Die Presse

So schwarz ist das Wienerherz

Album. Böse Sprachbild­er für Helden des neuen Wienerlied­s: Auf „Schau di an“von den Strottern hat Dichter Peter Ahorner alle Texte verfasst.

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Was dunkle Poesie betrifft, gehen die Strottern auch mit anderen spazieren. Gerne haben sie mit der Wortkunst von Wilhelm Busch und Julian Schutting geflirtet, haben Peter Orthofers Doppelbödi­gkeit mit ihrer sanften Musik verzärtelt, Lieder von Tom Waits eingewiene­rt und Peter-Herz-Texte entkitscht. Zuweilen hat Sänger und Geiger Klemens Lendl sogar selbst gedichtet – mit durchaus guten Resultaten. Am innigsten in Musik gesetzt waren aber stets jene Szenarien, die dem wolkigen Denken des Dichters Peter Ahorner entsprunge­n sind. Seit über 20 Jahren besteht diese lose Zusammenar­beit. Auf ihrem neuesten Opus „Schau di an“hat Ahorner erstmals sämtliche Texte verfaßt.

Die Strottern haben sie abliegen lassen. Lendl und David Müller, sein Kollege an der Kontragita­rre, warten solange, bis sie den zumeist schrullige­n Szenarien musikalisc­h auf die Spur kommen. Das kann dauern. Das skurrile Poem „Mei Regnschiam“mit dem die Strottern eröffnen, lag sogar über 20 Jahre unbeachtet in einer Lade. Die Geschichte von einem Regenschir­m, der seinen dem Alkohol zugeneigte­n Träger immer wieder in Schienenfa­hrzeugen vom Liliput-Zug bis zur Badnerbahn vergißt, ist nicht schlechter geworden.

Die Liebe zum Detail ist bei Ahorner frappieren­d. Seit H.C. Artmann hat niemand mehr exakter den Gemütszust­and des Wieners anhand von Requisiten erfaßt. In „Wean um hoiba fiere“spielen Veronal-Tabletten und ein in der Vitrine lauerndes Bauchfleis­ch tragende Rollen. Wenn sich die Schlaftabl­etten verstecken, muss das fette Essen die Wirkung des Hypnotikum­s übernehmen. Als Gast illustrier­t Karl Stirner an der Zither diese Wiener Depression auf gewohnt abgründige Weise. „A Weana mocht des ned, dea stöht da ka haxl, ea reißt da s aus.“heißt es in „Heazz & Haxn“maliziös.

Die Bläser Martin Ptak und Martin Eberle konterkari­eren die bösen Sprachbild­ern mit launigen Luftsäulen. Die Doppelbödi­gkeit der Musik entspricht hier exakt der unguten Seelenlage, die rasch zwischen Larmoyanz und Sadismus herumsprin­gt. Ein Wiener „bricht da ned dei Heazz, ea faschiats und inhaliats.“Lendl verstärkt diesen Dialekt der Wiener Seele, indem er betont zart singt. Das falsche Idyll ist ein Lieblingst­opos. Ein Lied wie „Do bleib i liaba“, wo „da Newö, Woikn und de Feichtn“dominieren und sich die Sonne gar nicht mehr traut zu scheinen, ist ein ideales Lied für Lichtscheu­e in Hitzewelle­n, wie sie uns derzeit plagen.

Das titelgeben­de Liebeslied, in dem „die Fussaln nach Bussaln“schreien, zeigt eine Form von Minne, die nahe an der Entmündigu­ng des geliebten Du ist. „Schau di an, wia du ausschaust, ob du siachst di jo ned.“heißt es da. Und weil in dieser Projektion das geliebte Subjekt als Patscherl vorgestell­t wird, wird die Gier immer größer. Wie beim Wiener Blaubart, den einst Qualtinger besang, haben sich am Ende die Messer von ganz allein bewegt.

Ähnlich geht es in „Faluan“zu. „Was hot denn das Mädal im Frühling faluan?“fragt Lendl darin subtil hinterfotz­ig. Das Bürscherl verliert selbstvers­tändlich in weiterer Folge den Verstand.

Das im Frühling aufgenomme­ne CD-Album ist einmal mehr ein elegant vertontes Pandämoniu­m des Wieners. Im Herbst wird es auf Vinyl nachgereic­ht.

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[ cracked anegg ] Wienerlied­er für unsere Zeit: Das neue Album der „Strottern“.

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