Salzburgs Elektra sinnt nun auch in Wien nach Rache
Auˇsrine˙ Stundyte˙ sang in der Staatsoper erstmals die Titelpartie.
Ausgerechnet die monumental besetzte, enorm anspruchsvolle, archaisch-moderne „Elektra“des Richard Strauss sorgt in den Corona-Jahren 2020 und 2021 für musikdramatische Kontinuität zwischen Wien und Salzburg. Freilich, in der Felsenreitschule lässt Regisseur Krzysztof Warlikowski Distanz walten. In Wien aber, in der reanimierten Harry-KupferProduktion, geht es rangelnd zur Sache.
In diesem Rahmen gab Ausrinˇe˙ Stundyte,˙ Salzburgs jugendliche Entdeckung, ihr Elektra-Debüt im Haus am Ring. Dass sie sich von Kupfers Gnaden in eine terroristische Schläferin verwandelt, liegt ihr darstellerisch, auch teilt sie sich ihre Kräfte gut ein. Aber selbst respektabel bewältigte Spitzentöne und, wo immer möglich, orchestrale Diskretion können eine relativ schmächtige Mittellage nicht ausgleichen. So blieb doch die grundlegende Besorgnis zurück, hier verbrenne sich eine dramatische Stimme schon vor erlangter Reife.
Erstaunlich hingegen, mit welch agiler Akkuratesse die Chrysothemis der Camilla Nylund nach wie vor über fast alle Klangwogen hinwegzusegeln versteht. Dass für Michaela Schuster die Klytämnestra zumindest noch relativ neu ist, merkt man auch bei ihrem Wiener Rollendebüt: Diese vom Gewissen gepeinigte Gattenmörderin benötigt noch etwas Feinabstimmung, um mit einem in unteren Lagen nicht wirklich vollsaftigen Mezzosopran zwischen nobler Zurückhaltung, grüblerischen Zwischentönen und mimischer wie vokaler Drastik das Beste herauszuholen. Franz Welser-Möst garantiert am Pult für Ruhe, Umsicht und wohldosierte Eruptionen. Jubel für alle.