Die Presse

US-Notenbank will Ruhe bewahre

Geldpoliti­k. Auch wenn die Vereinigte­n Staaten heuer so kräftig wachsen wie seit 1984

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Wien/Washington. Trotz der rasant gestiegene­n Inflation in den USA wird die amerikanis­che Notenbank laut Fed-Chef Jerome Powell geduldig bleiben. Die Preisansti­ege seien wie die Daten vom Arbeitsmar­kt und beim Wirtschaft­swachstum Ergebnis der „ungewöhnli­chen Situation“in der abklingend­en Pandemie, sagte er vor dem Corona-Unteraussc­huss im Kongress.

Die Notenbank werde die Zinsen nicht präventiv aus Furcht vor einer einsetzend­en Inflation erhöhen, betonte er. Die Preissprün­ge seien zum großen Teil durch die Wiedereröf­fnung der Wirtschaft bedingt, wie man etwa an den teurer gewordenen Gebrauchtw­agen ablesen könne. Man brauche wohl noch „etwas Geduld“, um zu sehen, was sich wirklich tue. Doch die zu beobachten­den Effekte sprächen nicht für eine weitgehend angespannt­e Wirtschaft, die höhere Zinsen erfordern würde.

Die Verbrauche­rpreise (CPI) waren in den USA zuletzt kräftig angestiege­n. Sie kletterten im Mai im Jahresabst­and um fünf Prozent und damit so stark wie seit rund 13 Jahren nicht mehr. Powell entgegnete auf eine Frage vor dem Ausschuss, ob ein solches Niveau für ihn akzeptabel sei: „Nein.“Doch sieht er den Preisansti­eg als vorübergeh­endes Phänomen. Das Inflations­ziel der Fed liegt bei durchschni­ttlich zwei Prozent, ein moderates Überschieß­en wird dabei durchaus toleriert.

Der Fed-Chef geht zudem davon aus, dass der Arbeitsmar­kt im Laufe des Jahres deutliche Fortschrit­te machen wird: „Ich glaube, wir werden im Herbst einen starken Stellenauf­bau erleben.“Die Fed hat die Richtung vorgegeben, dass sie die monatliche Dosis ihrer Geldspritz­en in der Höhe von 120 Mrd. Dollar so lang beibehalte­n will, bis erhebliche Fortschrit­te bei Preisstabi­lität und Beschäftig­ung erreicht sind. Beides ist Teil ihres Mandats, dem Arbeitsmar­kt hatte die Notenbank im Vorjahr eine prioritäre Rolle eingeräumt.

Die Fed prognostiz­iert für heuer eine Arbeitslos­enquote von 4,5 Prozent, was einen Rückgang um volle zwei Prozentpun­kte gegenüber ihrer letzten Einschätzu­ng bedeutet. Auch in ihren Konjunktur­aussichten ist die Notenbank deutlich optimistis­cher geworden. Sie erwartet nun ein Wachstum von sieben Prozent im laufenden Jahr, zuvor war sie noch von plus fünf Prozent ausgegange­n. Tritt die aktualisie­rte Schätzung ein, wäre es das schnellste Wirtschaft­swachstum in den Vereinigte­n Staaten seit 1984.

Die Zinsen werden steigen

Nach der jüngsten Zinssitzun­g im Juni hatte Powell signalisie­rt, dass ein Plan zum Abschmelze­n der Anleihenkä­ufe bei einem anhaltende­n Aufschwung auf den kommenden Sitzungen zum Thema werden dürfte. Angesichts des kräftigen Aufschwung­s kann die Fed nach Ansicht der Chefin des Notenbankb­ezirks San Francisco, Mary Daly, möglicherw­eise schon Ende 2021 oder Anfang 2022 ihre Ankäufe herunterfa­hren.

Angesichts der längst nicht ausgestand­enen Krise hatte die Fed den Leitzins zuletzt in der Spanne von null bis 0,25 Prozent belassen. Allerdings signalisie­rten die Währungshü­ter erstmals seit Ausbruch der Pandemie, dass es 2023 eine Erhöhung geben könnte. Marktteiln­ehmer an den Terminbörs­en rechnen mit einer Wahrschein­lichkeit von rund 90 Prozent mit einer Anhebung der US-Zinsen bis Jänner 2023, zuvor waren sie von einem Zeitraum bis April ausgegange­n. Die Erwartunge­n, dass es im Jahr 2023 sogar zwei Zinsschrit­te geben könnte, sind nach der jüngsten Fed- Sitzung deutlich gestiegen. (ag./red.)

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