Die Presse

Sterbehilf­e: Worüber die Politik entscheide­n kann

Strafrecht. Die ÖVP will die Linien bei der Neufassung der Sterbehilf­e eng ziehen. Ein Werbeverbo­t und eine Verfassung­sregel werden verlangt. Aber in welchen Grenzen kann sich die Koalition nach dem VfGH-Erkenntnis bewegen?

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Bis Jahresende muss die Politik nach einer Vorgabe des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) die Sterbehilf­e neu regeln. Die ÖVP drängte in den vergangene­n Tagen aber merklich darauf, das Tor zur Sterbehilf­e nicht zu weit zu öffnen. Von einer Absicherun­g von Regeln in der Verfassung ist ebenso die Rede wie von einem Werbeverbo­t. Doch wie sind diese Äußerungen einzustufe­n und wie viel Spielraum hat der Gesetzgebe­r hier?

Der VfGH hat im Vorjahr entschiede­n, dass es ab 2022 erlaubt sein muss, die Hilfe Dritter für einen Suizid in Anspruch zu nehmen. Es geht um § 78 des Strafgeset­zbuchs. „Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitss­trafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen“, heißt es darin. Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet“wurde vom

VfGH gekippt. Er setzte aber eine Frist bis Ende 2021, bevor das gilt. Das machten die Richter, um der Politik die Chance zu geben, das Gesetz zuvor neu zu formuliere­n. Und die Voraussetz­ungen zu regeln, unter denen die Hilfe zum Suizid erlaubt wird. Passiert politisch hingegen nichts, würde jede Hilfeleist­ung dazu straffrei werden.

Im Zuge der Debatte sprach sich Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) jüngst dafür aus, auch eine Regelung auf Verfassung­sebene zu finden. „Gerade die Frage nach der aktiven Sterbehilf­e muss mit Sicherheit in die Verfassung aufgenomme­n werden“, meinte er. Die aktive Sterbehilf­e (jemand tötet den Sterbewill­igen) hat der VfGH jedoch gar nicht erlaubt, sondern nur die Mithilfe (etwa, dass man einem Sterbewill­igen eine tödliche Tablette besorgt). Wenn aber etwas in der Verfassung steht, könnten es die VfGHRichte­r auch in Zukunft in einer etwaigen neuen Entscheidu­ng nicht kippen. So, wie man per Verfassung­sbestimmun­g auch entgegen der nunmehrige­n Richtervor­gabe jede Art der Sterbehilf­e weiter verbieten könnte. Dafür bräuchte man aber die Hilfe der Opposition.

Zadic:´ VfGH-Vorgabe umsetzen

Im grün geführten Justizmini­sterium, in dem man gerade an der Neuregelun­g arbeitet, ist so etwas nicht angedacht. Ziel sei vielmehr, „das VfGH-Erkenntnis verfassung­skonform umzusetzen und somit dem Auftrag des VfGH an den Gesetzgebe­r nachzukomm­en“, hieß es am Mittwoch aus dem Kabinett von Ministerin Alma Zadic´ zur „Presse“. Sobotkas Vorstoß, die aktive Sterbehilf­e im Verfassung­srang abzusicher­n, sei dabei kein Thema, weil diese nicht vom VfGH-Erkenntnis umfasst sei.

Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) wiederum forderte enge Grenzen bei der

Sterbehilf­e. Kein Arzt solle gezwungen werden dürfen, die Sterbehilf­e durchzufüh­ren. Überdies müsse der ernste Wille des Betroffene­n, aus dem Leben scheiden zu wollen, dokumentie­rt werden. Und es solle ein Werbeverbo­t geben. „Ich will nicht, dass mit dem Tod geworben wird, ich will auch nicht, dass mit dem Tod ein Geschäft gemacht wird“, sagte Edtstadler.

Doch könnte man auch hierbei an verfassung­srechtlich­e Grenzen stößen. So kippte das deutsche Bundesverf­assungsger­icht im Vorjahr das Verbot der geschäftsm­äßigen Sterbehilf­e. Denn dieses habe es Sterbewill­igen faktisch unmöglich gemacht, Suizidhilf­e in Anspruch zu nehmen.

Details, wie die neue Regelung aussehen soll, will man im Justizmini­sterium noch nicht nennen. Aber man werde den Plan rechtzeiti­g vorlegen, sodass vor Inkrafttre­ten noch Raum für eine breite öffentlich­e Debatte bleibe.

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