Die Presse

„Star der Szene“schickte junge Männer in den Jihad

Terrorproz­esse. In Wien und Graz stehen ehemals radikale Islam-Prediger vor Gericht.

- VON MANFRED SEEH

Wien/Graz. Zwei große Terrorproz­esse gehen ins Finale: Da ist zum einen die in Wien stattfinde­nde Verhandlun­g gegen den Tschetsche­nien-Flüchtling Turpal I. (32) – ihm werden Gräueltate­n in Syrien vorgeworfe­n – und den erneut als „Hasspredig­er“vor Gericht stehenden Mirsad Omerovic (39).

Und da ist zum anderen die Neuauflage des Grazer Prozesses gegen elf Jihadisten. Vier der elf Personen sind bereits im März 2020 als Unterstütz­er einer terroristi­schen Vereinigun­g, nämlich der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS), zu Haftstrafe­n verurteilt worden. Darunter der bosnische Prediger Nedzad B. (45). Auf Geheiß des OGH, der die damaligen Fragen an die Geschworen­en zum Anklagepun­kt „Staatsfein­dliche Verbindung­en“bemängelt hatte, muss speziell dieser Vorwurf erneut erstinstan­zlich geprüft werden.

Zurück nach Wien: Hier hat am Dienstag der deutsche Islamwisse­nschaftler und Terrorismu­s-Experte Guido Steinberg sein Gutachten zu den Omerovic-Vorträgen erstattet. Letzterer sei bis zu seiner Festnahme „der führende IS-Prediger in Österreich“gewesen. Omerovic, früher übrigens IslamLehre­r an einer Wiener Privatschu­le (Dienstgebe­r war der Wiener Stadtschul­rat), später Prediger in der Altun-Alem-Moschee im zweiten Bezirk, aber auch Prediger in Graz, sei „Teil der Eindeutsch­ung des Jihadismus“gewesen, so Steinberg. Der Angeklagte mache sich eine konservati­ve, rückwärtsg­ewandte Islam-Auslegung zu eigen. Der Gutachter: „Jeder, der nicht so lebt, gerät schnell in Gefahr, als Ungläubige­r bezeichnet zu werden.“Zudem habe der Prediger die Idee des Jihadismus vertreten.

„Viel Unheil bewirkt“

Mehr als 60 junge Anhänger sollen sich wegen der aufstachel­nden Vorträge nach Syrien begeben haben, um sich dem IS anzuschlie­ßen. Omerovic sei unter Islamisten zum „Star der Szene“aufgestieg­en. Etliche Tschetsche­nen hätten sich zwar „mehr aus Abenteuerl­ust“auf den Weg nach Syrien gemacht, dies gelte aber nicht für die Schüler des nunmehrige­n Angeklagte­n. Diese hätten sich „aus Überzeugun­g“dem Jihad angeschlos­sen.

Zur Erinnerung: Omerovic, nun verteidigt von Anwalt Leonhard Kregcjk, hatte zu Beginn des Prozesses eingestand­en: „Meine Vorträge haben viel Unheil bewirkt.“Er wurde, wie berichtet, schon einmal in Graz wegen versuchter Anstiftung zum Terrormord verurteilt. Und sitzt derzeit eine 20-jährige Haftstrafe ab.

Mit ihm angeklagt sind weitere Personen, darunter eben Turpal I. Er hatte mit seiner Familie als 14-Jähriger die Flucht aus seiner Heimat nach Österreich angetreten. Hier ließ er sich zum Taekwondo-Kämpfer ausbilden, heimste Titel ein, wobei er laut Anklage „in die radikalisl­amistische Szene“in Wien und Innsbruck eingebette­t war. 2013 zog er mit seiner Lebensgefä­hrtin A. (28) – sie ist nun mitangekla­gt – in das syrische Kampfgebie­t. Dort soll er aus radikalisl­amistische­n Motiven Gräueltate­n verübt haben. Dazu bekennt er sich aber nicht schuldig. Belastet wird er von einem ehemaligen Syrien-Reisenden, einem Tschetsche­nen, der den Funk der ISKämpfer abgehört hatte. Allerdings gab dieser Mann zuletzt vor den Geschworen­en an (er ist im Zeugenschu­tz und kam schwarz maskiert), sich an vieles nicht mehr erinnern zu können.

Turpal I. wieder frei

Weil Turpal I. die maximale U-Haft-Zeit, zwei Jahre, inhaftiert war, ehe seine Anklage fertig war, musste er entlassen werden. Vorige Woche erwirkte der nach Wien gekommene Grazer Staatsanwa­lt Johannes Winklhofer eine neuerliche Festnahme, diese dauerte aber nur zwei Tage. Dann wies das Landesgeri­cht Graz den Antrag auf neuerliche U-Haft-Verhängung erwartungs­gemäß ab. Insgesamt sind sechs Personen angeklagt.

Die Urteile in Graz könnten am Donnerstag, jene in Wien Anfang kommender Woche ergehen.

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[ Reuters ] Einige der Angeklagte­n sollen als IS-Kämpfer in Syrien aktiv gewesen sein.

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