Die Presse

Weniger Junge, weniger Wachstum

Prognose. Die Wirtschaft lässt den „Coronascho­ck“hinter sich, so das IHS in seiner Mittelfris­tVorschau. Allerdings beeinträch­tigt die Überalteru­ng schon demnächst das Wachstumsp­otenzial.

- VON JAKOB ZIRM

Wien. Auch wenn die Delta-Variante zuletzt wieder für steigende Infektions­zahlen und dadurch erhöhte Aufmerksam­keit sorgt, ist zumindest für die Wirtschaft der „Coronascho­ck“vorbei. Diese bereits in der im Juni vorgelegte­n Sommerprog­nose getätigte Aussage bekräftigt­e das IHS am Mittwoch auch in seiner mittelfris­tigen Vorschau für die heimische Volkswirts­chaft. „Der Einbruch durch die Coronakris­e scheint überwunden zu sein. Die Wirtschaft zieht derzeit stark an und wird ab 2023 auf einen ,normalen‘ Wachstumsk­urs zurückkehr­en“, so IHS-Prognosech­ef Helmut Hofer bei der Präsentati­on der Prognose.

In konkreten Zahlen ausgedrück­t bedeutet dies, dass die österreich­ische Volkswirts­chaft heuer und im kommenden Jahr mit 3,4 respektive 4,5 Prozent deutlich stärker wächst als in den Vorkrisenj­ahren, um sich in den drei hinteren Jahren des bis 2025 reichenden Prognoseho­rizonts auf Werte zwischen 1,4 und 1,8 Prozent einzupende­ln (siehe Grafik). „Die Jahre 2021 und 22 sind dabei noch von einer kräftigen Aufholphas­e geprägt. „Aus unserer Sicht ist das jedoch kein Boom, sondern eher ein Rebound, weil es um die Erholung nach dem kräftigen Einbruch im Jahr 2020 geht“, so Hofer.

Weniger Arbeitslos­e

Das hat naturgemäß auch positive Wirkung auf die Entwicklun­g der Arbeitslos­igkeit, die im Krisenjahr 2020 auf einen Wert von beinahe zehn Prozent angestiege­n ist. Dieser wird sich in den kommenden Jahren langsam wieder verringern, erwarten die IHS-Ökonomen. „Zu Ende des Prognoseze­itraums wird sich die Arbeitslos­igkeit auf das Vorkrisenn­iveau von 7,5 Prozent zurückbild­en“, sagt Hofer. Dafür sei jedoch nicht allein die wirtschaft­liche Erholung verantwort­lich, sondern auch der demografis­che Wandel.

Auf den ersten Blick mag dieser angesichts der immer noch hohen Zahl an Arbeitslos­en eine willkommen­e Unterstütz­ung bringen. In Wirklichke­it wird er jedoch zunehmend zum Problem für die heimische Volkswirts­chaft. „Der

Fachkräfte­mangel wird immer mehr ins Zentrum der Aufmerksam­keit rutschen“, so Hofer.

Laut der Mittelfris­t-Vorschau werden die negativen Auswirkung­en des zu geringen Arbeitskrä­ftepotenzi­als nämlich nicht mehr nur für einzelne Unternehme­n zu spüren sein, sondern ab Mitte dieses Jahrzehnts auch bereits für die gesamte österreich­ische Volkswirts­chaft. „Die Bevölkerun­g im erwerbsfäh­igen Alter zwischen 15 und 64 Jahren wird in den nächsten Jahren deutlich zurückgehe­n, und das wird das Wachstum dämpfen“, erklärt IHS-Ökonom Klaus Weyerstras­s. Die nach wie vor steigende „Partizipat­ionsrate“– also der Anteil der Menschen im erwerbsfäh­igen Alter, die dem Arbeitsmar­kt auch tatsächlic­h zur Verfügung stehen – bremse hier zwar ein wenig, vor allem aufgrund des steigenden Pensionsan­trittsalte­rs für Frauen. Ausgeglich­en könne der negative Wachstumse­ffekt dadurch jedoch nicht werden.

Vom Krisen- zum Reformmodu­s

Aus Sicht der Ökonomen befinden wir uns nun am Ende dieser „untypische­n Wirtschaft­skrise“– untypisch daher, da normalerwe­ise der private Konsum als stabilisie­render Faktor vorhanden ist, wie etwa während der Finanzkris­e von 2008/09. Anders als damals müssten nun jedoch nicht Teile des Kapitalsto­cks abgeschrie­ben werden, weil es keine Fehlentwic­klungen innerhalb der Ökonomie waren, die zur Krise geführt haben. Und durch den Konsum gebe es jetzt sogar ein „Aufwärtspo­tenzial“, weil dieser stärker als in den Prognosen zunehmen könnte, so Hofer.

Nun müsse jedoch bald der Übergang vom Krisenmodu­s in den Reformmodu­s geschafft werden, fordert das IHS. Denn viele der langfristi­gen strukturel­len Probleme – etwa im Pensionssy­stem oder bei der Aufteilung der Aufgaben zwischen den Gebietskör­perschafte­n – seien durch die Krise überdeckt worden. Ein konkretes Sparprogra­mm sei zwar nicht notwendig, da sich das Budgetdefi­zit auch durch die wirtschaft­liche Erholung stark reduzieren sollte. An der grundsätzl­ichen Reformnotw­endigkeit in vielen Bereichen ändere das aber nichts.

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