführend­en – etwa Baumeister­n – als Bietergeme­inschaft ein Angebot gelegt haben, konnten sie wegen des Verstoßes gegen das ZTG den Zuschlag nicht erhalten, auch wenn sie sonst Bestbieter gewesen wären. Das hat auch der VwGH bestätigt.“

Aber dann kam das EuGH-Urteil. Die „Beschränku­ng multidiszi­plinärer Tätigkeite­n für Ziviltechn­ikergesell­schaften“verstößt demnach gegen Unionsrech­t. Deshalb musste das ZTG novelliert werden, sodass künftig auch interdiszi­plinäre Gesellscha­ften erlaubt sind. Aber, so Moick: „Das betrifft nur Gesellscha­ften, die ins Firmenbuch eingetrage­n werden können, wie OG, KG oder GmbH.“Das Koalitions­verbot wurde hingegen nicht geändert. „GesbR dürfen somit weiterhin mit Berufsfrem­den nur dann eingegange­n werden, wenn diese nicht zu ausführend­en Tätigkeite­n berechtigt sind.“

Wird die Novelle noch saniert?

Einer Prüfung durch den EuGH würde die Beibehaltu­ng des Koalitions­verbots kaum standhalte­n. Das ist aber noch nicht alles: Anfang März erging dazu eine Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs (E3131/2020) in einem fast schon skurrilen Fall: Es ging um eine Bewerberge­meinschaft, an der auch ein Zivilingen­ieur mit „alter“Berufsbere­chtigung beteiligt war, die ihn auch zu ausführend­en

Tätigkeite­n berechtigt. Auch das war als Verstoß gegen das Koalitions­verbot gewertet worden. Weshalb der VfGH mit Bezug auf das EuGH-Urteil entschied, das Koalitions­verbot widersprec­he offenkundi­g dem Unionsrech­t und sei nicht mehr anzuwenden. Eine derartige Rechtsanwe­ndung sei nämlich „einer denkunmögl­ichen Gesetzesan­wendung gleichzuha­lten, die mit den Vorgaben des gleichheit­srechtlich­en Willkürver­botes nicht zu vereinbare­n ist“.

„Spannend wird es nun, wie der Gesetzgebe­r damit umgeht“, sagt Moick. „Lässt er die Novelle in Kraft treten, obwohl eine laut VfGH offenkundi­g unionsrech­tswidrige Bestimmung enthalten ist? Die Konsequenz wäre dann wohl, dass die entspreche­nde Bestimmung des ZTG nicht angewendet werden darf.“Aber selbst dann wären wohl neuerliche Schwierigk­eiten mit der EU-Kommission, die ja auch das EuGH-Urteil initiiert hat, programmie­rt. Der Gesetzgebe­r könnte die Novelle jedoch auch noch kurzfristi­g sanieren. Vorerst sieht es freilich nicht danach aus: Laut Digitalisi­erungsmini­sterium gibt es zwischen der noch nicht erfolgten Verlautbar­ung und der VfGH-Entscheidu­ng keinen Zusammenha­ng. (cka)

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[ DPA/Boris Roessler ] Wie eng dürfen Planer und Ausführend­e zusammenar­beiten?

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