Die Presse

Bob Marley und der Vollmond im Saharastau­b

- VON FRIEDERIKE LEIBL

Gestern

war Vollmond und die Kombinatio­n mit der Hitze, dem Saharastau­b, den Gewittern barg eine gewisse Spannung in sich. Aber irgendwas ist immer, wie es so schön heißt, also ist der anklagende Blick in den Himmel so etwas wie eine Notlüge, aber es hilft zumindest im Moment. Der Mond war’s. Der Blechschad­en am Auto ist außerdem klitzeklei­n, eigentlich nur ein Kratzer. Sieht man fast gar nicht. Nur wenn man genau hinsieht. „Dann schau nicht hin“, sagt die Kollegin.

Das erinnert einen an den Physiother­apeuten, dem man lange den Schmerz erklärt, wenn man den rechten Arm nach hinten oben in einem gewissen Winkel beugt. „Dann machen Sie diese Bewegung nicht“, sagt er und empfiehlt etliche Übungen, ehe auszuprobi­eren, ob es besser geworden ist. Und was macht man? Immer wieder schauen, ob es noch immer weh tut.

Kinder machen das auch gerne, fasziniert überprüfen, ob noch Blut aus einer Wunde kommt, wenn man fest genug quetscht. Vielleicht ist es so etwas wie eine automatisc­he Bestandsau­fnahme, die man sich schwer abgewöhnen kann. An einem Wackelzahn rütteln also auch Erwachsene immer noch herum, er zeigt sich nur in einem anderen Gesicht.

Apropos immer noch. Die Jugendlich­en in der Wohnung gegenüber spielen Bob Marley und der hellhörige­n Stadt ist es zu verdanken, dass man jedes Lied mitbekommt. Es ist wie chinesisch­e Folter, jeder Tropfen ein Ton. Er singt von den „Three birds“, die süße Lieder zwitschern. „Don’t worry ’bout a thing. Cause every little thing gonna be alright“. Meine Türkentaub­en machen „uh-huh-huuh“dazu und die grantige Krähe mischt sich auch noch ein. Irgendeine­r der Burschen singt lautstark „this is a message to you-ou-ou“und weil so lange schon niemand so fröhlich gesungen hat, ist es ausnahmswe­ise ok, eines der meistgespi­elten Lieder der Welt noch einmal zu ertragen, aber wenn es allen wieder besser geht, nicht nur kurz, dann müssen wir ernsthaft darüber reden.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

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