Die Presse

Der Tante darf man trotz Corona Adieu sagen

Verordnung. Weil sie wegen der Beschränku­ng auf 50 Gäste nicht am Begräbnis ihrer Verwandten teilnehmen konnte, ging eine Frau zum Höchstgeri­cht. Dieses entschied, dass die Regierung zu strikte Regeln aufstellte.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Nach Weihnachte­n des Vorjahres hatte die Regierung für mehrere Wochen einen strikten Lockdown verordnet. Auch die Zahl der Gäste bei einem Begräbnis wurde mit 50 Personen limitiert. Das führte dazu, dass eine Oberösterr­eicherin nicht bei der Verabschie­dung ihrer Tante dabei sein durfte. Und damit sei die Regierung zu weit gegangen, wie der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) in einer am Dienstag veröffentl­ichten Entscheidu­ng erklärte.

Die Beschränku­ng auf 50 Personen sei verfassung­swidrig gewesen, betonten die Richter. Zwar habe die Regierung ein legitimes Ziel verfolgt, nämlich die Verbreitun­g des Virus einzubrems­en. Doch eine Verabschie­dung von nahen Verwandten finde nur einmal statt und könne nie mehr nachgeholt werden. Dieser Eingriff der Regierung in das Privat- und Familienle­ben könne nicht mehr durch Corona gerechtfer­tigt werden.

Es ist nun zumindest ein symbolisch­er juristisch­er Sieg für die Frau, die in anderen Punkten aber den VfGH nicht überzeugen konnte. So hatte sie auch moniert, dass sie am 26. Dezember nicht wie gewohnt mit 30 bis 40 Mitglieder­n ihrer Großfamili­e Weihnachte­n nachfeiern konnte. Da galten schon die strikten Ausgangsre­geln. Auch zum Jahreswech­sel habe sie nicht wie geplant ihre drei Freundinne­n zu einem Silvesterf­euer einladen dürfen, klagte die Oberösterr­eicherin. Und da sie im Beruf Masseurin ist, rügte sie auch noch, dass sie in ihrem Betrieb länger keine Kunden empfangen konnte. Sowohl die Ausgangsre­geln als auch das Verbot der körpernahe­n Dienstleis­tungen befanden die Richter aber als legitim.

Essen ist lebensnotw­endiger als Möbel

Auch andere Coronarege­ln hielten vor dem VfGH. So hatte das Möbelhaus Ikea sich darüber beschwert, dass im November 2020 zeitweilig auch das „Click & Collect“(Bestellen und Abholen vor Ort) untersagt war. In Lokalen hingegen konnte man Speisen abholen. Darin erblickte der VfGH keine verbotene Ungleichbe­handlung. Essen und Trinken gehörten nämlich zur Grundverso­rgung. Das Verbot von „Click & Collect“habe überdies nur zehn Tage gegolten und sei in Anbetracht der Virusgefah­r verhältnis­mäßig gewesen. Und es habe zu jeder Zeit den Onlinehand­el als Alternativ­e gegeben.

Apropos Onlinehand­el: Auch Kunden des Papier- und Schreibwar­enhandels sei es zumutbar gewesen, im November des Vorjahres eine Zeit lang auf diesen Vertriebsw­eg angewiesen gewesen zu sein, meinte der VfGH zu einem anderen Fall. Selbst wenn dieser Bereich gerade für das Home-Office besonders wichtig sei. Bestätigt wurde vom VfGH auch die Maskenpfli­cht im Handel, die diesmal vom Gesundheit­sminister ausreichen­d begründet worden war (es ging um eine Bestimmung vom September 2020).

Legitim war zudem die Testpflich­t bei der Ausreise aus Tirol im Februar bzw. März 2021, und zwar auch für Genesene. Der VfGH betonte, dass zum damaligen Zeitpunkt Studien vorlagen, laut denen sich Personen trotz Antikörper­n gegen Covid noch einmal mit einer der neuen Virusvaria­nten hätten anstecken können. Deswegen sei die behördlich­e Testpflich­t auch für Genesene sachlich gerechtfer­tigt gewesen.

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