Die Presse

Wenn Schocknach­richten die Reiselust vergällen

Vertragsrü­cktritt. Was gilt, wenn ein Vorfall bekannt wird, durch den man das Vertrauen in den Reiseveran­stalter verliert?

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wien. Endlich wieder Urlaub weit weg von Balkonien. Der Wunsch danach ist übermächti­g. Und selbst wer jetzt noch zuwartet, hat vielleicht schon für den Winter eine Reise gebucht. Oder fürs Frühjahr 2022. Diese wieder zu stornieren, daran mag man dann nicht einmal denken.

Und doch können Dinge passieren, die einem die Reiselust nachhaltig vermiesen. Und da geht es nicht nur um Covid. Ein trauriges Extrembeis­piel sind die kürzlich bekannt gewordenen Vorfälle bei einer Maturareis­e in Kroatien – dort soll es zu sexuellen Übergriffe­n gekommen sein. Die Polizei ermittelt. Der Veranstalt­er X-Jam agiert nun durchaus profession­ell: Er kommunizie­rt offen, unterstütz­t die Ermittlung­en, hat Entlassung­en ausgesproc­hen, entwickelt ein neues Sicherheit­skonzept. Trotzdem dürften viele, die schon fürs kommende Jahr dort eine Reise gebucht haben, nun über ein Storno nachdenken. Aber muss man dann

Stornogebü­hren zahlen? Und was gilt bei anderen Problemen, die erst nach der Buchung einer Reise bekannt werden – von schweren Hygienemän­geln im Hotel oder am Strand bis zu gesperrten Freizeitei­nrichtunge­n am Urlaubsort? Ein rechtlich heikler Aspekt dabei, wenn der Reiseantri­tt nicht unmittelba­r bevorsteht: Inwieweit muss man dem Anbieter vertrauen, dass er das Problem bis dahin in den Griff bekommt?

Rechtliche Grauzone

„Die Presse“fragte Konsumente­nschützer, und die Antworten machen deutlich: Jeder Einzelfall ist gesondert zu beurteilen, und man bewegt sich teils in einer rechtliche­n Grauzone. „Ich meine, wenn ein Unternehme­n Security versproche­n hat und dann 40 Übergriffe passieren, kann man argumentie­ren, dass man das Vertrauen verloren hat“, sagt Peter Kolba, Obmann des Verbrauche­rschutzver­eins (VSV). VKI-Juristin Beate

Gelbmann beurteilt diesen Extremfall ähnlich. Aber: Die sprichwört­liche „gemähte Wiese“sei es nicht. Vor allem, weil es kaum Rechtsprec­hung dazu gibt.

Die vorhandene Judikatur bezieht sich auf Fälle des „Wegfalls der Geschäftsg­rundlage“. Grundsätzl­ich bejaht wurde das vor allem im Zusammenha­ng mit Naturkatas­trophen, etwa einem Vulkanausb­ruch, oder bei Terrorakte­n am Urlaubsort. Und zuletzt auch wegen Covid, wenn man die Reise noch vor dem Ausbruch der Pandemie gebucht hatte. Die Gerichte urteilen hier aber sehr restriktiv. „Und die Rechtsprec­hung besagt auch, dass man zuwarten muss, wie sich die Situation bis zum Reiseantri­tt entwickelt“, sagt Gelbmann. Die Frage sei dann freilich, inwieweit man als Konsument überhaupt in der Lage ist, das zu überprüfen.

Regeln für Pauschalre­isen

Bei Pauschalre­isen gelten zudem eigene Regeln. Auch nach dem Pauschalre­isegesetz „müsste man wohl bis vor Reiseantri­tt zuwarten“, sagt Kolba. „Aber das passt hier nicht.“Denn ob es – um beim Extrembeis­piel zu bleiben – mit der Security dann klappt, „das weiß man vor der Abreise auch nicht“. Kolba vergleicht solche Fälle daher eher mit einem Werkvertra­g, „bei dem ich den Vertragspa­rtner auch nicht mit einer Verbesseru­ng beauftrage­n muss, wenn er deutlich bewiesen hat, dass er seine Leistung nicht erbringen kann“.

Ob das so ist, hängt dann aber doch wieder von den Umständen des Einzelfall­s ab. Für Reiseveran­stalter könnte es sich im Zweifel freilich lohnen, bei den Stornobedi­ngungen von sich aus kulant zu sein. Auch das fällt unter vertrauens­bildende Maßnahmen. (cka)

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[ APA/AFP/Louisa Gouliamaki ] Sonne, Strand und Meer – wer wünscht sich das jetzt nicht? Aber was gilt, wenn eine Schocknach­richt die Freude verdirbt?

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