„Die Bands werden immer jünger“
Glatt & Verkehrt. Festivalleiter und Ö1-Journalist Albert Hosp über seine Planungen per Notizbuch und seine Zusammenarbeit mit dem unlängst verstorbenen Gründer Jo Aichinger.
Die Presse: Heuer steht die 25. Ausgabe von Glatt & Verkehrt an. Das Programm sieht auf den ersten Blick nicht spektakulär aus. Was genau war Ihr Plan?
Albert Hosp: Grob gesagt wollte ich allen Bands, denen ich im Vorjahr absagen musste, noch einmal die Möglichkeit geben, aufzutreten. Der Italien-Schwerpunkt reflektiert das. Dass Paolo Fresu dazugekommen ist, freut mich ganz besonders. Und natürlich Kollaborationen, die wir anregen, wie heuer jene zwischen Canzoniere Grecanico Salentino und Opas Diandl.
Was inspiriert Sie beim Programmieren? Beim ersten Glatt & Verkehrt-Festival bekam ich gerade mein erstes Handy. Noch ohne Internet. Damals musste man den Bands und Plattenfirmen faxen, um eine Promo zu kommen. Mittlerweile ist die Fülle an Musikern, unter denen man wählen kann, ungleich größer geworden. Im Grunde habe ich aber ein Notizbuch, in das ich das ganze Jahr über hineinschreibe.
Reagieren Sie beim Programmieren heute auf laute Forderungen nach Quoten für bestimmte Geschlechter und Gruppen? Die einzig wichtige Quote ist die, wie viele Besucher kommen. Ich muss nicht bewusst darauf achten, dass zum Beispiel 50 Prozent Frauen auftreten, das lässt sich sowieso nicht immer realisieren. Es mag allerdings an meiner Erziehung liegen, dass mir so etwas immer schon ein Anliegen war. In erster Linie aber geht es um lässige Konzerte.
Dass es Glatt & Verkehrt gibt, verdankt sich indirekt auch dem Radio, oder?
Das erste Festival verdankte sich tatsächlich einer Radioinitiative, weil die European Broadcasting Union einen Austragungsort für ihr Folkfestival suchte. Jo Aichinger hat mich damals angerufen und gesagt: Machen wir das doch gemeinsam in der Sandgrube 13. Damals kamen lauter Bands, die von den europäischen Radios ausgesucht waren, wir hatten kaum Einfluss. Ab 1998 machten wir ein eigenständiges Festival daraus. Programm war alles, was Tradition hat und neu gedacht wurde. Also ganz pure Sachen, aber auch Fusionen.
Was sagen Sie als langjähriger Mitarbeiter von Ö1 zum Verkauf des Funkhauses?
Es ist traurig. Allein, dass ein Pierre Boulez die paar Minuten vom Musikverein zum Funkhaus spazierte, um Gast einer Sendung zu sein, oder dass der 95-jährige Friedrich Cerha spontan vorbeischaut. Derlei wird am Küniglberg gewiss schwerer werden.
Das Publikum von Glatt & Verkehrt ist praktisch Ö1-Publikum, also eher reiferen Alters. Planen Sie Initiativen, jüngere Menschen zu locken?
Wie Alfred Brendel bei Auftritten sagt: „Ich blicke in einen Silbersee.“Es ist völlig legitim, ein Festival für Menschen über 50 auszurichten. Aber diese Frage kommt immer wieder. Ich denke mir, die Bands werden sowieso immer jünger. Und damit wird sich wohl auch der eine oder andere 30- oder 40-Jährige einfinden. Und eines ist auch klar: Es gibt Musik, auf die man erst später im Leben kommt. Das finde ich gut so.
Als der dieser Tage verstorbene Festivalgründer Jo Aichinger 2017 gehen musste, markierte das einen Bruch. Es wirkt seither lokaler. Wurde das Budget gekürzt? Nein, von der Statistik her haben wir nur wenig mehr heimische Ensembles als vorher. Ich finde, man muss den österreichischen Ideen Raum geben. Als ich mich damals um die alleinige Intendanz bewarb, schrieb ich: Glatt & Verkehrt braucht kein neues Konzept. Was stimmt, es wird mehr unplugged gespielt als früher. Die großen Acts waren oft nicht die gelungensten.
Wie erinnern Sie sich heute an Ihre Zusammenarbeit mit Aichinger?
Jo konnte mir manchmal schon den letzten Nerv ziehen. Und ich hab ihn mit meiner pedantischen Art zuweilen wohl auch an den Rand des Wahnsinns getrieben. Unser Tun hat sich aber immer ausgezahlt. Und es gab viele wunderschöne Momente.