Ungarn sollen über LGBTQ-Gesetz abstimmen
Sexuelle Minderheiten. Nach scharfer Kritik der EU hat der ungarische Premier Orb´an ein Referendum über das umstrittene Gesetz angekündigt. Luxemburgs Außenminister stellt Ungarns Verbleib in der EU infrage.
Budapest/Wien. Der Streit zwischen Ungarn und der EU um die Rechte sexueller Minderheiten geht in eine neue Runde: Nach der scharfen Kritik der Union an Ungarns umstrittenem LGBTQ-Gesetz hat Premier Viktor Orban´ nun angekündigt, ein Referendum darüber abhalten zu wollen. In einem Video, das er auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte, rief er die Bevölkerung am Mittwoch dazu auf, das Gesetz zu unterstützen.
Die englische Abkürzung LGBTQ steht für die sexuellen Minderheiten lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer. Das Anfang Juli in Kraft getretene Gesetz verbietet Bücher, Zeitschriften, Videos und Filme für Kinder und Jugendliche unter 18, die nichtheterosexuelle Sexualität zeigen. Außerdem verschärft es die Strafen für pädophile Straftäter, womit Angehörige der LGTBQ-Minderheiten in die Nähe von Pädophilie gerückt werden. Offiziell spricht die Regierung von einem Verbot von „Werbung“für Homo- und Transsexualität, Ziel sei der Schutz von Minderjährigen.
Wegen des Gesetzes hat die EU jüngst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, auch Polen muss sich wegen „LGBTQ-freier Zonen“juristisch verantworten. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte das Gesetz „eine Schande“genannt: „Europa wird niemals zulassen, dass Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden: sei es wegen der Person, die sie lieben, wegen ihres Alters, ihrer politischen Meinung oder aufgrund ihres religiösen Glaubens.“Orban´ dagegen sieht eine „beispiellose Kampagne“der Union gegen sein Land und inszeniert sich als Beschützer konservativer Werte. Das Gesetz zurückzunehmen, hat er abgelehnt.
Fünf Fragen statt Ja oder Nein
Das nun geplante Referendum wird keine Ja-oder-Nein-Abstimmung. Vielmehr soll es Orban´ zufolge fünf Fragen umfassen, die sich auf den Inhalt des Gesetzes beziehen und die von der Regierung festgelegt werden: Ob die Ungarn dafür seien, dass Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern sexuell aufgeklärt werden. Ob bei Kindern für Geschlechtsumwandlungen geworben werden dürfe. Ob bei Kindern Geschlechtsumwandlungen vorgenommen werden dürfen. Ob Kinder Zugang zu Medienberichten erhalten sollen, die ihre sexuelle Entwicklung beeinflussen können. Ob Kinder Zugang zu Medienberichten über Geschlechtsumwandlungen haben sollen.
Vonseiten der ungarischen Opposition wurden die Pläne für ein Referendum scharf kritisiert. Die rechtsradikale Jobbik-Partei sieht den Schritt als Ablenkungsmanöver vom ungarischen Pegasus-Abhörskandal gegen Regierungsgegner. Der Chef der Momentum-Partei, Andras´ Fekete-Györ, rief zum Boykott des Referendums auf.
Eine andere Volksbefragung brachte dagegen Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn im „Spiegel“ins Spiel: eine über den Verbleib Ungarns in der Europäischen Union. „Man sollte in der EU ein Referendum darüber abhalten, ob man Orban´ in der EU noch tolerieren will“, sagte er dem Blatt am Mittwoch. Er sei davon überzeugt, dass das Ergebnis ein klares Nein wäre. Zwar gebe es das Instrument EU-weiter Volksabstimmungen bisher nicht – man sollte aber darüber nachdenken, es einzuführen. (ag./raa)