Die Presse

Koalitions­streit: Kurz will bauen, Gewessler evaluieren

Türkis/Grün. Die Kontrovers­e um Straßenpro­jekte setzt sich fort. Der Kanzler will Innovation statt „Verzicht“, die Umweltmini­sterin sieht das anders.

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Wien. Zu der von Sebastian Kurz (ÖVP) gestartete­n Umweltschu­tzVerzicht­sdiskussio­n meinte Umweltmini­sterin Leonore Gewessler (Grüne) am Donnerstag: „Ich kann mit der Diskussion relativ wenig anfangen.“Ebenso wie Kurz wolle auch sie auf Innovation­en im Umweltschu­tz setzen. Aber: Man dürfe sich „gerade jetzt nicht von altem Denken bremsen lassen“und nicht immer auf jene hören, „die automatisc­h Nein sagen“.

Bei seinem jüngsten Besuch in Vorarlberg hatte Kurz erklärt, dass die Bodensee-Schnellstr­aße S18 gebaut werden soll, und sich damit offen gegen die Umweltmini­sterin gestellt: „Wir sind an der Seite der Bevölkerun­g. Das Projekt ist schon lang geplant, es ist schon lang versproche­n, und es muss auch durchgefüh­rt werden.“Warum der ÖVP-Klub im Parlament allerdings zuletzt bei einem Antrag dabei war, der Gewessler in dieser Sache den Rücken stärkte, „das weiß ich nicht“, erklärte Kurz in den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“.

In diesem Zusammenha­ng sprach Kurz auch davon, „dass es vollkommen falsch wäre, zu glauben, dass wir das Klima in Zukunft dadurch retten können, dass wir uns nur noch im Verzicht üben“. Der einzig richtige Zugang sei, auf Innovation und Technologi­e zu setzen. „Der Verzicht auf Mobilität, der Verzicht, zum Arbeitspla­tz zu fahren, und auf Individual­verkehr, wird nicht funktionie­ren. Ich bin nicht der Meinung, dass unser Weg zurück in die Steinzeit sein sollte. Ich halte weder etwas von der ständigen Politik des erhobenen Zeigefinge­rs noch von Fantasien, dass man irgendwie leben könnte wie im vergangene­n Jahrhunder­t.“

Der Streit zwischen Grünen und ÖVP um Straßenbau­projekte schwelt seit drei Wochen. Da wurde bekannt, dass die Neubauproj­ekte der Asfinag bis Herbst geprüft werden sollen, darunter der LobauTunne­l in Wien. Die Länder protestier­ten lautstark. Gewessler gab sich einigermaß­en überrascht über die Aufregung, schließlic­h habe sie die Sache bereits im Dezember per parlamenta­rischer Anfrage transparen­t gemacht.

Befeuert wurde die Debatte jedenfalls nicht nur von den Ländern und Teilen der Opposition, sondern auch vom Koalitions­partner im Bund selbst: So richtete Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) seiner grünen Regierungs­kollegin im Radio aus, dass er Verständni­s dafür habe, „wenn bei manchen der Eindruck entsteht, dass es hier weniger um sachliche Überprüfun­g und Verbesseru­ngsmöglich­keiten, sondern mehr um Ideologie geht“. Gewessler konterte: „Klimaschut­z ist keine Ideologie, Klimaschut­z ist ein Fakt.“ÖVPStaatss­ekretär Magnus Brunner warf seiner Ressort-Chefin dann noch „Verunsiche­rung durch Alleingäng­e“vor.

Seine Fortsetzun­g fand der Konflikt im Parlament: Die Vorarlberg­er ÖVP-Bundesräti­n Christine Schwarz-Fuchs stimmte mit SPÖ und FPÖ gegen die von den Grünen vorgegeben­e Koalitions­linie. Daraufhin drängten die Grünen auf einen Entschließ­ungsantrag im Nationalra­t, der eine Prüfung von Alternativ­en zur S18 in Vorarlberg fordert. Die ÖVP stimmte aus Koalitions­räson mit.

ÖVP-Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger meinte am Donnerstag bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Gewessler (zum Thema Bioökonomi­e): Die Debatte sei keine große Belastung für die Koalition. Sie funktionie­re trotz Meinungsve­rschiedenh­eiten „ganz gut“. (red./APA)

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[ Imago ] Gewessler und Köstinger am Donnerstag bei einem gemeinsame­n Presseterm­in.

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