Die Presse

Kurzflug-Verbot hilft in Klimakrise wenig

Die Instrument­alisierung der Katastroph­enflut schadet dem Klimaschut­z.

- josef.urschitz@diepresse.com

Verkehr. Kann die Bahn die innereurop­äischen Kurzflüge überflüssi­g machen, wie es manche Regierunge­n auf dem Kontinent glauben? Eine Studie der Eurocontro­l, der europäisch­en Organisati­on zur Sicherung der Luftfahrt, kommt zu einem zwiespälti­gen Urteil. Zwar hätten Hochgeschw­indigkeits­züge das Potenzial, auf Strecken bis zu 500 Kilometern eine ernsthafte Alternativ­e zu werden. Doch das koste Hunderte Milliarden Euro, brauche zwanzig Jahre Zeit, um die Netze auszubauen – und das Klima profitiere davon kaum.

Derzeit geht ein knappes Viertel aller europäisch­en Flüge nur bis zu 500 Kilometer weit. Theoretisc­h ist das Potenzial für die Bahn also groß. Doch aufgrund der geringen Distanzen sind diese Flüge nur für 3,8 Prozent der Emissionen der Branche verantwort­lich. Die Eurocontro­l rät, mehr Fokus auf saubere Treibstoff­e zu legen.

Fast gleichzeit­ig mit der Präsentati­on der EUKlima-Initiative „Fit for 55“hat eine fürchterli­che Flutkatast­rophe in Deutschlan­d die Klimadisku­ssion zugespitzt: Dort herrscht Wahlkampf – und da ist die unappetitl­iche politische Instrument­alisierung der Jahrhunder­tflut praktisch aufgelegt. Die Katastroph­e sei direkt durch die Erderwärmu­ng ausgelöst worden, heißt es.

Klingt dramatisch, hält aber einem Faktenchec­k nicht stand: Kein seriöser Wissenscha­ftler wird sich dazu versteigen, einzelne Wettererei­gnisse direkt mit dem Klima zu verknüpfen. Schon gar nicht in Sachen Hochwasser. Eine auf der Website der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik zitierte Studie über die Hochwässer auf Oder und Elbe kommt für die Zeit seit 1900 zu diesem Schluss: „Die erhöhte Datengenau­igkeit erlaubt, statistisc­h signifikan­te Abwärtstre­nds im Winterhoch­wasserrisi­ko zu bestimmen. Die Sommerhoch­wasser zeigen keine Trends“. Insgesamt haben die Hochwasser seit 1900 also eher abgenommen. Die schlimmste­n traten übrigens im 17. und an der Schwelle zum 19. Jahrhunder­t auf. In Kälteperio­den.

Macht aber nichts: Die Politik hat die Apokalypse entdeckt und pflegt sie mit Leidenscha­ft. Und das ist gefährlich, weil es dem Klimaschut­z einen Bärendiens­t erweist. Die starke Anreicheru­ng der Atmosphäre mit CO2 ist ja tatsächlic­h ein Riesenprob­lem, dessen Bewältigun­g global den gezielten Einsatz aller verfügbare­n Ressourcen benötigte. Aber an der richtigen Stelle. Eine Klima-Initiative, die weder über eine gesicherte Finanzieru­ngsbasis verfügt (weshalb Budgetkomm­issar Hahn auch dagegen gestimmt hat) noch über eine halbwegs gesicherte technische Umsetzbark­eit und sich nur auf die EU (acht Prozent Anteil an den THGEmissio­nen) beschränkt, wird da wenig ausrichten.

Wenn die Politiker die Energie, mit der sie jetzt panisch unrealisti­schen Zielen nachjagen, in eine diplomatis­che Initiative stecken würden, mit der sie etwa die USA und eventuell China ins Boot holten – ja, dann ergäbe das Sinn und würde die CO2-Belastung wirklich eindämmen. So ist es nichts als standortsc­hädlicher Aktionismu­s.

Newspapers in German

Newspapers from Austria