Die Presse

Die Nachrichte­n vom Ableben der FPÖ waren verfrüht

Politik. Mit Kickl ist die Option des Mitregiere­ns vorbei, glauben viele. Die Wähler entscheide­n.

- VON ANDREAS MÖLZER

Das politische Ableben haben ihr schon viele gewünscht: politische Mitbewerbe­r, diverse politische Beobachter und mediale Wortspende­r. Der Freiheitli­chen Partei nämlich, jener politische­n Bewegung, die den sogenannte­n „consensus austriacus“, gewisserma­ßen die Staatsräso­n der Zweiten Republik, ganz offensicht­lich nicht so recht mittragen will. Heute – glaubt man den Klassifizi­erungen derFPÖKrit­iker–als närrische Coronaleug­n er, zuvor als böse Rechts popu listen und inder Früh phase als Sammelbeck­en für Ex-Nazis.

Nach dem geradezu kabarettis­tischen Auftritt von Heinz-Christian Strache und Gudenus auf Ibiza wähnte man das Ende der FPÖ gekommen. Nicht nur als Regierungs­partei, sondern insgesamt als Parlaments­partei. Großer Irrtum. Nach der Abspaltung des Haidersche­n BZÖ und zuvor schon nach der Implosion von Knittelfel­d schien es ebenso, also wären die politische­n Mitbewerbe­r und die kritischen Medien die lästige Populisten­truppe los. Doch sie erholte sich wieder und vollzog den Haidersche­n Aufstieg der 90er Jahre unter Strache erneut. Und zuvor schon, anno 1986, nach dem legendären Parteitag von Innsbruck, nachdem Franz Vranitzky die FPÖ aus der rot-blauen Koalition geschmisse­n hatte, mutmaßte man das Ende der spätlibera­len Blaupause. Ein ebenso großer Irrtum. Und 30 Jahre davor hatten die ÖVP-Granden um Julius Raab noch gemeint, den Verband der Unabhängig­en, die Vorgängerp­artei der FPÖ, und die junge Freiheitli­che Partei selbst „inhalieren“zu können. Ein ebenso folgenschw­erer Irrglaube.

Und heute gibt sich die FPÖ mit HerbertKic kleinen neuen Partei obmann, dessen fundamenta­loppositio­neller Kurs die politische­n Auguren schon mutmaßen ließ, dass dies zweifellos zu einer Verengung und damit zum Abstieg der FPÖ führen würde. Und die Option des Mitregiere­ns sei damit zweifellos auf ewig vorbei. Allzu sehr hinterlass­e der neue FPÖChef gegenüber allen politische­n Mitbewerbe­rn verbrannte Erde. Allzu hart seien seine Attacken, etwa auf den türkisen Bundeskanz­ler und auf die Vertreter des spätlinken Zeitgeists. Mit dieser FPÖ, so hatte es schon immer geheißen, und erst recht mit nunmehr jener unter Herbert Kickl, könne man keinen Staat machen.

Konsequent patriotisc­h

Nun, die Zukunft und insbesonde­re die österreich­ischen Wählerinne­n und Wähler werden zeigen, ob all diese Kassandrar­ufe nicht ebenso daneben liegen wie die früheren Abgesänge auf das nationalfr­eiheitlich­e Lager. Neben dem linken Lager, gegenwärti­g aufgeteilt zwischen den Sozialdemo­kraten und den Grünen, und dem pseudo-konservati­ven, eher wirtschaft­saffinen Bereich, vertreten durch die türkise ÖVP und die Neos, dürfte die Republik, dürften Bürger des Landes offenbar den Bedarf nach einer nonkonform­istischen politische­n Bewegung haben, die konsequent patriotisc­h für die autochthon­e Bevölkerun­g eintritt und ebenso konsequent jede Gefährdung der Bürgerfrei­heit aufzeigt. Und ob eine solche Bewegung kritisiere­nde und kontrollie­rende Opposition ist oder gemäß einem entspreche­nden Wählerwill­en dann auch mitregiert, hängt allein von den Wahlergebn­issen ab.

Einiges darf man darauf verwetten, dass bei Vorliegen entspreche­nder Wahlerfolg­e ein Herbert Kickl genauso ein gesuchter Koalitions­partner sein kann, wie es seinerzeit Jörg Haider und danach Heinz-Christian Strache waren, wie es davor Friedrich Peter und Norbert Steger waren.

Andreas Mölzer (* 1952) studierte Rechtswiss­enschaften, Geschichte, Volkskunde in Graz. Er wird dem deutschnat­ionalen Flügel der FPÖ zugerechne­t, er selbst bezeichnet sich als „nationalli­beralen Kulturdeut­schen“. Von 2004 bis 2014 war er FPÖ-Abgeordnet­er im Europäisch­en Parlament. Mölzer ist Herausgebe­r der Wochenzeit­ung „Zur Zeit“.

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