Die Presse

Wo die Trüffelsch­nüffler wühlen

Film. Der raffiniert­e Dokumentar­film „The Truffle Hunters“begibt sich auf die Spur von Pilzsammle­rn aus dem Piemont: Alte Käuze, die geerdeter wirken als das Feinkost-Business.

- VON ANDREY ARNOLD

Nicht Salze, sondern Pilze sind das weiße Gold unserer Zeit. Tausende Euro pro Kilo bringt „Tuber magnatum“, die Weiße Trüffel aus dem Piemont und aus anderen Regionen Italiens, auf die Waage. Ungewasche­n sieht sie wirklich aus wie ein runzeliges Goldnugget. Bei Feinschmec­kern und schlemmerh­aften Geldsäcken steht sie hoch im Kurs, nicht zuletzt aufgrund ihres Seltenheit­swerts. Die Fahndung nach ihren kostbaren Knollen obliegt einigen wenigen alteingese­ssenen Trüffeljäg­ern und ihren treuen Spürhunden – ein Traditions­gewerbe par excellence.

Eben dieser Zunft widmet sich Michael Dwecks und Gregory Kershaws raffiniert­e Doku „The Truffle Hunters“. Schon vergangene­n November als Viennale-Abschlussf­ilm bei uns zu sehen, startet sie nun regulär in den heimischen Kinos. Mit ironisch angespitzt­em Blick folgen die Filmemache­r dem Alltag der oft schon greisenhaf­ten Waldwühler, deren archaische Selbstgenü­gsamkeit in pointierte­m Kontrast zur gut betuchten Etepetete-Gourmetwel­t steht, die sie mit ihren g’schmackige­n Schätzen beliefern.

Da schmunzelt die Slow-Food-Fraktion!

Dabei fügt sich „Truffle Hunters“nahtlos in die Passform des ökologisch bewussten Genussfilm-Genres, das sich derzeit (nicht nur) in Euro-Programmki­nos großer Beliebthei­t erfreut. Als Zuschauer fährt man hier quasi auf Leinwandur­laub nach Nordwestit­alien, ergeht sich in exquisit kadrierten Landschaft­sbildern und schmunzelt über die Schrullen der kauzigen Delikatess­enjäger.

Wie bewunderns­wert wirkt doch ihr scheinbar so einfacher, uriger, bodenständ­iger Lifestyle! Die übertriebe­nen Inszenieru­ngen ihrer hocharomat­ischen Funde auf dem Feinkostma­rkt kann man hingegen nur belächeln: ein perfekter Film für die SlowFood-Fraktion, der die geschilder­te Schablonen­haftigkeit aber zum Glück übersteigt.

Indem er seine Akzente nicht per Kommentar, sondern ästhetisch setzt – etwa mit ausgeklüge­lten Bildkompos­itionen, die bisweilen an einen Spielfilm erinnern. Und weil er, den preisgekrö­nten Außenseite­rpanoramen des Italo-Dokumentar­isten Gianfranco Rosi nicht unähnlich, alle seine Figuren durch dieselbe humorvoll-humanistis­che Brille beäugt: die Titelhelde­n ebenso wie den geschäftig­en Händler, der vor lauter Trüffelver­kaufen gar nicht zum Trüffeless­en kommt. Den wohlbeleib­ten Restaurant­gast, der sich seine Spiegeleie­r mit einem gerüttelt Maß Pilzspänen überhäufen lässt. Und ja, auch die Hunde, aus deren Perspektiv­e wir in einer Szene wild durch den Wald sausen, während das Dickicht an uns vorbeiraus­cht. So erscheint der vom italienisc­hen Starregiss­eur Luca Guadagnino mitproduzi­erte Film dank gezielter Gegenübers­tellung unterschie­dlicher, teilweise widersprüc­hlicher Lebensform­en als formvollen­detes Gegenmodel­l zu einer Gegenwart, in der kapitalist­ische Wertschöpf­ung mit Umweltverb­undenheit oft im Zwist liegt.

Die Meistersam­mler können das Trüffelsuc­hen auch im hohen Alter nicht lassen, ihre Fähigkeite­n bleiben gefragt. Dennoch entsteht der Eindruck, ihr Metier sei vom Aussterben bedroht. Wohl zu Unrecht, denn die Konkurrenz ist groß. Es werden sogar Hunde vergiftet. Als Gefühlsven­til bleiben nur Tränen oder scheppernd­es Schlagzeug­spiel. Und die Natur: In der Nacht stehlen sich manche der Veteranen durchs Fenster davon – zum Wandern in den trauten Wald.

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[ Sony ] Bester Freund des Pilzsammle­rs ist sein Spürhund: Ein dynamische­s Duo aus der Doku „Die Trüffeljäg­er“.

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