Wie Aufsichtsräte jetzt gefordert sind
Krisenfeuerwehr. In Extremsituationen verändert sich die Rolle des Aufsichtsrats. Aber was wird ihm konkret abverlangt?
wien. Wie können Unternehmen die Folgen der Pandemie überwinden? Darum dreht sich jetzt in der Wirtschaft fast alles. Auch beim 11. Österreichischen Aufsichtsratstag stand dieses Thema im Mittelpunkt – naturgemäß aus dem Blickwinkel der Aufsichtsräte. Welchen Beitrag können sie zum Aufschwung nach der Krise leisten, lautete die Frage, über die Experten aus Vorständen und Aufsichtsräten mit über 300 Tagungsteilnehmern diskutierten.
Diese Frage stellte die „Presse“nun auch an Susanne Kalss, WU-Professorin, Leiterin des Instituts für Unternehmensrecht und Ko-Initiatorin des Aufsichtsratstags. Und ja, auch sie ortet in Extremsituationen eine etwas andere Rollenverteilung als sonst. „Die Rolle des Aufsichtsrats wird intensiver“, sagt Kalss. Noch mehr als sonst seien Aufsichtsräte dann gefordert, den Vorstand bzw. die Geschäftsführung bei ihren Entscheidungen zu unterstützen, und zwar „nach innen und nach außen“. Egal ob es um die Policy fürs Impfen und Testen gehe oder um neue Märkte: „Man muss mögliche Szenarien überlegen und diskutieren.“Zum Entscheiden ermutigen und gefasste Entschlüsse dann auch mittragen: „Vorstand und Aufsichtsrat müssen mit einer Stimme sprechen.“Selbst wenn trotz aller gebotenen Sorgfalt etwas schief geht, gelte es klar zu signalisieren, dass man hinter der Geschäftsleitung steht.
Keine Rollenvermischung
Allein schon weil es in einer Krise häufiger um existenzielle Fragen für das Unternehmen geht, sind Aufsichtsräte stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden, agieren sozusagen näher am operativen Geschäft. Was freilich nicht heißt, dass der Aufsichtsrat zu einer Art „Schattengeschäftsführung“werden soll. „Es darf keine Rollenvermischung geben“, sagt Kalss. Die Rolle des Aufsichtsrats umschreibt sie als „intern unterstützend, kritisch kontrollierend, begleitend“. Und das bleibe auch in der Krise so.
Und wie gut sind Aufsichtsräte für ihre Aufgaben gerüstet? Anders als noch vor einigen Jahren, steht ihre fachliche Kompetenz kaum mehr infrage. Verbesserungsbedarf gibt es teilweise jedoch bei der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit – gegenüber der Geschäftsleitung, aber auch innerhalb des eigenen Gremiums. Was gleich zu einem weiteren Thema führt – dem Umgang mit Interessenkonflikten.
Die in Österreich vorherrschende Unternehmensstruktur macht das nicht einfacher: nur wenige reine Publikumsgesellschaften, dafür viele Familienunternehmen, börsenotierte Unternehmen mit Kernaktionären und öffentliche Unternehmen, die eines gemeinsam haben: ein starkes Eigentümerinteresse. Und dieses muss sich nicht immer mit dem Unternehmensinteresse decken – etwa, wenn es um Dividenden geht. Solche Erwartungshaltungen sind jedoch nicht unwesentlich, letztlich handelt es sich bei diesen Gesellschaftern auch um potenzielle Investoren für die Zukunft.
Deutlich erhöht hat sich übrigens die Diversität in heimischen Aufsichtsräten: So hat sich laut Studienergebnissen der Frauenanteil in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt verdoppelt. Es gehe hier aber auch um andere Aspekte, sagt Kalss – die Einbindung junger Menschen und mehr Internationalität. Dabei braucht es für echte Diversität sogar jeweils mindestens zwei Mitglieder aus jeder relevanten Gruppe. „Nur dann kann niemand isoliert werden.“(cka)