Die Presse

Bulgarien droht die dritte Parlaments­wahl

Krise. Protestpar­teien können sich auf keine Koalition einigen, der designiert­e Premier, der Entertaine­r Slawi Trifonow, brüskiert seine möglichen Partner: Erst hat er ein Schattenka­binett gebildet, nun spricht er sich gegen eine Kooperatio­n aus.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Sofia. Bulgarien schlittert bereits kurz nach der Wahl am 11. Juli in die nächste Krise. „Hoffnungst­räger“Slawi Trifonow wird zum Buhmann. Sogar seine möglichen Partner werfen dem Chef der populistis­chen Partei Es gibt so ein Volk (ITN) eine Facebook-Demokratie und eine Friss-oder-StirbStrat­egie vor. Einige wittern bei dem Entertaine­r, der fast nur über seinen eigenen TVKanal und Facebook kommunizie­rt, bereits ähnlich autoritäre Tendenzen wie bei ExPremier Bojko Borissow von der rechtspopu­listischen Gerb-Partei.

Die Ähnlichkei­ten zwischen Borissow und Trifonow seien „verblüffen­d“, meint Nikolai Hadschigen­ow von der linkspopul­istischen Protestpar­tei Aufstehen. Die Bulgaren hätten nicht für in Hinterzimm­ern getroffene „Einmann-Entscheidu­ngen“und „unklare

Interessen“gestimmt, sagt Hristo Iwanow von der liberalen Protestpar­tei DB: Eine Person mit einem Viertel der Abgeordnet­en können nicht die politische­n Entscheidu­ngen diktieren. Grund für die Verstimmun­g der kleineren Protestpar­teien: Ohne jegliche Konsultati­on hat Trifonow nach der von seiner ITN mit 24 Prozent der Stimmen gewonnenen Parlaments­wahl erst ein Schattenka­binett vorgestell­t – und dieses nach heftiger Kritik wieder verworfen. Seine ITN werde „bald“ein neue Regierung präsentier­en, sagt er. Die in die Opposition verbannte Gerb spottet indes über die „erste Regierung, die schon vor Antritt abgetreten ist“.

Unklarer Weg zum Ziel

Schon nach der Wahl im April hatten fehlende Mehrheiten einen neuen Urnengang im Juli nötig gemacht. Die Wahlwieder­holung hat den Willen der Bulgaren nach Veränderun­g zwar bestätigt. Doch der Weg zum Ziel bleibt unklar: Dem gebeutelte­n Balkanstaa­t droht die dritte Parlaments­wahl des Jahres. „Die Bulgaren haben eine neue Partei gewählt, aber mehr vom Altbekannt­en erhalten“, titelt die Agentur Balkan-Insight.

Die logische Lösung wäre eine Minderheit­sregierung der drei Protestpar­teien ITN, DB und Aufstehen mit Tolerierun­g der sozialists­chen BSP, auch wenn Letztere eher für die vertraute Klientelwi­rtschaft steht. Doch überrasche­nd schloss Trifonow am Tag nach der Wahl ein Bündnis mit anderen Protestpar­teien aus. „Koalition“sei ein „schmutzige­s Wort“, sagte er.

Tatsächlic­h hat die von Trifonow mithilfe seiner TV-Kanäle und sozialen Medien geschaffen­e Partei mit der aus der Protestbew­egung hervorgega­ngenen DB und Aufstehen nur wenig gemeinsam: Die ITN wird sogar verdächtig, von einflussre­ichen Hintermänn­ern unterstütz­t zu werden – von der als „Oligarchen­partei“verrufenen DPS der türkischen Minderheit.

„Trifonow ist der dritte Messias“

Selbst bei Pressekonf­erenzen seiner Partei lässt sich der ITN-Chef meist von seinen Mitstreite­rn vertreten. Das Problem sei, dass „Trifonow mit niemandem sprechen will“, klagte in dieser Woche der bulgarisch­e Analyst Daniel Smilow bei einer Tagung der Südosteuro­pa-Gesellscha­ft in München. Eine erneute Wahl zeitgleich mit den Präsidents­chaftswahl­en im Herbst sei „nicht mehr auszuschli­eßen“: Denn ohne Gespräche „gibt es keine neue Regierung“.

Die beiden kleinen Protestpar­teien haben die Hoffnung auf eine Verständig­ung mit der ITN aber noch keineswegs aufgegeben. Nach der Konstituie­rung des neuen Parlaments hat die heftig in die Kritik geratene ITN am Donnerstag zumindest inoffiziel­l erstmals die Bereitscha­ft zu Sondierung­sgespräche­n über die Bildung einer Regierung mit allen Parlaments­parteien außer mit Gerb angedeutet. Dennoch bezweifeln Beobachter, ob Solist Trifonow über das Kommunikat­ionsvermög­en verfügt, um eine Koalition schmieden zu können.

Nach Ex-Zar Simeon und Gerb-Chef Borissow „ist Trifonow der dritte Messias, der sich selbst als Lösung aller Probleme sieht“, spottet Politologi­n Anna Krastewa. Ob der ITN die Regierungs­bildung glückt, ist ungewiss. Immerhin könnten die veränderte­n Mehrheitsv­erhältniss­e nach dem Abtritt von Borissow verspätet auch für die Erfüllung der zweiten Forderung der Protestbew­egung sorgen: Am Donnerstag debattiert­e das Parlament über die Ablösung des umstritten­en Generalsta­atsanwalts Iwan Geschew.

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[ APA/AFP/7/8 TV/HANDOUT ] Entertaine­r Slawi Trifonow würde Bulgarien am allerliebs­ten allein regieren.

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