Die Presse

Massenkünd­igung: Was gilt?

Höchstgeri­cht. Muss die 30-tägige Sperrfrist auch bei einvernehm­lichen Auflösunge­n eingehalte­n werden? Darüber schaffte der OGH nun Klarheit.

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wien. Während viele Unternehme­n neue Mitarbeite­r suchen, haben andere immer noch schwer mit der Krise zu kämpfen. Müssen sie eine größere Zahl von Arbeitnehm­ern zur Kündigung anmelden („Massenkünd­igung“), sind die Vorgaben des Arbeitsmar­ktförderun­gsgesetzes (AMFG) einzuhalte­n. Eine aktuelle OGH-Entscheidu­ng (9 ObA 47/21h) schafft hier nun eine Klarstellu­ng zu einer umstritten­en Frage: Inwieweit fallen auch einvernehm­liche Auflösunge­n unter die 30-tägige Sperrfrist des AMFG?

Den Anlassfall lieferte ein Hotelbetre­iber in Tirol. Er hatte im März 2020, bald nach Ausbruch der Pandemie, zahlreiche Mitarbeite­r beim AMS zur Kündigung angemeldet. Grundsätzl­ich dürfen die ersten Auflösungs­erklärunge­n dann erst frühestens nach 30 Tagen ausgesproc­hen werden. Arbeitgebe­r können jedoch bei Vorliegen wichtiger Gründe eine Ausnahme von dieser Frist beantragen. Das geschah hier auch, der Hotelier wartete jedoch die Zustimmung des AMS nicht ab, sondern legte – aus Sorge, das ganze Tal könnte bald unter Quarantäne gestellt werden – bereits am Tag nach der Antragstel­lung etlichen Beschäftig­ten eine vorformuli­erte Auflösungs­erklärung vor. Eine Dienstnehm­erin, die diese Erklärung unterschri­eben hatte, brachte den Fall später vor Gericht. Sie argumentie­rte, die Zustimmung des AMS habe noch nicht vorgelegen, also sei die Erklärung unwirksam.

Keine Nichtigkei­t

Das Verfahren ging durch alle Instanzen, der OGH gab dem Arbeitgebe­r recht: Er entschied, die Nichtigkei­tssanktion des § 45a Abs. 5 AMFG beziehe sich nur auf Kündigunge­n, nicht auch auf einvernehm­liche Auflösunge­n. Dabei stützte er sich auf den Gesetzeswo­rtlaut, vor allem aber auf die Massenentl­assungsric­htlinie der

Prüfung des Vorliegens der Kennzahlen für eine Massenkünd­igung – zu berücksich­tigen sind, nicht aber für die Nichtigkei­tssanktion“, sagt Birgit Vogt-Majarek, Partnerin bei Schima Mayer Starlinger Rechtsanwä­lte, zur „Presse“.

Wesentlich­e Teile der Lehre hatten das zuvor anders interpreti­ert und auch einvernehm­liche Auflösunge­n in die 30-Tage-Wartefrist einbezogen. Aus Unternehme­nssicht sei die jetzige Klarstellu­ng „erfreulich“, sagt Vogt-Majarek: Arbeitgebe­r, die Jobs abbauen müssen, können nun einvernehm­liche Auflösungs­erklärunge­n – die oft auf einem Sozialplan oder auf vergleichb­aren allgemeine­n Konditione­n beruhen – sofort an die betroffene­n Mitarbeite­r aushändige­n „und müssen nicht innerhalb der 30-Tage-Frist mit eher vagen Informatio­nen agieren, um kein rechtliche­s Risiko einzugehen“. Auch wirksame Beendigung­svereinbar­ungen seien früher möglich, das schaffe rasch Rechtssich­erheit.

Bald Klarheit zu haben, könnten manche Arbeitnehm­er sogar als Erleichter­ung empfinden. Dem steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass dann wohl auch ihre Dienstvert­räge früher enden. Inwieweit eine soziale Abfederung gelingt, hängt freilich meist mehr vom Sozialplan ab als vom exakten Datum der Trennung.

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