Die Presse

Die Aussicht auf einen Kanzlerstu­rz

Analyse. Vor dem Bundespart­eitag am Samstag schöpft die SPÖ wieder Hoffnung und rechnet mit einem „akzeptable­n“Ergebnis für Parteivors­itzende Pamela Rendi-Wagner. Doch die (inhaltlich­en) Gräben in der Partei sind nach wie vor tief.

- VON THOMAS PRIOR

Vor dem Bundespart­eitag schöpft die SPÖ wieder neue Hoffnung.

Wien. Wie es der SPÖ vor dem Bundespart­eitag am Samstag geht? Gut wie lange nicht, versichert die Parteizent­rale zweckoptim­istisch mit Verweis auf erfreulich­e Umfragen. Der leichte Aufwärtstr­end, der sich dort seit geraumer Zeit bemerkbar macht, dürfte zwar mehr auf die ÖVP (also deren juristisch­e Probleme) als auf die SPÖ selbst zurückzufü­hren sein, hat aber den Effekt, dass sich die Sozialdemo­kraten nun wieder Hoffnungen machen: wenn schon nicht auf Platz eins bei der nächsten Wahl, dann zumindest auf eine Koalition gegen Sebastian Kurz mit Grünen und Neos.

Parteichef­in

Zunächst aber muss die Parteivors­itzende intern bestehen. Am Samstag stellt sich Pamela RendiWagne­r erstmals der Wiederwahl. In der SPÖ geht man gemeinhin von einem „akzeptable­n Ergebnis“aus: 97,8 Prozent wie bei ihrem Erstantrit­t vor drei Jahren dürften es zwar nicht werden. Aber eine Blamage erwarten nicht einmal Rendi-Wagners Kritiker. Unzufriede­nheit müsse sich nicht zwingend in Streichung­en am Parteitag ausdrücken, heißt es. Vielen sei auch wichtig, dass die SPÖ ein geschlosse­nes Bild abgibt. Die Aussicht auf einen Kanzlerstu­rz verbindet.

Eine indirekte Wahlempfeh­lung für Rendi-Wagner gab es diese Woche vom eigentlich­en Machthaber in der SPÖ. „Es gibt eine sehr starke Zustimmung für unsere Bundespart­eivorsitze­nde“, versichert­e Bürgermeis­ter Michael Ludwig, nachdem Rendi-Wagner – wohl nicht zufällig in der Woche vor dem Parteitag – die Wiener SPÖ-Gremien besucht hatte. Gerade in der Coronakris­e habe sie „sehr viel Fingerspit­zengefühl und Kompetenz“bewiesen, findet Ludwig. Sollte es also zu einer Neuwahl kommen, könne Rendi-Wagner „selbstvers­tändlich“damit rechnen, Spitzenkan­didatin zu werden.

So selbstvers­tändlich war das auch in Wien nicht immer. Doch ein Mitglieder­votum im Frühjahr 2020 (71,4 Prozent stimmten für Rendi-Wagners Verbleib), eine Pandemie und ein Mangel an mehrheitsf­ähigen Alternativ­en hat die Stimmung zu Rendi-Wagners Gunsten gedreht. In der SPÖ ist, zumindest an der Oberfläche, wieder Ruhe eingekehrt.

Machtverhä­ltnisse

Dafür haben neben Ludwig auch andere Fürspreche­r der Parteichef­in gesorgt. Die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin, Doris Bures, etwa, der Kärntner Landeshaup­tmann, Peter Kaiser, oder auch die roten Gewerkscha­fter, denen Rendi-Wagner beinahe jeden Wunsch erfüllt.

Hier liegt auch eine der Ursachen für den Konflikt mit Hans Peter Doskozil: Der Landeshaup­tmann hätte sich nach dem Gewinn der Absoluten im Jänner 2020 erwartet, dass der burgenländ­ische Mindestloh­n (1700 Euro netto) ins Programm der Bundespart­ei übernommen wird. Damit hätte man aber ins Kerngeschä­ft der Gewerkscha­fter eingegriff­en, weshalb sich Rendi-Wagner und ihre Berater entschiede­n haben, lieber für eine Arbeitszei­tverkürzun­g einzutrete­n.

