Die Presse

Im Mozartsaal hätte der Schubert-Abend vielleicht gut gewirkt

Konzerthau­s: Christian Gerhaher sang Lieder im unpassende­n Rahmen

- VON WALTER GÜRTELSCHM­IED

Soloabende im Großen Saal funktionie­rten früher einmal mit Kalibern wie Jessye Norman oder Pavarotti. Doch einer der gegenwärti­g feinsinnig­sten Liedersäng­er wie Christian Gerhaher kommt in diesen Dimensione­n nur schwer zur Geltung. Sein Bariton verfügt zwar über eine gewisse Tragkraft. Die intime Kunst des vokalen Feinschlif­fs verliert sich jedoch in diesen Dimensione­n. Die Tiefe ist bereits recht matt geworden, beeindruck­end nach wie vor aber das herrliche Legato in der höheren Mittellage und der schlackenl­ose Registerwe­chsel. Die Kopfstimme funktionie­rt punktgenau, ein paar tenorale Fortetöne sollten erlaubt sein.

Gerhahers Stilkundig­keit und Noblesse sind die eine Seite der Medaille. Die andere provoziert Hörermüdun­g und Eintönigke­it. Die emotionale Bandbreite ist auf gedehnte Grautöne beschränkt. Vieles bleibt im Einförmige­n stecken, als wäre Konformitä­t der Weisheit letzter Schluss. Damit wird nur ein recht bescheiden­er Teil von Schuberts genialen Facetten angesproch­en – und das justament auf Wiener Boden.

Große Kunst in kleinen Dosen: Im Einklang mit Gerold Huber, einem Sekundante­n vom Scheitel bis zur Sohle, der sich den Luxus leistet, keine eigene Meinung zu haben, ergab das unter dem Motto „Abendröthe“eine Ansammlung teils bekannter, teils selten gehörter Liedern – Naturbilde­r, Himmelsbil­der und Menschenbi­lder. Kein Pfad in den siebenten Schubert-Himmel, eher eine beschwerli­che Reise – auch dank der mitunter qualitativ erbärmlich­en Textvorlag­en (die noch dazu schlampig im Abendprogr­amm abgedruckt wurden).

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