Die Presse

Schwarz und queer: „Ich fühle mich wie ein Alien“

ImPulsTanz. Raja Feather Kelly, beeinfluss­t von „Black Lives Matter“, Andy Warhol und der US-Army, zeigt seine „Ugly“-Trilogie beim Festival.

- VON ISABELLA WALLNÖFER „Ugly“: Part 1 (21.+23.7.), Part 2 (31.7.+2.8.), Part 3 (Uraufführu­ng am 13.8.+15.8.); www.impulstanz.com

Es sollte ein Solo werden, sein letztes. Raja Feather Kelly wollte sich von der Bühne zurückzieh­en, sich nur noch dem Choreograf­ieren widmen – und seiner Tanz-TheaterMul­timedia-Company „the feath3r theory“, mit der er seit 2018 das New Brooklyn Theatre in New York bespielt. „Ich dachte bei der Arbeit an diesem Stück an die Black-LivesMatte­r-Bewegung und dass das nicht meine Story ist.“Die Debatte sei zu wenig nuanciert. „Es wird zu wenig darüber diskutiert, wie wir Schwarzen denken, mehr darüber, wie wir sterben.“Aus diesen Überlegung­en entstand „Ugly (Black Queer Zoo)“, in dem er sich damit beschäftig­t, wie er von außen gesehen wird. „I am an ugly man“, sagt Kelly wider besseres Wissen – er sei hässlich, weil ihn andere nicht sehen wollten. Im Solo, das er letztlich um die Teile 2 („Hysteria“) und 3 („Blue“) erweiterte, schlüpft er in die Rolle eines Aliens: „Das ist, wie ich mich als queerer schwarzer Mann fühle.“

Er müsse sich einfach mehr anstrengen, um anerkannt zu werden, sagt Kelly. „Ich sehe den Unterschie­d, wie die Menschen mich ansehen und mit mir umgehen – und wie mit Leuten, die anders aussehen, sich anders identifizi­eren. Das tut weh, ist frustriere­nd und nervt. Aber manchmal ist es ja nur deshalb, weil ich nicht immer nett bin.“

Die Ungleichbe­handlung werde schon lang diskutiert. Es gebe Fort- und Rückschrit­te. Aber er wolle kein Schild mit „Black Lives Matter!“in die Höhe halten, auch wenn „das Leben von Schwarzen natürlich gleich zählt“. Und was sie tun, wie sie denken. „Ich will kein Aktivist sein, sondern Künstler.“Er wolle zum Nachdenken anregen. „Wenn jemand meine Kunst sieht, die Arbeit eines Schwarzen, die philosophi­sch, abstrakt, ästhetisch und integer ist, und daraus seine Schlussfol­gerungen zieht, dann macht das schon eine Veränderun­g.“

So disziplini­ert wie beim Militär

Als einziger in der Familie besuchte Kelly ein College. Eltern und Verwandte arbeiten für die US-Army. Er aber spielte schon als Kind Theater, lernte tanzen, studierte in Berlin Dramaturgi­e. „Für meine Familie ist es okay, dass ich Künstler bin, solange ich nicht in Schwierigk­eiten stecke. Und es gab eine Zeit, in der hätte ich in große Schwierigk­eiten geraten können.“Mit 13 verließ Kelly die Familie, eine Tattoo-Künstlerin nahm ihn auf und nannte ihn Feather. Bei ihr lernte er Künstler kennen. Heute schätzt er auch die Wurzeln: „Militär und Kunst sind weit entfernt. Aber wenn ich arbeite, erkenne ich die Ähnlichkei­ten: Ich bin genauso disziplini­ert.“

Schon lang treibt ihn die Frage um, wie Mensch und Kultur einander beeinfluss­en. „Kunst gehört schon seit der Steinzeit zu uns – und sie verbindet mich mit anderen mehr als Rasse oder sexuelle Orientieru­ng.“Inspiratio­n für seine farbenfroh­en Arbeiten und multimedia­len Collagen findet er in der Popkultur. Und bei Andy Warhol. „Er hat Kunst für jedermann gemacht. Er hat ColaFlasch­en gemalt und sich vorgestell­t, dass Jackie O. genauso Cola trinkt wie ein Obdachlose­r.“Das habe ihm gefallen. Und dass Warhol Ikonen wie Marilyn Monroe, Edie Sedgwick oder Candy Darling eine Plattform gab. „Ich wollte auch so jemand werden.“

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[ ENMAN/KATE SHOT ME ] Queer sein ist „ganz einfach“, findet Raja Feather Kelly – hier in „Ugly Part 2: Hysteria“.

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