Sterbehilfe: Worüber die Politik entscheiden kann
Strafrecht. Die ÖVP will die Linien bei der Neufassung der Sterbehilfe eng ziehen. Ein Werbeverbot und eine Verfassungsregel werden verlangt. Aber in welchen Grenzen kann sich die Koalition nach dem VfGH-Erkenntnis bewegen?
Wien. Bis Jahresende muss die Politik nach einer Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) die Sterbehilfe neu regeln. Die ÖVP drängte in den vergangenen Tagen aber merklich darauf, das Tor zur Sterbehilfe nicht zu weit zu öffnen. Von einer Absicherung von Regeln in der Verfassung ist ebenso die Rede wie von einem Werbeverbot. Doch wie sind diese Äußerungen einzustufen und wie viel Spielraum hat der Gesetzgeber hier?
Der VfGH hat im Vorjahr entschieden, dass es ab 2022 erlaubt sein muss, die Hilfe Dritter für einen Suizid in Anspruch zu nehmen. Es geht um § 78 des Strafgesetzbuchs. „Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen“, heißt es darin. Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“wurde vom
VfGH gekippt. Er setzte aber eine Frist bis Ende 2021, bevor das gilt. Das machten die Richter, um der Politik die Chance zu geben, das Gesetz zuvor neu zu formulieren. Und die Voraussetzungen zu regeln, unter denen die Hilfe zum Suizid erlaubt wird. Passiert politisch hingegen nichts, würde jede Hilfeleistung dazu straffrei werden.
Im Zuge der Debatte sprach sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) jüngst dafür aus, auch eine Regelung auf Verfassungsebene zu finden. „Gerade die Frage nach der aktiven Sterbehilfe muss mit Sicherheit in die Verfassung aufgenommen werden“, meinte er. Die aktive Sterbehilfe (jemand tötet den Sterbewilligen) hat der VfGH jedoch gar nicht erlaubt, sondern nur die Mithilfe (etwa, dass man einem Sterbewilligen eine tödliche Tablette besorgt). Wenn aber etwas in der Verfassung steht, könnten es die VfGHRichter auch in Zukunft in einer etwaigen neuen Entscheidung nicht kippen. So, wie man per Verfassungsbestimmung auch entgegen der nunmehrigen Richtervorgabe jede Art der Sterbehilfe weiter verbieten könnte. Dafür bräuchte man aber die Hilfe der Opposition.
Zadic:´ VfGH-Vorgabe umsetzen
Im grün geführten Justizministerium, in dem man gerade an der Neuregelung arbeitet, ist so etwas nicht angedacht. Ziel sei vielmehr, „das VfGH-Erkenntnis verfassungskonform umzusetzen und somit dem Auftrag des VfGH an den Gesetzgeber nachzukommen“, hieß es am Mittwoch aus dem Kabinett von Ministerin Alma Zadic´ zur „Presse“. Sobotkas Vorstoß, die aktive Sterbehilfe im Verfassungsrang abzusichern, sei dabei kein Thema, weil diese nicht vom VfGH-Erkenntnis umfasst sei.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) wiederum forderte enge Grenzen bei der
Sterbehilfe. Kein Arzt solle gezwungen werden dürfen, die Sterbehilfe durchzuführen. Überdies müsse der ernste Wille des Betroffenen, aus dem Leben scheiden zu wollen, dokumentiert werden. Und es solle ein Werbeverbot geben. „Ich will nicht, dass mit dem Tod geworben wird, ich will auch nicht, dass mit dem Tod ein Geschäft gemacht wird“, sagte Edtstadler.
Doch könnte man auch hierbei an verfassungsrechtliche Grenzen stößen. So kippte das deutsche Bundesverfassungsgericht im Vorjahr das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Denn dieses habe es Sterbewilligen faktisch unmöglich gemacht, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.
Details, wie die neue Regelung aussehen soll, will man im Justizministerium noch nicht nennen. Aber man werde den Plan rechtzeitig vorlegen, sodass vor Inkrafttreten noch Raum für eine breite öffentliche Debatte bleibe.