Lernen von dem, was das Kulturforum Moskau einmal war
Die Besetzung der österreichischen Kulturforen mit Leuten aus der Kulturszene sollte Teil der kommenden „Kulturstrategie“des Landes sein. Simon Mraz war als externer Leiter eines Kulturforums die Ausnahme der Regel.
Es ist ein zugegeben etwas einfältiges Ritual, mit dem ich neue Leiterinnen und Leiter österreichischer Kulturforen begrüße: Ich suche ihre Namen auf Facebook oder Instagram, den virtuellen Orten, an denen die Kunstszene sich nun einmal vernetzt. Böse oder nicht, so ist es.
Zuletzt tat ich das mit dem neuen Leiter des Moskauer Kulturforums. Vier gemeinsame Freunde, Künstler ist keiner darunter. Vielleicht steht der diplomatische Dienst dem Protokoll dieser neuartigen Empfangssäle prinzipiell skeptisch gegenüber. Jedenfalls ist auffällig, dass hier diese einfachste Form der Kontaktaufnahme mit der Kunst- und Kulturszene selten genutzt wird. Noch dazu, da den einzelnen, meist recht unbeleckt wirkenden Leitern dazu nur wenige Jahre zur Verfügung stehen. Ein ziemlich teures privates Weiterbildungsprogramm.
Warum ich nach Russland sah? Weil die Ausnahme der Regel, Simon Mraz, nach zwölf Jahren erfolgreicher Leitung des Kulturforums Moskau zurückgekehrt ist. Er ist kein Diplomat, er arbeitete im Dorotheum und kam wie durch ein Wunder als Externer in diese Position, die er mit Vehemenz und Herzblut füllte, die zumindest in Ansätzen Vorbild sein könnte.
Mraz organisierte Ausstellungen bei sich zu Hause, große, verwegene Gruppenausstellungen mit österreichischen und russischen Künstlern an irrealen Orten wie dem Atomeisbrecher „Lenin“, in der schwierigen Moskauer Peripherie oder bei der Biennale in Novosibirsk.
Bei 100 gemeinsamen Freunden auf Facebook habe ich bei ihm also zu zählen aufgehört. Habe ihn angerufen und einen ersten gemeinsamen Kaffee in Wien mit ihm vereinbart. Bewundernswert diplomatisch hielt er sich zurück mit Kritik am fragwürdigen Besetzungssystem der Kulturforen, das – hier stand das schon öfters – endlich professionalisiert gehört. Was wesentlicher Teil einer Kulturstrategie für Österreich sein sollte, die laut Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer gerade erstellt werden soll.
Mraz möchte lieber über seine neuen Projekte reden: Er schreibt ein
Buch über die freie russische Kunstszene, die er kennt wie wohl kein anderer im deutschsprachigen Raum. Und er betreut die erste offene „Ausschreibung“der „Sektion für internationale Kulturangelegenheiten“für österreichische Künstler: Noch bis 31. August werden spezifische Projekte für die 23 Kulturforen, von New York bis Belgrad, von Tel Aviv bis Tokio, zum Thema Umbruch in Gesellschaft und Ökologie gesucht (www.ontheroadcall.at). 2023 können auch wir in Wien sehen, was aus Österreich in die Welt ging: Da finden alle Projekte im Künstlerhaus zueinander.
Mehr davon. Viel mehr. Vor allem viel mehr ungewöhnliche Menschen wie Mraz in unsere Kulturforen.
E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com