Schwarz und queer: „Ich fühle mich wie ein Alien“
ImPulsTanz. Raja Feather Kelly, beeinflusst von „Black Lives Matter“, Andy Warhol und der US-Army, zeigt seine „Ugly“-Trilogie beim Festival.
Es sollte ein Solo werden, sein letztes. Raja Feather Kelly wollte sich von der Bühne zurückziehen, sich nur noch dem Choreografieren widmen – und seiner Tanz-TheaterMultimedia-Company „the feath3r theory“, mit der er seit 2018 das New Brooklyn Theatre in New York bespielt. „Ich dachte bei der Arbeit an diesem Stück an die Black-LivesMatter-Bewegung und dass das nicht meine Story ist.“Die Debatte sei zu wenig nuanciert. „Es wird zu wenig darüber diskutiert, wie wir Schwarzen denken, mehr darüber, wie wir sterben.“Aus diesen Überlegungen entstand „Ugly (Black Queer Zoo)“, in dem er sich damit beschäftigt, wie er von außen gesehen wird. „I am an ugly man“, sagt Kelly wider besseres Wissen – er sei hässlich, weil ihn andere nicht sehen wollten. Im Solo, das er letztlich um die Teile 2 („Hysteria“) und 3 („Blue“) erweiterte, schlüpft er in die Rolle eines Aliens: „Das ist, wie ich mich als queerer schwarzer Mann fühle.“
Er müsse sich einfach mehr anstrengen, um anerkannt zu werden, sagt Kelly. „Ich sehe den Unterschied, wie die Menschen mich ansehen und mit mir umgehen – und wie mit Leuten, die anders aussehen, sich anders identifizieren. Das tut weh, ist frustrierend und nervt. Aber manchmal ist es ja nur deshalb, weil ich nicht immer nett bin.“
Die Ungleichbehandlung werde schon lang diskutiert. Es gebe Fort- und Rückschritte. Aber er wolle kein Schild mit „Black Lives Matter!“in die Höhe halten, auch wenn „das Leben von Schwarzen natürlich gleich zählt“. Und was sie tun, wie sie denken. „Ich will kein Aktivist sein, sondern Künstler.“Er wolle zum Nachdenken anregen. „Wenn jemand meine Kunst sieht, die Arbeit eines Schwarzen, die philosophisch, abstrakt, ästhetisch und integer ist, und daraus seine Schlussfolgerungen zieht, dann macht das schon eine Veränderung.“
So diszipliniert wie beim Militär
Als einziger in der Familie besuchte Kelly ein College. Eltern und Verwandte arbeiten für die US-Army. Er aber spielte schon als Kind Theater, lernte tanzen, studierte in Berlin Dramaturgie. „Für meine Familie ist es okay, dass ich Künstler bin, solange ich nicht in Schwierigkeiten stecke. Und es gab eine Zeit, in der hätte ich in große Schwierigkeiten geraten können.“Mit 13 verließ Kelly die Familie, eine Tattoo-Künstlerin nahm ihn auf und nannte ihn Feather. Bei ihr lernte er Künstler kennen. Heute schätzt er auch die Wurzeln: „Militär und Kunst sind weit entfernt. Aber wenn ich arbeite, erkenne ich die Ähnlichkeiten: Ich bin genauso diszipliniert.“
Schon lang treibt ihn die Frage um, wie Mensch und Kultur einander beeinflussen. „Kunst gehört schon seit der Steinzeit zu uns – und sie verbindet mich mit anderen mehr als Rasse oder sexuelle Orientierung.“Inspiration für seine farbenfrohen Arbeiten und multimedialen Collagen findet er in der Popkultur. Und bei Andy Warhol. „Er hat Kunst für jedermann gemacht. Er hat ColaFlaschen gemalt und sich vorgestellt, dass Jackie O. genauso Cola trinkt wie ein Obdachloser.“Das habe ihm gefallen. Und dass Warhol Ikonen wie Marilyn Monroe, Edie Sedgwick oder Candy Darling eine Plattform gab. „Ich wollte auch so jemand werden.“