Meisterin Merkel und Lehrling Laschet
Deutschland. Das Duo Merkel/Laschet besuchte die Katastrophenregion. Die Kanzlerin kehrte die routinierte Krisenmanagerin heraus – und der Kanzlerkandidat übte fürs TV-Duell mit den Grünen.
Wien/Köln. Hinter rot-weißen Planken und Absperrbändern tut sich ein Krater der Verwüstung auf. In der von Fachwerkhäusern gesäumten Altstadt von Bad Münstereifel hat die Erft eine Schneise der Zerstörung gerissen. Die Aufräumarbeiten sind zur Mittagsstunde, da sich hoher Besuch aus Berlin und Düsseldorf angesagt hat, voll im Gang. Ein Bagger fürs Grobe steht bereit, Bundeswehrsoldaten und Helfer aus dem Eifel-Städtchen und dem nahen Köln legen indessen Hand am Trümmerberg an, der sich vor ihnen auftürmt.
Angela Merkel und Armin Laschet sind am Dienstag zum Lokalaugenschein ins Katastrophengebiet im Süden Nordrhein-Westfalens gekommen, um Betroffenen, Helfern und Lokalpolitikern Mut und Hilfe zuzusprechen. „Das Einzige, was tröstet, ist die Solidarität“, sagt die Kanzlerin, die sich bereits zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden in die Krisenregion in Westdeutschland aufgemacht hat.
Die Katastrophe hatte sie in der Vorwoche beim Abschiedsbesuch in Washington überrascht. Jetzt spielt Merkel ihre Routine als Krisenmanagerin aus und exerziert ihrem potenziellen Erben vor, wie sie mit wenigen Worten der Anteilnahme eine Verbindung zur leidgeprüften Bevölkerung herstellt: Meisterin Merkel und Lehrling Laschet.
„Es verschlägt mir fast die Sprache“, sagt sie über das Ausmaß der Schäden. Sie spricht vom „Miteinander“, und sie verspricht unbürokratische Soforthilfe. 400 Millionen Euro wird die Koalition in Berlin am Mittwoch in ihrer vermutlich letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause am Mittwoch zusagen. „Das Geld muss schnell zu den Menschen kommen.“Was jetzt vonnöten sei, sei allerdings auch ein „langer Atem“. „Ich wünsche ihnen viel Kraft.“
Schon ihr Auftritt am Sonntag, frei von jedwedem Populismus und Katastrophentourismus, hatte der Kanzlerin allenthalben Anerkennung eingebracht, als sie an der Seite Malu Dreyers im wenige Kilometer entfernten Adenau in Rheinland-Pfalz Worte des Trosts und der Aufmunterung spendete. Darauf versteht sich die Pastorentochter, erst recht nach bald 16 Jahren Regierungserfahrung.
Merkel stützte Dreyer, die SPDMinisterpräsidentin, die seit Langem an Multipler Sklerose leidet, beim Gang durch das Städtchen. Und sie rief eine „Bild“-Reporterin zur Ordnung, die noch während der Stellungnahme Dreyers zu einem Interview mit einer Bewohnerin ansetzte. Das Versprechen Merkels, in wenigen Wochen und selbst nach ihrem Abschied aus der Politik wiederzukommen, um nach dem Rechten zu sehen, traf exakt den richtigen Ton – in Adenau wie am Dienstag in Bad Münstereifel.
In Krisen- und Katastrophenzeiten läuft die Kanzlerin meist zur Bestform auf, und dieser Angela Merkel werden die Deutschen nach ihrem Abgang im Spätherbst wohl noch nachtrauern; der Regierungschefin bei normaler Betriebstemperatur und der monotonen Rednerin allerdings weniger.
Hemdsärmelig im Revier
Auch Armin Laschet, seit fast einer Woche im Dauereinsatz, verfügt über Empathie. Hemdsärmelig und heimisch in seinem rheinischen Revier sucht der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen neben der Kanzlerin, die er beerben will, den Kontakt zu den Bürgern. Der Mann aus Aachen kennt die Rheinländer, und er gibt den „Kümmerer“. Vor allem seine Feststellung der Kooperation und Hilfsbereitschaft zwischen Bund, Land und Kommunen über alle Parteigrenzen hinweg, kommt an.
Seit Tagen bemüht sich der Spitzenkandidat der Union darum, den Eindruck zu vermeiden, er betreibe Wahlkampf in der Katastrophenregion. Laschet vollführt einen Spagat, den er bisher – trotz der via Twitter geschürten Aufregung um sein Gelächter bei einem Statement des Präsidenten Steinmeier am Samstag – gut bewältigt.
Eine Umfrage des AllensbachInstituts, großteils vor der Flutkatastrophe erhoben, gibt der Union Grund zur Zufriedenheit. Demnach liegen CDU/CSU mit 31,5 Prozent souverän an der Spitze vor den Grünen (18) und der SPD (16,5). Der Trend könnte sich aber abbremsen. Das Thema Klimawandel, eine Domäne der Grünen, hat inzwischen Hochkonjunktur. Die Union versucht, die Konkurrenz zu überflügeln – und Laschet übt sich schon eifrig darin, der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in den TV-Duellen Paroli zu bieten: „Der Klimawandel ist eine hausgemachte Katastrophe.“
Das Einzige, was tröstet, ist die Solidarität.
Kanzlerin Angela Merkel beim Besuch im Katastrophengebiet