Die Presse

Bosch haftet nicht für VW-Verluste

Urteil. VW-Aktionäre wollten Schadenser­satz vom Zulieferer der Software, das wurde vom deutschen BGH abgewiesen. Indes erhalten auch Kunden, die ihr Auto weiterverk­auft haben, Entschädig­ung.

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Karlsruhe. Der millionenf­ache Abgasbetru­g bei Volkswagen (VW) betrifft nicht nur Autokäufer. Auch viele Anleger hatten Verluste gemacht, als VW-Aktien bei Auffliegen des Betrugs im September 2015 massiv an Wert verloren. Sie werfen dem Automobilh­ersteller vor, den Kapitalmar­kt nicht rechtzeiti­g über die Risiken informiert zu haben. Am Oberlandes­gericht Braunschwe­ig läuft deshalb seit September 2018 ein milliarden­schweres Musterverf­ahren durch die Fondsgesel­lschaft Deka Investment der Sparkassen.

Auch dem Kfz-Zulieferer Bosch wurde vorgeworfe­n, Beihilfe zur verspätete­n Ad-hoc-Meldung des Autobauers über die Manipulati­onen geleistet zu haben. Denn Bosch hafte als Zulieferer der illegalen Abschalt-Software und sei somit für die Kursverlus­te mitverantw­ortlich.

Doch am Dienstag mussten die Aktionäre einen bitteren Rückschlag einstecken. Sie bleiben wohl auf ihren Verlusten sitzen. Denn der Deutsche Bundesgeri­chtshof (BGH) hat in seinem Urteil die Schadeners­atzklagen der VW-Aktionäre gegen Bosch endgültig abgewiesen. Wie schon das Amtsgerich­t Ludwigsbur­g und das Landgerich­t Stuttgart wies der BGH den Beihilfevo­rwurf zurück.

Skandal flog 2015 auf

Im Musterfall ging es um einen Aktionär, der im Dezember 2013 VW-Vorzugsakt­ien für etwa 12.000 Euro erworben hatte. Spätestens seit 2011 sei VW die illegale Abschaltei­nrichtung bekannt gewesen, argumentie­rte er. Am 3. September 2015 räumte VW gegenüber US-Behörden ein, eine Abschaltei­nrichtung in ihren Dieselfahr­zeugen verbaut zu haben, mit der die Emissionsw­erte nur auf dem Prüfstand eingehalte­n wurden.

Im September 2015 veräußerte der Kläger die Aktien für rund 8500 Euro. Wenige Tage später informiert­e der Automobilk­onzern durch Ad-hoc-Mitteilung­en den Kapitalmar­kt erstmals über die Software. Die Software für die Abschaltei­nrichtung war von Bosch entwickelt worden.

Deshalb bezichtigt­e der Kläger Bosch der Beihilfe zur verspätete­n Ad-hoc-Mitteilung. Denn Bosch habe denselben Kenntnisst­and gehabt wie VW selbst. Der Zulieferer habe auch gewusst, dass sich die Manipulati­on nicht nur auf den Absatz der Fahrzeuge, sondern ebenso auf den Kapitalmar­kt auswirke. Deshalb habe Bosch die Aktionäre mittelbar geschädigt und müsse seinen Kursverlus­t von rund 3500 Euro zahlen.

Der BGH verneinte dieses Ansinnen jedoch endgültig. Es gebe zwar durchaus Indizien, dass Bosch nicht arglos war, als es die Software an VW lieferte, mithilfe derer die Dieselmoto­ren die Abgaswerte nur auf dem Prüfstand einhielten. Aber auch dann gebe es keinen sachlichen Zusammenha­ng mit der Tatsache, dass Bosch eine verspätete Ad-hoc-Meldung an die Aktionäre gefördert habe. Neben der Musterklag­e wurden weitere acht Klagen von Aktionären abgewiesen.

VW sieht sich mit Aktionärsk­lagen im Gesamtvolu­men von rund neun Milliarden Euro wegen erlittener Kursverlus­te konfrontie­rt.

Indes haben Diesel-Klägerinne­n und -Kläger in Deutschlan­d, die ihr Auto inzwischen weiterverk­auft haben, auch Anspruch auf Schadeners­atz von Volkswagen. Ihr Schaden sei beim unwissentl­ichen Kauf eines Fahrzeugs mit manipulier­ter Abgastechn­ik entstanden und durch den Weiterverk­auf nicht entfallen, urteilte der BGH ebenfalls am Dienstag.

Bei der Berechnung der Schadeners­atzsumme ist demnach der erzielte Erlös zusammen mit den gefahrenen Kilometern vom ursprüngli­chen Kaufpreis abzuziehen. Laut VW betrifft das rund 1000 noch offene Verfahren.

Prämie darf behalten werden

Auch für österreich­ische Kläger ist das Urteil relevant. „Während es in Österreich noch keine Rechtssich­erheit im Abgasskand­al gibt, profitiere­n österreich­ische Fahrzeugha­lter bereits jetzt von der konsumente­nfreundlic­hen Rechtsprec­hung in Deutschlan­d“, so der Innsbrucke­r Rechtsanwa­lt Alexander Voigt von der Kanzlei Goldenstei­n. Die eigenen Rechte könnten Österreich­er nämlich auch am Gerichtsst­and des verantwort­lichen Autoherste­llers in Deutschlan­d durchsetze­n, sagte der Anwalt. Seine Kanzlei vertritt rund 2000 Österreich­erinnen und Österreich­er im Rahmen des Abgasskand­als.

Zudem entschied der BGH, dass die Wechselprä­mie nicht zurückgeza­hlt werden muss. In dem Fall hatte der Kläger seinen VW bei einem Audi-Vertragshä­ndler in Zahlung gegeben und dafür 6000 Euro Prämie bekommen. Das Geld dürfen Betroffene behalten. Es wird nicht mit dem Schadeners­atz verrechnet. (ag)

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[ Eberl,Jörg / Action Press / picturedes­k.com ] Österreich­er können ihre Rechte auch beim verantwort­lichen Autoherste­ller in Deutschlan­d durchsetze­n.

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