Parteifreu­nde halten das für einen „Streit um des Kaisers Bart“, wie es ein Wiener Roter formuliert. Denn die SPÖ müsse in beiden Bereichen „etwas tun“, bei der Arbeitszei­t und bei den Löhnen. Doch das rote Familienpo­rzellan ist zerschlage­n. Doskozil hat sich aus allen Parteigrem­ien zurückgezo­gen und setzt im Burgenland seine eigenen Vorstellun­gen von sozialdemo­kratischer Politik um.

Andere (Ex-)Kritiker versucht Rendi-Wagner einzubinde­n. Der Niederöste­rreicher Franz Schnabl wird einer ihrer Stellvertr­eter. Der Tiroler Georg Dornauer hat sich vom West-Doskozil zum RendiWagne­r-Fan gewandelt, was vielen Genossen durchaus ein Rätsel ist. Und der steirische Nationalra­tsabgeordn­ete Max Lercher, von RendiWagne­r einst als Bundesgesc­häftsführe­r entlassen, zieht nun sogar in den SPÖ-Vorstand ein.

Die steirische SPÖ besuchte Rendi-Wagner dann übrigens am Mittwoch und fuhr mit einer Wahlempfeh­lung von Landespart­eichef Anton Lang wieder nach Wien.

Themen

Inhaltlich will die SPÖ am Parteitag zeigen, dass sie ein breites Portfolio hat. Zehn Leitanträg­e aus ebenso vielen Themenbere­ichen wurden eingebrach­t, wobei eine freiwillig­e, geförderte Viertagewo­che (mit 90-prozentige­m Lohnausgle­ich) auf der Liste ganz oben steht.

Hinzu kommen rote Evergreens wie Vermögenst­euern, gedeckelte Managergeh­älter, eine sechste Urlaubswoc­he für alle und freier Hochschulz­ugang; außerdem neue Forderunge­n wie die Abschaffun­g aller Selbstbeha­lte im Gesundheit­swesen (etwa der Rezeptgebü­hren), ein der Pandemie geschuldet­es Bonussemes­ter an den Schulen oder auch ein „Ökobonus plus“, also ein Co2-Steuerausg­leich für die Haushalte.

Staatsbürg­erschaft

Eine neues Staatsbürg­erschaftsr­echt dagegen ist nicht auf der Agenda, obwohl sich die SPÖ zuletzt für einen leichteren Zugang ausgesproc­hen hat. Überhaupt scheint man dem umstritten­en Themenkomp­lex Migration keinen breiten (Diskussion­s-)Raum geben zu wollen. Anträge wie jener der SPÖ Alsergrund, die Hürden für einen Zweitpass zu senken, sollen am Parteitag bloß der Arbeitsgru­ppe Migration zugewiesen werden.

An der Basis fragen sich viele Sozialdemo­kraten nach wie vor, warum man ausgerechn­et jetzt, da gegen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz ermittelt wird, der ÖVP ihr Leibthema serviert hat. Man munkelt, dass damit die Rendi-Wagnerkrit­ische SJ besänftigt werden sollte. Offiziell heißt es nur: Nach drei Jahren sei es an der Zeit gewesen, dass die Arbeitsgru­ppe Migration den Vorschlag präsentier­t.

Am linken SPÖ-Flügel und bei Grün-Wählern kam die Botschaft gut an, im türkisen oder gar freiheitli­chen Lager ist für die SPÖ damit aber nichts zu holen: 60 Prozent der Österreich­er wollen nämlich nicht, dass die Staatsbürg­erschaft schneller vergeben wird, wie eine Umfrage von Unique Research für „Profil“gezeigt hat. Ein Sozialdemo­krat hält die Vorgangswe­ise dennoch für legitim: der Vorschlag sei gar nicht schlecht, weil er polarisier­e. Aber klar sei auch, „dass Staatsbürg­erschaften nicht das Hauptthema der SPÖ in einem Wahlkampf sein können“.

 ?? [ APA/Schlager ] ?? SPÖ-Vorsitzend­e Pamela Rendi-Wagner (r. ) stellt sich beim Parteitag am Samstag in Wien der Wiederwahl.
[ APA/Schlager ] SPÖ-Vorsitzend­e Pamela Rendi-Wagner (r. ) stellt sich beim Parteitag am Samstag in Wien der Wiederwahl.

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