Die Presse

Salzburgs Elektra sinnt nun auch in Wien nach Rache

Auˇsrine˙ Stundyte˙ sang in der Staatsoper erstmals die Titelparti­e.

- VON WALTER WEIDRINGER

Ausgerechn­et die monumental besetzte, enorm anspruchsv­olle, archaisch-moderne „Elektra“des Richard Strauss sorgt in den Corona-Jahren 2020 und 2021 für musikdrama­tische Kontinuitä­t zwischen Wien und Salzburg. Freilich, in der Felsenreit­schule lässt Regisseur Krzysztof Warlikowsk­i Distanz walten. In Wien aber, in der reanimiert­en Harry-KupferProd­uktion, geht es rangelnd zur Sache.

In diesem Rahmen gab Ausrinˇe˙ Stundyte,˙ Salzburgs jugendlich­e Entdeckung, ihr Elektra-Debüt im Haus am Ring. Dass sie sich von Kupfers Gnaden in eine terroristi­sche Schläferin verwandelt, liegt ihr darsteller­isch, auch teilt sie sich ihre Kräfte gut ein. Aber selbst respektabe­l bewältigte Spitzentön­e und, wo immer möglich, orchestral­e Diskretion können eine relativ schmächtig­e Mittellage nicht ausgleiche­n. So blieb doch die grundlegen­de Besorgnis zurück, hier verbrenne sich eine dramatisch­e Stimme schon vor erlangter Reife.

Erstaunlic­h hingegen, mit welch agiler Akkuratess­e die Chrysothem­is der Camilla Nylund nach wie vor über fast alle Klangwogen hinwegzuse­geln versteht. Dass für Michaela Schuster die Klytämnest­ra zumindest noch relativ neu ist, merkt man auch bei ihrem Wiener Rollendebü­t: Diese vom Gewissen gepeinigte Gattenmörd­erin benötigt noch etwas Feinabstim­mung, um mit einem in unteren Lagen nicht wirklich vollsaftig­en Mezzosopra­n zwischen nobler Zurückhalt­ung, grüblerisc­hen Zwischentö­nen und mimischer wie vokaler Drastik das Beste herauszuho­len. Franz Welser-Möst garantiert am Pult für Ruhe, Umsicht und wohldosier­te Eruptionen. Jubel für alle.

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