Tödliche Coronawelle überrollt Südostasien
Covid. Lang schonte das Virus Südostasien. Wegen niedriger Impfraten und schlechter Infrastruktur wird die Region jetzt aber so hart getroffen wie seit Pandemiebeginn nicht.
Wien. Südostasien hat im Vergleich zu Europa, den USA oder Lateinamerika die ersten Pandemiewellen verhältnismäßig glimpflich überstanden. Doch nun trifft die Delta-Variante des Coronavirus die Region besonders tödlich – und breitet sich rasant aus. Länder wie Vietnam, Laos oder Thailand kämpfen gegen stets wachsende Zahlen. In Kambodscha müssen Menschen hungern. Besonders dramatisch ist die Lage in Indonesien und Burma, wo Sauerstoff für Covid-Patienten fehlt und Gesundheitssysteme kollabieren.
Ein Problem sind die Impfungen: Wegen weit verbreiteter Skepsis und staatlicher Ineffizienz ist die Impfrate in der gesamten Region extrem gering. Und zusätzlich wirkt der massiv eingesetzte chinesische Impfstoff Sinovac offenbar nicht gegen Delta: Viele damit immunisierte Pfleger und Ärzte erkranken trotzdem. Deshalb wollen Indonesien, Malaysia, Thailand oder die Philippinen auf westliche Impfstoffe umsteigen: Millionen Dosen an Moderna oder BiontechPfizer wurden für das zweite Halbjahr bestellt, Thailand setzt auf AstraZeneca.
Indonesien
Das Inselreich ist das neue globale Corona-Epizentrum geworden: Vergangene Woche überholte Indonesien bei den täglichen Neuinfektionen sogar Indien und Brasilien – die bisherigen Spitzenreiter. Grund ist vor allem die Ausbreitung der hoch ansteckenden Delta-Variante. Und nur sechs Prozent der Bevölkerung ist geimpft. Die Lage in den Krankenhäusern ist dramatisch, internationale Organisationen warnen vor einem Kollaps des Gesundheitssystems. Der Sauerstoff zur Beatmung von Covid-Patienten wird immer knapper. Spitäler haben keine freien Betten mehr, Menschen sterben auf Parkplätzen vor den Krankenhäusern oder in ihren Wohnungen. Die Feuerwehr wird damit beauftragt, die vielen Toten in den Häusern zu bergen. Und auch Kinder sind schwer betroffen. Laut einem CNN-Bericht hat sich die Zahl der Minderjährigen, die in Indonesien an dem Virus sterben, in den letzten Wochen vervierfacht.
Burma
Aufs härteste getroffen wird derzeit Burma (Myanmar) von der Pandemie. Verschärft wird die Lage durch den Militärputsch im Februar, der das Land ins Chaos und in einen Bürgerkrieg gestürzt hat. Das Gesundheitssystem ist de facto kollabiert: Viele Ärzte und Pfleger haben die von Militärs geführten Spitälern verlassen, auch viele Patienten wollen nicht in die Krankenhäuser – aus Protest, Angst vor Repressalien oder wegen der katastrophalen Zustände dort. Offenbar verhaften Soldaten nun Ärzte, die Covid-Patienten außerhalb der Spitäler pflegen und ihnen telefonische Ratschläge geben.
Viele sterben, weil es nicht genug Sauerstoff für die Beatmung gibt. Augenzeugen berichten von verzweifelten Familien, die selbstständig versuchen, Sauerstoff für kranke Angehörige zu organisieren. Krematorien und Leichenhallen sind überlastet. Glaubwürdige Zahlen über Infektionen und Tote gibt es nicht. Angesichts der prekären Sicherheitslage, der unübersichtlichen Situation und fehlender Anti-Covid-Strategien warnt die UNO, dass Burma zum CovidSuperspreader zu werden droht.
Vietnam, Laos, Kambodscha
Das kommunistische Vietnam galt bisher als eines der weltweiten Vorzeige-Länder im Kampf gegen Covid. Dank früher Isolations- und Contact-Tracing-Maßnahmen sowie verpflichtenden Testungen schaffte man es, die erste und zweite Wellte relativ glimpflich zu überstehen. Doch gegen Delta konnte sich auch Vietnam trotz Lockdowns und geschlossener Grenzen nicht wappnen, das Land wurde zum Opfer des eigenen Erfolgs: Hanoi bestellte zu spät und zu wenig Impfstoff, die Impfrate liegt bei nicht einmal drei Prozent.
Kritisch ist die Gesundheitslage im ärmeren, ebenso von der KP regierten Nachbarland Laos. Auch dort explodieren trotz Lockdowns die Infektionszahlen. Ebenso wenig hat Kambodscha die Lage unter Kontrolle, wo täglich neue CovidRekordwerte gemeldet werden. Die Regierung versucht, die Pandemie mit Lockdowns zu bremsen. Das zwingt das Land noch mehr in die Knie: Wegen der Schließung von Märkten und Jobverlusten leiden Menschen an Hunger.
Thailand, Philippinen
Allein am Mittwoch vermeldete Thailand so viele neue Coronafälle wie seit Anfang der Pandemie nicht. Mehrere Regionen, darunter Bangkok, sind bereits weitgehend abgeriegelt. Zudem ist ein landesweites Versammlungsverbot in Kraft. Grund ist der Unmut über die Militärregierung und ihr Corona-Management, erst am Sonntag wurde erneut demonstriert. Nur fünf Prozent der Bevölkerung sind geimpft, die Spitäler sind überfüllt. Trotzdem versucht man, die Tourismussaison zu retten: Badeorte wie Phuket bieten ausländischen Touristen Pakete mit strengen Sicherheitsauflagen an.
Auch in Malaysia, das sich seit Juni wegen Delta im Lockdown befindet, wächst der Frust auf die Regierung. Die Pandemie hat die Wirtschaftskrise verschärft.
In den Philippinen breitet sich indes Delta ebenfalls schnell aus. Und auch dort ist die Impfrate mit sechs Prozent sehr niedrig. Präsident Rodrigo Duterte versucht nun, die Bevölkerung zum Impfen zu animieren. Einerseits lockt er mit Belohnungen (eine Kuh, ein Huhn) – anderseits droht er: Wer sich nicht impfen lasse, könne bald im Gefängnis landen.